# taz.de -- Mugabe verliert die Macht in Simbabwe: Vom Krokodil gefressen | |
> 37 Jahre lang herrschte Robert Mugabe über Simbabwe. Nun übernimmt | |
> Emmerson Mnangagwa, genannt „das Krokodil“. | |
Bild: Die Ära Mugabe ist vorbei, seine Frau Grace wird wohl nicht seine Nachfo… | |
Berlin/Harare taz | Beide führen sie ehemalige afrikanische | |
Befreiungsbewegungen. In beiden Ländern haben sich diese in erbitterten | |
Erbfolgestreitereien selbst zerfleischt. Robert Mugabe, der in der Nacht | |
zum Mittwoch entmachtete Präsident von Simbabwe, ist nun als Erster zu Fall | |
gebracht worden. Die Parallelen zwischen ihm und seinem Amtskollegen Jacob | |
Zuma im großen Nachbarn Südafrika sind in vielen weiteren Bereichen so | |
evident, dass Mugabes später Sturz weit über sein Heimatland | |
hinausreichende Fragen aufwirft. | |
Robert Mugabe und Jacob Zuma sind die letzten regierenden Repräsentanten | |
einer Generation afrikanischer Nationalisten, die vor über einem halben | |
Jahrhundert unter großen persönlichen Entbehrungen den Griff zur Waffe als | |
letztes Mittel der Befreiung vom Kolonialismus wählten – und damit richtig | |
lagen. Beide wurden in arme Verhältnisse hineingeboren und schlossen sich | |
Untergrundbewegungen an, die ihre Länder von der weißen | |
Minderheitsherrschaft auf der Grundlage von Rassendiskriminierung befreiten | |
– der Zimbabwe African National Union (ZANU) im damaligen britischen | |
Südrhodesien, dem African National Congress (ANC) in Südafrika. | |
Beide kamen im Jahr 1963 ins Gefängnis und saßen dort über zehn Jahre ab – | |
Jacob Zuma ab Juni 1963 auf Robben Island, der notorischen südafrikanischen | |
Gefängnisinsel, zusammen mit Nelson Mandela; Mugabe ab Dezember 1963, als | |
er bei der Rückkehr in sein Heimatland festgenommen wurde, nachdem er mit | |
einigen Getreuen in Tansania die radikale schwarze Untergrundbewegung ZANU | |
gegründet hatte, als Abwendung von jedem Versuch eines politischen | |
Kompromisses mit den weißen Kolonialherren. Robert Mugabe verbrachte elf | |
lange Jahre in Haft, bis er endlich entlassen wurde und bald darauf ins | |
Exil gehen musste. | |
## Er predigte Askese und Genügsamkeit | |
Der ehemalige Jesuitenschüler, der als kleines Kind als Berufswunsch | |
„Lehrer“ angegeben hatte, lehrte im Gefängnis seine Mithäftlinge Englisch | |
und Selbstdisziplin als Überlebensstrategie: aufstehen und meditieren im | |
Morgengrauen, nicht rauchen, einfache Kost. Bis ins hohe Alter ist Mugabe | |
für Intellektualität, Askese und Genügsamkeit bekannt gewesen – ganz anders | |
als Jacob Zuma, der Lebemann ohne Schulabschluss, der auch schon wegen | |
Vergewaltigung vor Gericht gestanden hat. | |
Als das ehemalige Südrhodesien 1980 unter dem Namen Simbabwe mit Robert | |
Mugabe als frei gewähltem Premierminister unabhängig wurde, galt es als ein | |
Hoffnungsträger schwarz-weißer Versöhnung, ähnlich wie 1994 Südafrika nach | |
dem Ende der Apartheid. Aber Simbabwe ist durch die Korruption und die | |
Vetternwirtschaft Mugabes ausgeblutet worden. Schon zwei Jahre nach der | |
Unabhängigkeit begann Mugabe mit der brutalen Niederschlagung der | |
Opposition im Siedlungsgebiet des Ndebele-Volkes im Süden des Landes. | |
20.000 Menschen wurden dabei getötet – Opfer der gefürchteten, von | |
Nordkoreanern trainierten „Fünften Brigade“. Operation „Gukurahundi“ n… | |
sich dieser Feldzug – das Wort steht für den Regen, der im Frühling das | |
Unkraut hinwegspült. | |
Seitdem sieht sich Mugabes ZANU-Elite als unantastbar. Beim ANC in | |
Südafrika hat es kein vergleichbares Verbrechen gegeben, aber beide | |
Bewegungen haben nach Ansicht weiter Teile ihrer Bevölkerungen am Ende ihre | |
Ideale verraten. Der 93-jährige Mugabe ist über seine Pläne gestürzt, seine | |
Ehefrau Grace Mugabe (52) als Nachfolgerin zu installieren. Dem 75-jährigen | |
