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# taz.de -- Kolumne Die eine Frage: Der Macron-Spirit
> Die FDP wäre eine Super-Oppositionspartei, Christian Lindner könnten wir
> weiter blöd finden. Aber ist es nicht ein Segen, dass er regieren muss?
Bild: Nah dran an der Macht: FDP-Mann Christian Lindner während der Jamaika-So…
„Was für ein Blödmann“, sagte die super Frau auf dem Sofa neben mir, als
sie Christian Lindner in einer Talkshow sah. Selbstverständlich schütze ich
ihre Anonymität, aber man kann verraten, dass der FDP-Chef noch gar nichts
gesagt hatte. War nicht nötig. Es brach „natürlich“ aus ihr heraus und
bedurfte damit keiner weiteren Begründung.
Nun kann man aus der medialen Rezeption und aus der Sondierungsrunde heraus
schon den Eindruck vermittelt bekommen, dass es inhaltliche Begründungen
gibt für das sozialökologische Milieu, um Lindner blöd zu finden, speziell
seine Ideen zur Steigerung der Erderhitzung. Nur betreiben die anderen
faktisch diese Politik auch – oder sehen ohnmächtig zu. Mit Twitter kriegst
du das definitiv nicht geändert. Angesichts der Mehrheitsverhältnisse nur
mit Lindner.
Denken wir also groß, was soll’s, und fragen, wozu wir im Leben miteinander
sprechen. Das ist das Band, das uns verknüpft. Wir sprechen miteinander, um
uns als etwas Gemeinsames zu erleben.
In Teilen der Gesellschaft, die die Regierungssondierungen verfolgen, ist
die Kultur völlig anders. Man spricht zum anderen, um sich darin bestätigt
zu sehen, dass man sich nichts zu sagen hat. „Die Gräben ausleuchten“, wie
Winfried Kretschmann das nennt. Und dann sagen: „Wusste ich’s doch, dass
das Arschlöcher sind.“ Das ist die Kultur der alten Kernmilieus, die hinter
den Verhandlern stehen, und zu der die Politiker sich verhalten.
Das muss man jetzt eben überwinden. Zunächst in der politisierten
Mediengesellschaft, damit die Parteivertreter den Druck spüren, etwas
hinzukriegen, und nicht die Angst, dafür ausgeschimpft zu werden. Es
braucht ein anderes Sprechen, durchaus kontrovers, aber auf der Grundlage,
dass es um das Gemeinsame geht. Um uns.
Das haben Kretschmann und CDU-Strobl in Stuttgart, Kubicki und Habeck in
Kiel riskiert und ordentlich hinbekommen, also scheint das nicht
menschenunmöglich zu sein. Das versuchen inzwischen grüne Sondierer, und da
sind sie ausnahmsweise wirklich state of the art.
Jetzt hat die FDP allerdings ein echtes Problem. Lindner hat sie neu
aufgebaut als liberale Alternative zu den aus seiner Sicht allesamt
sozialdemokratischen Mitbewerbern. Er hat trotz AfD der nationalliberalen
Versuchung widerstanden. Er hat die Mehrheitsvorbehalte gegen neue
sozialökologische und europäische Wirtschaftspolitik mit antigrünem Spin
bedient und davon profitiert.
## German Mut, Europa gut
Die Union ist geschwächt, die SPD siecht, die Grünen müssten jenseits von
Jamaika an ein Beatmungsgerät. Die FDP wäre die absolute
Super-Oppositionspartei.
Lindner könnte die Kommunikation weiter mikroskopisch steuern, die
Andersartigkeit der FDP behaupten, Ressentiments bedienen, die Ansprüche
der digitalen, jungen Gesellschaft rhetorisch vertreten und in aller Ruhe
weiterwachsen. Aber nun ist es halt anders, so ist das Leben.
Was bisher über die FDP rübergekommen ist: Oh, Gott, keine Kohlekraftwerke
mehr. Oh Gott, keine Dieselautos mehr. Das klingt wie das üblich
verängstigte Klammern an das Überkommene, das es wirklich im
sozialdemokratischen Überangebot gibt.
Wenn ich Lindner richtig verstehe, geht es jetzt darum, dass die Zukunft
nicht verweigert oder als soziale, ökologische oder wirtschaftliche
Katastrophe beschrien wird. Sondern angegangen. German Mut, Europa gut.
Der Macron-Spirit als neue Kultur und Dach einer experimentellen Mehrheit,
die sich aufeinander einlässt, um es hinzukriegen: Diesen Spirit
gesellschaftlich zu implantieren ist das größte und nobelste Versprechen
von Christian Lindner. It’s now or never.
12 Nov 2017
## AUTOREN
Peter Unfried
## TAGS
FDP
Christian Lindner
Sondierung
Schwerpunkt Bundestagswahl 2025
Kolumne Die eine Frage
FDP
Lesestück Meinung und Analyse
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