# taz.de -- Blindenwerkstatt vor dem Aus: Beschäftigte kämpfen um ihre Arbeit | |
> In Steglitz-Zehlendorf befindet sich eine der ältesten Blindenwerkstätte | |
> Berlins. Nach 130 Jahren droht Anfang 2018 die Schließung. | |
Bild: Ein Mitarbeiter arbeitet an einem Puppenwagen – rollt bald der letzte a… | |
Ein Besen für knapp 10 Euro, ein Puppenwagen für 75 Euro, aber auch Stühle | |
für über 300 Euro – seit 130 Jahren wird in der Blindenwerkstatt in der | |
Rothenburgstraße 14–15 in Berlin-Steglitz traditionelle Korb- und | |
Flechthandwerkskunst ausgeübt. 13 sehbehinderte MitarbeiterInnen arbeiten | |
in der Werkstatt, unterstützt von 5 sehenden KollegInnen. | |
Trotz hoher Nachfrage soll nach der diesjährigen Weihnachtssaison Schluss | |
sein. Anfang kommenden Jahres schließt die Werkstatt ihre Türen. Doch die | |
Beschäftigten wollen noch nicht aufgeben und kämpfen für den Weiterbetrieb. | |
Am vergangenen Donnerstag beschäftigte sich der Ausschuss für Pflege, | |
Soziales und Arbeit des Bezirks Steglitz-Zehlendorf mit dem Thema. | |
Gefasst hatte den Beschluss zur Schließung der Blindenwerkstatt der | |
Trägerverband, das Blindenhilfswerk Berlin e. V. Auf einer | |
außerordentlichen Mitgliederversammlung Anfang Juli stimmten fast 90 | |
Prozent der Anwesenden dem zu. „Es ging alles ziemlich schnell – obwohl wir | |
Aufträge genug haben“, kritisiert Betriebsrat Sebastian Meinert den | |
Vorgang. | |
## Schon seit Jahren wirtschaftliche Probleme | |
Geschäftsführerin des Blindenvereins Andrea Pahl begründet die Entscheidung | |
in einer Pressemitteilung von Mitte September damit, dass die Erlöse aus | |
dem Verkauf der Waren schon seit vielen Jahren nicht mehr die | |
Produktionskosten decken würden. Die Werkstatt sei bei „der gegebenen | |
räumlichen Größe und der Anzahl der Beschäftigten nicht existenzfähig“, | |
heißt es darin. | |
Während der Verein letztendlich keine andere Möglichkeit mehr sah, als die | |
Werkstatt zu schließen, sagt Meinert vom Betriebsrat: „Meiner Meinung nach | |
hätte man zumindest das Minus reduzieren können.“ | |
Die Geschäftsführung des Vereins verteidigt sich indes gegen die Vorwürfe, | |
keine konkreten Maßnahmen ergriffen zu haben. „Wir haben viel unternommen, | |
um die Schließung zu verhindern“, so Pahl. So wurden Kooperationen mit | |
Behindertenwerkstätten gesucht, Produktionsabläufe verändert und neue | |
Marketingstrategien, etwa der Aufbau eines Onlineshops, ausprobiert. | |
Geholfen hatte am Ende wohl nichts von alledem. Der Verein erklärte in | |
seiner Pressemitteilung, dass er zuletzt einen sechsstelligen Betrag | |
zuschießen musste, um die Verluste auszugleichen und den Weiterbetrieb der | |
Blindenwerkstatt zu garantieren. Deshalb sei die Schließung unumgänglich | |
gewesen. | |
## Schlecht kommuniziert | |
Sebastian Meinert bestreitet die wirtschaftlichen Nöte nicht. Eine Sache, | |
die ihn aber ärgert, ist der Umgang des Vereins mit den Beschäftigten. | |
„Zuerst hat man uns beruhigt und dann hieß es auf einmal, es gibt diese | |
Mitgliederversammlung, auf der über die Schließung abgestimmt werden soll“, | |
so Meinert. | |
Den Vorwurf, unzureichend kommuniziert zu haben, musste sich die | |
Geschäftsführung nicht nur vom Betriebsrat gefallen lassen. Auch politische | |
VertreterInnen, wie Andreas Thimm (FDP), der einen Dringlichkeitsantrag zur | |
Erhaltung der Blindenwerkstatt im Ausschuss für Pflege, Soziales und | |
Senioren in der Bezirksverordnetenversammlung Steglitz-Zehlendorf | |
einbrachte, warfen ihr vor, keine Gesprächsbereitschaft gezeigt zu haben. | |
Das stimme so nicht, sagt Andrea Pahl auf Nachfrage der taz. Nur eine | |
einzige Anfrage für ein Gespräch habe der Verein von einem | |
Ausschussmitglied vor der Sitzung am vergangenen Donnerstag bekommen. Die | |
Anfrage habe man abgelehnt: „Für uns kann es keine Lösung mehr geben, die | |
einen Weiterbetrieb ermöglicht. Wenn sich aber ein anderer Träger finden | |
würde, freuen wir uns natürlich.“ | |
Dennoch muss es im Verein in jüngster Zeit zu einem Umdenken gekommen sein, | |
denn am vergangenen Donnerstag waren sowohl Geschäftsführerin Pahl als auch | |
Reinhard Schultz-Ewert, der Vorsitzende des Blindenhilfswerks, doch zu | |
Gesprächen im Ausschuss bereit. So lud ebenfalls die Senatsverwaltung die | |
VertreterInnen des Vereins zu einem Treffen im Laufe dieser Woche ein. Es | |
scheint, als habe der öffentliche Druck Wirkung gezeitigt. | |
Betriebsrat Meinert hofft unterdessen stark auf die Hilfe der | |
PolitikerInnen. „Vielleicht können die noch mal Bewegung in die Sache | |
bringen und uns helfen, Aufmerksamkeit zu erlangen“, sagt er. „Ansonsten | |
hoffen wir, einen anderen Träger zu finden.“ | |
15 Nov 2017 | |
## AUTOREN | |
Sophie-Isabel Gunderlach | |
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