Zuma könnte seine Präferenz für seine Exfrau Nkosazana Dlamini-Zuma (68), | |
mit der er 16 Jahre lang verheiratet war, als nächste ANC-Chefin zum | |
Verhängnis werden. Im Dezember soll ein ANC-Parteitag entscheiden, wen die | |
Partei bei den nächsten Wahlen 2019 anstelle von Zuma ins Rennen schickt, | |
und es gibt in Südafrika ebenso große Widerstände gegen ein dynastisches | |
Regierungsprinzip wie in Simbabwe, wo sich die Gegner von Grace Mugabe am | |
Ende mithilfe der Armee durchgesetzt haben. | |
## Mit eiserner Faust gegen die Opposition | |
Der Niedergang der einstigen Befreiungsbewegungen begann in den Städten, | |
unter der aufgeklärten Jugend. Simbabwes ZANU verlor bei Kommunalwahlen im | |
Jahr 2000 zwanzig Jahre nach der Unabhängigkeit die Kontrolle an eine aus | |
der Gewerkschaftsbewegung hervorgegangene Opposition, die sich gegen | |
Misswirtschaft und Korruption formiert hatte – die Movement for Democratic | |
Change (MDC), die seitdem bei jeder Wahl in Simbabwe mithilfe | |
offensichtlicher Manipulation um den Sieg betrogen wurde. Vergangenes Jahr, | |
22 Jahre nach Ende der Apartheid, verlor auch Südafrikas ANC die großen | |
Städte an die liberale Opposition. | |
Als gemeinsamen Grund macht Nqabutho Mabhena, in Südafrika exilierter | |
Generalsekretär der Zimbabwe Communist Party (ZCP), die Abkehr beider | |
Regierungen von den eigenen Idealen zugunsten schlichter Ausplünderung aus. | |
„Um das Land zu plündern, müssen sie sich mit Jasagern umgeben. Sie setzen | |
ihre Verwandten an Schlüsselstellen in der Wirtschaft. Dann ersetzen sie | |
den Kollektivismus durch einen Kult, bei dem ihre Freunde die | |
Staatsbetriebe leer plündern und korrupte Geschäfte eingehen, bis die | |
Wirtschaft zusammenbricht.“ | |
In Simbabwe eskalierte dieser Trend, bis das Land in bittere Armut verfiel. | |
Als Reaktion auf die ersten Wahlverluste im Jahr 2000 ließ ZANU die | |
Kriegsveteranenverbände aus der Zeit des Befreiungskrieges massenhaft | |
Farmen im Besitz weißer Siedler besetzen. „Die Weißen sollen begreifen, | |
dass das Land den Simbabwern gehört“, sagte Mugabe damals. Mit dem Schritt | |
wurde die bisherige friedliche Koexistenz einer schwarzen Regierung und | |
einer weißen wirtschaftlichen Elite aufgekündigt. Mit desaströsen Folgen: | |
Simbabwes kommerzielle Landwirtschaft brach zusammen, und mit ihr die | |
gesamte Volkswirtschaft. Am Ende sorgte die spektakulärste Hyperinflation | |
der Welt seit der in Deutschland im Jahr 1923 dafür, dass Simbabwe seine | |
eigene Währung aufgeben musste und bis heute keine mehr hat, sondern | |
Geldscheine aus den USA und Südafrika benutzt. | |
## Das Land verarmte, der Mugabe-Clan gewann | |
„Die Massen und ihre Avantgarde gegen die Siedler-Bourgeoisie“ – so hatte | |
Robert Mugabe in seinem Vorwort zu einem 1981 erschienenen Standardwerk zur | |
Geschichte Simbabwes seinen Kampf charakterisiert: „Der bewaffnete Kampf | |
gründete vor allem auf dem Prinzip des Zurückgewinnens des Vaterlandes.“ | |
Aber am Ende dieses Kampfs herrschte eine neue Bourgeoisie aus den Cliquen, | |
die sich um Mugabe und seine Familie herum bereichert hatten, und den | |
Generälen, denen Mugabe fruchtbares Land, lukrative Diamantenminen, | |
Bergbaudeals im Kongo und die politische Unantastbarkeit zugeschanzt hatte. | |
In Simbabwe ist schwer zu erklären, wie Diamanten im Wert von 15 Milliarden | |
US-Dollar spurlos aus den Staatsreserven verschwinden können. In Südafrika | |
stellen die insgesamt 783 verschiedenen Korruptionsvorwürfe der | |
Staatsanwaltschaft an Zuma einen Weltrekord dar, und dass Zuma der | |
schwerreichen indischstämmigen Gupta-Unternehmerfamilie maßgeblichen | |
Einfluss auf die Politik gewährt hat, trägt zum Ansehensverlust Südafrikas | |
in der Welt und zu Unzufriedenheit in der Bevölkerung bei. | |
