# taz.de -- Buch über Frauen und Autos: Blinzeln mit der Lichthupe | |
> Dem Tempo verfallen oder präfeministisch? Susanne Gretter porträtiert in | |
> einem üppig bebilderten Band Automobilistinnen. | |
Bild: Die Frankfurter Prostituierte Rosemarie Nitribitt lockte Kunden mit der L… | |
„Danke, ich schaff’s alleine!“ ist der Titel eines Buches aus den 1980er | |
Jahren. Es sollte das Verhältnis von Frauen zu ihren Autos vertiefen, vorn | |
drauf prangte die Zeichnung einer Blondine in rosa Overall, die anscheinend | |
gerade erfolgreich an ihrem Citroën 2CV, ihrer „Ente“ geschraubt hatte. | |
Dabei führte die Frauenbewegung mit dem Handbuch nur eine Tradition fort. | |
Bereits 1909 hatte nämlich die englische Rennfahrerin Dorothy Levitt „The | |
woman and the car: A chatty little handbook for all women who motor or who | |
want to motor“ veröffentlicht, dessen „chattiness“, also Gesprächigkeit | |
sich charmant im Titel widerspiegelt. „Automobilistinnen“ nannte man die | |
Pionierinnen des motorisierten Fahrens, die sich anfangs, als die | |
merkwürdigen, pferdefreien Fahrwerke noch offen waren, in Pelzmäntel und | |
Schals hüllten, die Frisuren mit Hut-Ungetümen schützten, vor allem aber | |
erfindungsreich sein mussten. | |
Bertha Benz, Ehefrau von Carl Benz, der 1886 das weltweit erste Patent auf | |
einen Verbrennungsmotor erhielt, unternahm zwei Jahre später mit ihren | |
beiden Teenager-Söhnen die erste längere Autofahrt der Geschichte – mit | |
einem dreirädrigen Motorwagen und 2,5 PS. Auf der 106 Kilometer langen | |
Strecke von Mannheim zu ihrer Schwester nach Pforzheim füllt sie das | |
Kühlwasser mit Brunnenwasser auf, kauft beim Dorfapotheker das | |
Fleckenmittel „Ligroin“ nach, mit dem das Auto angetrieben wird, piekst | |
eine verstopfte Benzinzufuhr mit ihrer Hutnadel durch und isoliert ein | |
defektes Zündungskabel mit einem Strumpfband. | |
Es scheint, als wären Frauen für das Autofahren prädestiniert. Kaum zu | |
glauben, dass das Vorurteil der schlechter lenkenden Fahrerinnen dennoch | |
seit Jahrzehnten Stoff für schale Witze bietet. Susanne Gretter hat in | |
ihrem soeben erschienenen, üppig bebildertem Buch „Mutig, mondän, | |
motorisiert. Rasante Geschichten von der Frau am Steuer“ Porträts von | |
frühen Fahrerinnen gesammelt, die ihre Autos aus verschiedensten Gründen | |
lieben. | |
## „Automobil“ sein bedeutet autark sein | |
Manche treibt allein die Abenteuerlust an, die das eigenverantwortliche | |
Fahren mit sich bringt – die US-amerikanische Schriftstellerin Edith | |
Wharton schreibt in ihrem 1908 erschienenen Reisebericht „Frankreichfahrt“: | |
„Das Auto hat uns von allen Zwängen und Kontakten befreit, die dem Reisen | |
mit der Eisenbahn anhaften, es hat uns das Staunen, das Abenteuer und die | |
Neuheit zurückgegeben, die den Weg unserer mit der Postkutsche reisenden | |
Großeltern belebten“. | |
Andere, wie die „Bugatti Queen of Speed“ Hellé Nice oder die stets in | |
elegantester Kleidung rasende „Frau in Rot“, Ernes Merck, sind allein dem | |
Tempo verfallen. Und Rosemarie Nitribitt, der Gretter das letzte von 15 | |
kurzweiligen Porträts widmet, fährt in ihrem schwarzen Mercedes 190 SL mit | |
dunkelroten Ledersitzen auf Augenhöhe ihrer bestens situierten Freier: Die | |
Prostituierte, deren Ermordung nie aufgeklärt wurde, nutzt den Symbolstatus | |
ihres Statussymbols aus. Vor dem Hotel „Frankfurter Hof“ „blinzelt sie | |
potenziellen Kunden mit der Lichthupe zu“, schreibt Gretter. | |
In den mit vielen Zitaten und Textausschnitten angereicherten Anekdoten | |
über bewusste oder unbewusste Präfeministinnen, Künstlerinnen, | |
Abenteurerinnen und Schriftstellerinnen rollen die Räder noch weit entfernt | |
von Umweltproblemen, Dieselskandalen, Autoindustrie-Lobbyismus und der | |
problematischen Entwicklung der Städte. Gretter beschreibt stattdessen ein | |
Lebensgefühl, und eine Möglichkeit der Emanzipation – „automobil“ zu se… | |
bedeutete autark zu sein. | |
Die Öffentlichkeit begegnete diesen Entwicklungen mit Skepsis. Mehr als bei | |
den männlichen „Automobilisten“ wurde Wert auf die Äußerlichkeiten von | |
Gefährt und Chauffeurin gelegt: „Sport und Eleganz, zwei Dinge, die nur die | |
moderne Frau zu kombinieren weiß“, heißt es in einem Bericht über ein | |
Rennen, das Hellé Nice 1929 gewann und für dessen Ehrenrunde sie sich „des | |
Overalls entledigt und in ein schönes Kleid schlüpft“. | |
Und dass Dorothy Levitt den Rückspiegel erfunden hat, ist mehr als ein | |
Döneken der Autogeschichte: Es sei zweckmäßig, schrieb die modebewusste | |
Rennfahrerin 1909, den Spiegel schnell zur Hand zu haben – „nicht nur für | |
den persönlichen Gebrauch, sondern auch, um ihn gelegentlich hochzuhalten | |
und zu sehen, was hinter einem geschieht“. Was die einen als Eitelkeit | |
abtaten, wurde schnell serienmäßig. Dass in den meisten modernen Modellen | |
der beleuchtete Extraspiegel allerdings nur in der Beifahrersonnenblende | |
zu finden ist, sollte einem zu denken geben. | |
26 Nov 2017 | |
## AUTOREN | |
Jenni Zylka | |
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