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# taz.de -- Videobeweis im Fußball: Schwarzer Sonntag in Italien
> In Deutschland wird heftig über den Videobeweis im Fußball gestritten. In
> Italien kam man damit ganz gut zurecht – bis zu diesem Wochenende.
Bild: Videobeweis beim Spiel Inter gegen Lazio
Die Szene hatte Slapstick-Qualitäten. Nach dem 2:1-Sieg des AC Mailand über
Lazio Rom begab sich Lazio-Coach Simone Inzaghi zu Patrick Cutrone, dem
Schützen des 1:0 für Milan. Inzaghi fasste sich immer wieder an die Hand
und blickte dabei empört zum jungen Stürmer. Cutrone hingegen griff sich
wiederholt an die Schulter. Hand Inzaghi, Schulter Cutrone – ein drolliges
pantomimisches Duell.
Auslöser war das 1:0. Cutrone erzielte es mit dem abgewinkelten Arm und
nicht mit dem Kopf, auch nicht mit der Schulter, wie es aus
unterschiedlichen Kamerapositionen schien. Wäre Cutrone ein Maradona und
hätte es sich statt eines Verfolgerduells in der Serie A um ein
WM-Viertelfinale gehandelt, vielleicht wäre dann das Wort von der „Hand
Gottes“ gefallen. Hier aber war es nur die Hand eines 20-jährigen Stürmers,
der im Berufsfußball offensichtlich so erzogen wurde, jeden Vorteil, sei er
auch noch so unrechtmäßig erlangt, mit einem Unschuldsschauspiel zu
verteidigen.
In seinem Falle versagte auch das System, das solche Fehler eigentlich
ausmerzen soll. Der Video Assistant Referee, kurz VAR, kontrolliert zwar
mögliche Abseitspositionen, verließ sich beim Kontakt des Schützen mit dem
Ball aber auf nur eine Einstellung. Eine Fehlentscheidung. Wozu allerdings
gibt es den Videoassistenten, wenn er nicht die vorhandenen und für die
Bewertung einer Aktion notwendigen Bilder konsultiert?
Noch höher schlugen die Wellen in Crotone, wo man gegen Cagliari Calcio
spielte. Kurz vor Abpfiff fiel das 2:1 für die Gastgeber. Das dachten
jedenfalls alle, bis sie die Fahne des Linienrichters sahen und der Schiri
zum Videostand trabte. Was er dort gesehen haben mochte, blieb sein
Geheimnis. Auf den Bildern, die über alle Kanäle flimmerten, war nichts zu
finden. Dennoch wurde das Tor annulliert.
## Große Zustimmung
Zusammen mit einem recht zweifelhaften Elfmeter für Napoli führten diese
Fehlentscheidungen zum schwarzen VAR-Sonntag im italienischen Fußball.
Zuvor hatte es auch immer mal wieder Kritik am Videobeweis gegeben.
Generell aber war die Zustimmung groß. Die Meckerei gegenüber
Schiedsrichterentscheidungen nahm ab – etwa 30 Prozent weniger gelbe Karten
wegen dieses Delikts wurden gezeigt.
„Es herrscht mehr Gerechtigkeit“, bilanzierte Tiziano Pieri, ehemaliger
Schiedsrichter und VAR-Experte des italienischen Fernsehsenders RAI, zur
Winterpause. Er notierte 45 korrigierte Entscheidungen, darunter 18
gegebene und sieben zurückgezogene Elfmeter, neun wegen Abseits aberkannte
und drei nach falsch verhängtem Abseits doch wieder gegebene Tore.
Querelen gab es eher darüber, dass der VAR nicht häufig genug eingesetzt
wurde. Die Einschätzung der Intensität bei Fouls und der Absicht bei
Handspielen bleibt etwa dem Schiedsrichter überlassen. Negativ fiel auf,
dass Linienrichter dazu tendierten, trotz Abseits ein Spiel weiterlaufen zu
lassen – der VAR würde die Sache ja schon richten.
Trainer beklagten zudem fehlende Transparenz der Entscheidungen. Insgesamt
galt das italienische System mit Videostudio in jedem Stadion aber als so
vorbildlich, dass die Italiener darauf hofften, bei der WM in Russland
zumindest mit einer gut ausgebildeten VAR-Truppe für Furore sorgen zu
können – als Ersatz für das gescheiterte Nationalteam. Diese Überzeugung
hat jetzt einen Dämpfer erlitten.
29 Jan 2018
## AUTOREN
Tom Mustroph
## TAGS
Videobeweis
Fußball
Serie A
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Deutscher Fußballbund (DFB)
Videobeweis
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