| # taz.de -- Debatte Sexismus: Flirtfreiheit des Mannes | |
| > In der Debatte über Sexismus zeigt sich die Verwirrung über die Grenze | |
| > zur sexuellen Belästigung. Wo hört ein Kompliment auf? Ein paar | |
| > Lösungsvorschläge. | |
| Bild: Nur weil sie da sitzt und einen trinkt, heißt das nicht, dass sie angeba… | |
| Wie kann ich noch Menschen anflirten, kennenlernen, oder eine*n Partner*in | |
| finden, wenn Komplimente als Sexismus betrachtet werden? Wie komme ich | |
| überhaupt in Kontakt mit anderen Menschen, ohne dass sie sich sexuell | |
| belästigt fühlen? In der aktuellen Debatte über [1][#MeToo], über | |
| sexualisierte Gewalt und Sexismus, zeigt sich die Verwirrung um die Grenze | |
| zu sexueller Belästigung. Dabei steht der Kampf gegen den Sexismus dem | |
| Flirten nicht im Weg. Wir zeigen Lösungen für einige der drängendsten | |
| Problemfelder. | |
| Ihr wollt ein romantisches Verhältnis mit jemandem anfangen, seid aber | |
| verzweifelt: Wo und wie? Eigentlich gibt es eine große Auswahl an Orten, um | |
| in Kontakt mit anderen Menschen zu kommen: Fitnessstudio, Arbeitsumfeld, | |
| politisches Engagement – überall, wo sich Menschen befinden, können sich | |
| romantische Verhältnisse entwickeln – nicht nur in Clubs und Bars. Denn: | |
| Nur weil eine Frau allein in einer Bar sitzt oder in einem Club tanzt, ist | |
| sie nicht unbedingt offen für Angebote. | |
| Dasselbe gilt auch für andere Geschlechter: Menschen wollen und müssen | |
| nicht ständig und überall daran erinnert werden, ein Geschlecht zu haben, | |
| ein sexuelles Wesen zu sein. Die Angesprochenen haben das Recht, so zu | |
| reagieren, wie sie möchten. Sie haben das Recht, von dem Flirtversuch zu | |
| halten, was sie halten möchten. Da bleibt euch eins: in Ruhe lassen. | |
| Frauen* kennen es gut: Wenn sie mit Männern* in einem Club sind und diese | |
| mal kurz verschwinden, findet ein Tanzwettbewerb um sie herum statt. Die | |
| Begleitung merkt das nicht mal: Sobald sie wieder zurück sind, verschwinden | |
| diese Antänzer. Dasselbe gilt auch auf der Straße: Unterwegs mit einem | |
| Mann*, wird die Frau* nicht blöd angemacht. Sobald sie allein ist, schon. | |
| Natürlich können auch in Clubs romantische Beziehungen beginnen. Hier ist | |
| es ganz wichtig festzustellen, ob die Person, die angetanzt oder | |
| angesprochen wird, ein deutliches Interesse zeigt. Das lässt sich ganz | |
| leicht feststellen: Ignoriert dich die Person, vermeidet Augen- und | |
| Körperkontakt, dann hat sie keine Lust. Was macht man dann? Man lässt die | |
| Person in Ruhe. Alles, was darüber hinaus passiert, ist sexuelle | |
| Belästigung. | |
| ## Nein heißt nein | |
| Heißt nein wirklich immer nein? Ja. Das Bild, das wir von romantischen | |
| Fiktionen vermittelt bekommen, in denen der Mann nach dem Nein der Frau | |
| hartnäckig bleibt, bis er sie endlich überzeugt – das müssen wir verlernen. | |
| Es ist wichtig, die sexuelle Belästigung nicht nur aus der Perspektive zu | |
| betrachten, was sich der Mann erlauben darf und wie weit er geht. Die | |
| „Flirtfreiheit des Mannes“ ist hier nicht der einzige Gesichtspunkt. | |
| Wichtiger sind die Grenzen der Person, der das Angebot gemacht wird. | |
| Wiederholung: An einem normalen Tag können insbesondere Frauen* von | |
| mehreren Menschen blöd angemacht werden. Wenn sie Nein sagen, dann meinen | |
| sie es auch so. Und wenn sie jede*n einzelne*n mehrmals Nein sagen müssen, | |
| wird aus dem Flirtversuch Unterdrückung. | |
| Noch ein Hinweis: Anbaggern ist kein Kompliment. Punkt. | |
| Die Geschlechtsorgane an wildfremden Menschen zu reiben oder sie zu | |
| begrabschen ist ausnahmslos immer sexuelle Belästigung und kein Kompliment. | |
| Wenn wir uns hier einig sind, können wir weitermachen: Wenn jemand nicht | |
| angebaggert werden möchte, dann möchte er es einfach nicht. Da ist keine | |
| Diskussion notwendig, weil das keine Debatte ist. Ein Eingriff in die | |
| persönlichen Grenzen ist psychologische Gewalt. Jemandem dann auch noch zu | |
| sagen, er habe das Ganze als Kompliment zu verstehen, ist schlichter | |
| Faschismus: „Sei doch froh, dass ich überhaupt Interesse an dir habe“ | |
| heißt: „Lass dir alles gefallen, was ich mit dir anstellen möchte.“ | |
| Außerdem – wann habt ihr denn das letzte Mal jemandem ein Kompliment | |
| gemacht? Gehört das überhaupt zum Alltag in Deutschland? | |
| Heterosexuelle Männer, die Datingapps nutzen, erzählen häufig, dass die | |
| Interaktion in der Regel nur auf die Initiative des Mannes hin erfolgt. Ein | |
| Grund dafür ist möglicherweise, dass es Frauen* schon früh beigebracht | |
| wird, so wenig offensiv zu sein wie möglich. So schwierig zu haben zu sein, | |
| wie es geht – das soll ihren Wert bestimmen. | |
| Dabei verstärkt das nur die Vergewaltigungskultur: Ein nicht ernst | |
| genommenes Nein kann schwere Folgen haben. Da hilft es allen Geschlechtern | |
| zu versuchen, über die patriarchalen Strukturen hinauszuwachsen. | |
| Man kann es Menschen schon ansehen, wenn sie Lust haben, in Kontakt zu | |
| treten. Wenn man es sehen und wahrhaben will, ist es überhaupt nicht | |
| schwierig. Wenn einem aber nur die eigenen Bedürfnisse wichtig sind und die | |
| von dem Gegenüber egal, dann sollte man auch nicht rumheulen, wenn man die | |
| Sache beim richtigen Namen nennt – nämlich sexuelle Belästigung. | |
| 25 Oct 2017 | |
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| ## AUTOREN | |
| Sibel Schick | |
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