# taz.de -- Sachbuch über Orbáns Ungarn: Der Protopopulist | |
> Antisemitismus, Rassismus und Russland-Treue: Der Ungarnkenner Stephan | |
> Ozsváth erklärt das Phänomen Viktor Orbán. | |
Bild: Klüngeln mit Viktor Orbàn: CSU-Granden Horst Seehofer und Alexander Dob… | |
Spätestens seit dem Bau des Zauns an Ungarns Grenze zu Serbien steht Viktor | |
Orbán in Europa als Synonym für Rechtspopulismus und Ablehnung von | |
Migration. Dass der Premier und Vorsitzende der Regierungspartei | |
Ungarischer Bürgerbund (Fidesz), der heute an einer „illiberalen | |
Demokratie“ baut, einmal ein antikommunistischer Rebell mit | |
radikalliberalen Überzeugungen war, ist kaum noch vorstellbar. | |
Wie der heutige Vizepräsident der Christlich-Demokratischen Internationalen | |
zum Antiliberalen wurde, erklärt der ARD-Journalist Stephan Ozsváth sehr | |
anschaulich in seinem Buch „Puszta-Populismus. Viktor Orbán – ein | |
europäischer Störfall“. Die 19 Kapitel – vom „Werkzeugkasten des | |
Populisten“ bis zum Ausblick darauf, was populistische Herrscher wie Orbán | |
für ihre Länder und für Europa bedeuten – leben davon, dass der Autor einer | |
der besten Ungarnkenner Deutschlands ist. Ozsváth berichtet seit | |
Jahrzehnten über das Land, aus dem sein Vater nach der sowjetischen | |
Besetzung 1956 geflohen war; entsprechend gut spricht der Hungarologe und | |
langjährige Korrespondent für Südosteuropa Ungarisch. Vor allem aber kennt | |
Ozsváth Land und Leute: Für „Puszta-Populismus“ hat er nicht nur | |
Wissenschaftler und Oppositionelle befragt, sondern auch seine Tanten, die | |
fest zu Orbán stehen. | |
Dessen Agenda ist schnell erzählt: die „Vernichtung“ aller Gegner und die | |
ewige Macht. Dazu teilt der Protopopulist Orbán die ganze Welt in Schwarz | |
und Weiß auf: „Wahre“ – nämlich seine – versus „falsche“ (die der… | |
Demokratie; „David“ (Orbán) gegen „Goliath“ (angeblich übermächtige | |
liberale Eliten); „Ihr-da-oben-wir-da-unten“-Rhetorik; Hass auf | |
Minderheiten und Ausländer und die Sündenböck-Strategie. Sündenböcke werden | |
auch gebraucht, denn Orbán hat die letzten Reste des Sozialstaats | |
geschleift und dafür die klassischen Folterinstrumente des Neoliberalismus | |
eingeführt: Schuldenbremse, Flat-Tax und die höchste Mehrwertsteuer Europas | |
– 25 Prozent, die auch die Ärmsten zahlen müssen. Immer mehr verarmen, die | |
Obdachlosigkeit wächst. | |
Derweil bereichert sich die mit Orbán verbundene Elite durch Korruption und | |
Vetternwirtschaft, was wiederum dem Machterhalt des Premiers und seiner | |
Partei nutzt. Medien, Gerichte und andere Institutionen, die Demokratien | |
gegen Derartiges verteidigen sollten, wurden entweder längst in die | |
„Fidesz-Clique“ eingebunden oder entmachtet. | |
## Braindrain: Gut für die Herrschenden | |
Dass Orbáns Politik Menschen abstößt, die nicht in einer von Hass und | |
Klientelismus geprägten Gesellschaft leben wollen, ist zwar schlecht für | |
Ungarn, aber für das Regime Orbán hat es vor allem Vorteile: Mit dem | |
Braindrain verlassen nicht nur die aktivsten, talentiertesten BürgerInnen | |
das Land, sondern auch die kritischsten, also Orbáns gefährlichste Gegner. | |
Bekanntermaßen ist der wichtigste Verbündete des ungarischen | |
Regierungschefs in der EU die polnische PIS-Partei des Jarosław Kaczyński. | |
Weniger bekannt ist, dass Orbáns wichtigster Partner außerhalb Europas | |
Russlands Präsident Wladimir Putin ist. Trotz aller an 1956 erinnernden | |
Kundgebungen, Denkmäler und Mahnwachen: Das „illiberale“ Ungarn ist für | |
Ozsváth ein Einflussagent Moskaus in der EU. Dagegen müssen für den Autor | |
vor allem Europas Konservative etwas tun: Ozsváth fordert, dass die | |
Europäischen Volkspartei ihren Schmusekurs gegenüber Orbán beendet und | |
Fidesz in die Schranken weist. | |
14 Jan 2018 | |
## AUTOREN | |
Rüdiger Rossig | |
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