Die Flügelkämpfe in Simbabwe um die immer spärlicheren Pfründen bewältigte | |
Mugabe mit der Taktik des „Teile und herrsche“, die er meisterlich | |
beherrscht, ebenso wie Zuma in Südafrika. Beide feuern Minister gerne aus | |
geringen Anlässen, und in beiden Regierungen ist Korruption bis ins Mark | |
des Systems vorgedrungen. Anders als in Südafrika sind in Simbabwe dabei | |
die Säulen von Demokratie und Rechtsstaatlichkeit so ziemlich komplett | |
niedergerissen worden. „Nur Gott, der mich ernannt hat, wird mich abwählen | |
könnten“, erklärte Mugabe vor neun Jahren. | |
## Die neue First Lady genoss keine Sympathie | |
Viele Kritiker datieren den Niedergang Simbabwes auf das Jahr 1992, als | |
Robert Mugabes langjährige Ehefrau Sally verstarb. Die gebürtige Ghanaerin | |
hatte über die Jahrzehnte der Haft und des Untergrundkampfs immer unbeugsam | |
zu ihrem Mann gestanden. Dass Mugabe schließlich 1996 seine als | |
ambitioniert und egoistisch kritisierte Sekretärin Grace Mugabe heiratete, | |
wurde schon damals von vielen seiner Getreuen kritisiert. Die Generation | |
der Untergrundkämpfer hat die neue First Lady nie akzeptiert. Für Simbabwes | |
Armeechef ist sie eine „hyperaktive Null“. | |
Emmerson Mnangagwa, der jetzt von ZANU als Interimspräsident inthronisiert | |
wird, war Grace Mugabes Hauptgegner in der Partei. Er war deswegen am 6. | |
November als Vizepräsident Simbabwes entlassen und auch aus der Partei | |
ausgeschlossen worden; über Mosambik rettete er sich ins südafrikanische | |
Exil. Das brachte die Generäle auf den Plan, die am Montag kollektiv auf | |
einer Pressekonferenz mit ihrem Eingreifen drohten und schließlich am | |
Dienstag die Panzer rollen ließen. | |
Traditionell mischt sich Simbabwes Militär nicht in die Politik ein – dafür | |
ist ZANU selbst zu sehr immer noch eine Kampforganisation, mit einem | |
eigenen Militärkommando zur Koordination der Sicherheitsorgane, dem lange | |
Mnangagwa vorsaß. Die hohen Generäle haben aber immer wieder gewarnt: Nur | |
jemand, der am Befreiungskrieg teilgenommen hat, darf das Land regieren. | |
Insofern ist Emmerson Mnangagwa die ideale Wahl. Das „Krokodil“, wie er zu | |
Kriegszeiten genannt wurde, war 1963 einer der fünf allerersten | |
ZANU-Kämpfer überhaupt, Kern der späteren Befreiungsbewegung. Er wurde | |
damals mit den vier anderen zur Ausbildung in die Volksrepublik China | |
geschickt. | |
Tinyiko Maluleke, Vizekanzler der Universität von Pretoria in Südafrika, | |
sagt, dass Mugabe und Zuma mit ihrem Politikstil nicht allein sind. „In | |
Angola hat der frühere Präsident José Eduardo dos Santos seine Tochter | |
Isabel gefördert, die jetzt die reichste Frau Afrikas ist. Aber er hat | |
nicht seine Frau als Nachfolgerin auserkoren.“ Auch in der Demokratischen | |
Republik Kongo sei eine einzige Familie an der Macht, und: „Donald Trump | |
hat seine Kinder, Familie und Freunde um sich geschart. Die Präsidenten | |
Russlands und der Türkei handeln ähnlich. Es ist ein weltweiter Trend.“ | |
Für Gabriel Shuma, Direktor der Diaspora-Organisation Zimbabwe Exiles | |
Forum, sind die Ähnlichkeiten zwischen Simbabwe und Südafrika beängstigend. | |
„Zuma scheint sich am nördlichen Nachbarn (Simbabwe) ein schlechtes | |
Beispiel zu nehmen. Wenn die Berichte stimmen, haben Zuma und Mugabe | |
benachbarte Villen in Dubai. Beide wollen ihre Vizepräsidenten von der | |
Präsidentschaft ausschließen, zugunsten ihrer Frau oder Exfrau. Es ist eine | |
Machtdemonstration, die Loyalisten belohnen will. Am Ende ist das Volk der | |
Verlierer.“ | |
Mit dem Unterschied, dass in Simbabwe der geschasste Ex-Vizepräsident jetzt | |
seine Revanche an Mugabe gewonnen hat. | |
16 Nov 2017 | |
## AUTOREN | |
Savious Kwinika | |
Dominic Johnson | |
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