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# taz.de -- Videobeweis im Fußball: Alle Macht geht von Köln aus
> Der Videobeweis in der Fußballbundesliga gaukelt absolute Wahrheit vor –
> dabei schwächt er die Transparenz. Schafft ihn endlich ab!
Bild: Allsehendes Auge in Köln? Auch Fouls können durch Videoaufzeichnungen �…
Es ist das neue Zeichen der Ohnmacht. Es hat der Willkür Tür und Tor
geöffnet. Mit Saisonbeginn im August wurde es von der Deutschen
Fußball-Liga eingeführt. Wenn die Bundesligaschiedsrichter mit ihren
Zeigefingern ein Viereck nachbilden, die Form eines Videobildschirms, dann
bedeutet das: Sorry, Leute, offenbar habe ich da gerade etwas falsch
gesehen. Mein Videoschiedsrichter schaut da noch einmal genau drauf, ich
werde euch gleich seine Entscheidung mitteilen.
Seit diesem Sommer geht im deutschen Fußball alle Macht von Köln aus. Denn
dort sitzen die Videoschiedsrichter, die jeden Spieltag die Unparteiischen
in einem Hightech-Studio überwachen. Mit dieser Zentralisierungsmaßnahme
wollte man der Gerechtigkeit auf dem Platz zum Sieg verhelfen. Das war die
Zielsetzung. Das Ergebnis, das kann man nach elf Spieltagen festhalten, ist
das glatte Gegenteil. Die Konsequenz kann nur heißen: Der Videobeweis mit
dem obersten Kölner Wächtergremium gehört so schnell wie möglich
abgeschafft. Eine unzumutbare Quälerei wäre es, das Ende der Probephase,
das Saisonende also, abzuwarten.
Egal wo man sich umhört, ob in Köln, Wolfsburg, Stuttgart oder Freiburg –
[1][überall wird Spieltag für Spieltag geklagt über himmelschreiende
Ungerechtigkeit]. Warum greift bei vergleichbaren Spielsituationen der eine
Videoschiedsrichter ein, der andere nicht? Warum wird in vergleichbaren
Fällen der Schiedsrichter mal dazu bewegt, den Elfmeter zurückzunehmen, mal
nicht? Noch nie wurde in der Bundesliga so viel über strittige
Schiedsrichterentscheidungen diskutiert wie in dieser Saison.
Der Begriff Videobeweis ist schon für sich genommen irreführend. Er erweckt
den Glauben, Bilder könnten irgendetwas klar beweisen. Der Videobeweis
bleibt aber immer auch Auslegungssache. Im ungünstigsten Fall kann man mit
ihm einen Platzverweis sowohl falsch als auch als richtig bewerten.
Jede noch so gut gemeinte Formulierung, die versucht objektive,
trennscharfe Grenzen einzuführen, ist zum Scheitern verurteilt. Wenn es
heißt, der Videoschiedsrichter dürfe nur bei „gravierenden
Fehlentscheidungen“ eingreifen, dann bleibt immer ein Rest Subjektivität im
Spiel.
Deshalb ist auch die derzeit häufig zu hörende Überzeugung, die verfahrene
Situation sei mit mehr Zurückhaltung der Videoschiedsrichter zu retten,
falsch. Auch die Grenzen der Zurückhaltung sind löchrig und bieten
reichlich Stoff für die nächsten Debatten.
Das Hauptproblem des Scheiterns liegt in der Schaffung der obersten Kölner
Kontrollinstanz begründet. Die dort sitzenden Oberrichter vermitteln den
Glauben, sie wären im Besitz der absoluten Wahrheit, die Entscheidungen auf
dem Platz wären objektivierbar. Sie degradieren die Schiedsrichter auf dem
Platz zu ihren Erfüllungsgehilfen. Es ist ein größenwahnsinniges,
dogmatisches Projekt. Und keiner hat genaue Einblicke in die Machtmechanik
dieser Konstruktion.
Wer weiß denn schon, was alles in die Kölner Entscheidungen mit einfließt?
Welche Rolle spielen persönliche Animositäten? Werden Schiedsrichter, die
auch aufgrund ihrer mangelnden Loyalität gegenüber den Mächtigen in der
Hierarchie ganz unten stehen, in strittigen Fällen etwa öfter korrigiert
und vermeintlich falscher Entscheidungen überführt? Bekanntlich geht es in
der deutschen Schiedsrichtergilde wie in einem Geheimorden zu. Wer warum in
der Karriereleiter nach oben steigt, bleibt oft kryptisch.
Mit der Dezentralisierung von Macht und Wahrheitsanspruch hätte der
Videobeweis größere Erfolgsaussichten gehabt. Warum etwa hat man nicht den
Teams die Verantwortung übergeben, pro Spiel zweimal den Videobeweis
einzufordern, wie es auch in anderen Sportarten üblich ist? Die Macht im
deutschen Fußball darf nicht allein von Köln aus ausgeübt werden. Zentrale
Fehlentscheidungen haben immer verheerendere Folgen als dezentrale.
7 Nov 2017
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[1] /Kolumne-Press-Schlag/!5448953
## AUTOREN
Johannes Kopp
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