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# taz.de -- Jemen droht Hungerkatastrophe: Ein ganzes Land als Geisel genommen
> Saudi-Arabien hat gegen den Jemen eine Blockade verhängt. Flughafen,
> Grenzen und Häfen sind dicht. Und das hat fatale Folgen.
Bild: 5. November: In Sanaa schlug eine Rakete der saudi-arabischen Luftwaffe e…
Kairo taz | Im Jemen, im Südwesten der arabischen Halbinsel gelegen, wird
die humanitäre Lage seit Beginn dieser Woche immer prekärer. Und das will
etwas heißen in einem Land, in dem seit 2015 ein Bürgerkrieg herrscht, das
von einer saudisch geführten Koalition bombardiert wird und wo sieben
Millionen Menschen von Hunger und Cholera bedroht sind. Wiederholt haben
Hilfsorganisationen dramatische Aufrufe erlassen.
Doch nun ist das ganze Land vollkommen von der Außenwelt abgeriegelt. Alle
Zugänge zu Häfen, Flughäfen und der Landweg sind dicht. Zwar gab es vorher
schon Blockaden, aber nicht in diesem Ausmaß. Sie betrafen etwa die Stadt
Aden oder einen Hafen, sodass noch Hilfe ins Land kommen konnte.
Verhängt hat jetzige Blockade das Nachbarland Saudi-Arabien. Der Anlass: Am
Wochenende wurde von jemenitischem Gebiet aus eine ballistische Rakete auf
den Flughafen der saudischen Hauptstadt Riad abgeschossen. Sie wurde zwar
abgefangen, aber Saudi-Arabien warf dem Iran vor, die Waffe an die
Huthi-Rebellen geliefert zu haben. Im Gegenzug verkündeten sie eine
vollständige See-, Land- und Luftblockade
Dieser Schritt führte zu einem Aufschrei bei internationalen
Hilfsorganisationen und der Uno. Wohl am dramatischsten beschrieb am
Mittwochabend der UN-Koordinator für humanitäre Angelegenheiten und
Nothilfe die Konsequenz dieser Blockade. „Es wird eine Hungerkatastrophe
geben, wenn nichts geschieht“, sagte Mark Lowcock voraus und warnte: „Das
wird nicht so sein, wie die Hungersnot im Südsudan Anfang des Jahres, die
Zehntausende Menschen getroffen hat. Es wird auch nicht so sein, wie die
Hungerkatastrophe 2011 in Somalia, die 250.000 Menschen das Leben gekostet
hat. Es wird die größte Hungersnot der Welt seit vielen Jahrzehnten mit
Millionen von Opfern.“
## 80 und 90 Prozent der Nahrungsmittelimporte
Auch Lowcocks Sprecher Jens Laerke wartet mit Superlativen einer
angekündigten humanitärer Katastrophe auf. „Zwischen 80 und 90 Prozent der
Nahrungsmittelimporte kamen vor dieser neuen Krise über die Häfen und
Flughäfen an“, erklärt er. „Wenn diese Kanäle und diese Lebensadern nicht
offen gehalten werden, wird das katastrophale Folgen für die Menschen
haben. Und das in einer Situation, die wir schon jetzt als die gegenwärtig
weltweit schlimmste humanitäre Krise bezeichnen.“
Die Uno fordert eine sofortige Wiederaufnahme der humanitären Luftbrücke
nach Sanaa und Aden. Und eine Wiederaufnahme des humanitären und
kommerziellen Schiffsverkehrs in allen Häfen, für Nahrungsmittel,
Treibstoff, Medizin und andere notwendige Güter.
Auch Iolanda Jaquement, die Sprecherin des Internationalen Roten Kreuzes,
schildert die Situation im Jemen am Telefon sehr anschaulich: „Der Jemen
war schon zuvor ein Patient, der am Tropf hängt und der nur mit Mühe und
Not überlebt. Mit diesen neuen Entwicklungen wurde der Tropf fast ganz
abgedreht“, schildert sie. „Im Moment geht nichts aus den Jemen raus und
rein.“
Das gilt auch für die Lieferungen des Internationalen Roten Kreuzes in den
Jemen. „Was uns angeht, seit Montag steckt ein Lkw voll mit Chlortabletten
an der Grenze im Norden fest. Die Chlortabletten brauchen wir dringend für
die Bekämpfung der Cholera“, erläutert Jaquement und fügt hinzu: „Wir si…
auch besorgt über eine Lieferung von 50.000 Dosen mit Insulin, die in den
Hafen von Aden geliefert werden sollten. Es gibt kaum Insulin im Land. Das
Insulin muss kühl gehalten werden und daher darf die Lieferung auch nicht
im Hafen blockiert werden.“
## Das Völkerrecht gilt lange nicht mehr
Nicht nur Nahrungsmittel und Medikamente seien knapp im Jemen, erklärte
sie. Auch Treibstoff sei Mangelware, berichten dortige IRK-Mitarbeiter „Der
Preis für Benzin hat sich über Nacht verdoppelt“, sagt Jaquement.
Mit der Blockade nimmt Saudi-Arabien die Zivilbevölkerung im Jemen
praktisch als Geisel, als Antwort auf die abgefeuerte Rakete. Die
Sprecherin des Roten Kreuzes hat dafür relativ deutliche Worte. „Die
politischen und militärischen Probleme dürfen nicht auf Kosten der
Zivilbevölkerung ausgetragen werden“, fordert sie. Der freie Zugang
humanitärer Lieferungen müsse gewährleistet sein, das „verlangt auch das
Völkerrecht“. Doch das scheint im Jemenkrieg schon lange nicht mehr zu
gelten.
9 Nov 2017
## AUTOREN
Karim El-Gawhary
## TAGS
Jemen
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