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# taz.de -- Die Woche: Wie geht es uns, Herr Küppersbusch?
> Eine reumütige Bertelsmann-Stiftung, Publicitiy-Spaß bei der AfD und
> türkische Knopfdruck-Justiz: Gerhard Schröder raucht Kritik derweil auf
> Lunge.
Bild: Potentatenschmeichler allererster Güte: Gerhard Schröder
taz: Herr Küppersbusch, was war schlecht in der vergangenen Woche?
Friedrich Küppersbusch: [1][Jamaika, Neinmaika, Vielleichtmaika].
Und was wird besser in dieser?
Vorbeugend drauf einigen, dass die SPD schuld ist.
Die aktuelle Studie der Bertelsmann-Stiftung zeigt: Kinderarmut wächst
stetig weiter, während die Folgen nur sporadisch erforscht werden. Können
solche Studien etwas daran ändern?
Wenn Bertelsmann-Studien keinen gehörigen Wumms in die Politik hätten, gäbe
es Hartz nicht. Sagt Hartz. „Im Beratungsprozess waren Heerscharen von
Lobbyisten zugange“, erinnert sich Peter Hartz in einem Interview. Und 2010
schrieb er den Erfolg der Reformen „auch der Zuarbeit der
Bertelsmann-Stiftung“ zu. Das tut der auch echt leid, und so publizierte
sie schon letztes Jahr eine Studie unter dem richtungsweisenden Titel
„Armut nicht nur eine Frage von Hartz IV“. Erwischt. 2010 erklärte das
Verfassungsgericht die Hartz-Sätze für Kinder und Jugendliche für
verfassungswidrig, es gebe ein „Grundrecht auf ein menschenwürdiges
Existenzminimum“. Kurz: Wenn die Bertelsmann-Stiftung heute Kinderarmut
beklagt, redet sie auch über die Früchte ihrer Arbeit. Nehmen wir die neue
Studie als tätige Reue. Lesen wir die Forderungen der Stiftung im Lichte
dieser Erfahrung: Es sollte „eine neue finanzielle Leistung geschaffen
werden, die bisherige familienpolitische Leistungen bündelt und vor allem
armen Kindern unbürokratisch hilft“, schreibt Stiftungschef Dräger. Man las
schon schlankere Worte für den Vorschlag, den Reichen das Kindergeld zu
nehmen und es doppelt den Armen zu geben. Wenn’s eng wird, vertrauen auch
marktliberale Stiftungen vollrohr dem Sozialstaat.
Mit 114 Stimmen fiel der Kandidat der AfD-Fraktion für das Amt des
Vizepräsidenten des Bundestags auch im dritten Wahlgang durch. [2][Das sind
mehr Stimmen, als die Partei Abgeordnete hat. Sollte uns das zu denken
geben?]
Linkspartei-Chef Lothar Bisky wurde 2005 selbst mit 282 Stimmen nicht Vize,
ein halbes Jahr später gab die Partei nach und nominierte Petra Pau, die
bis heute mitpräsidiert. Das war zunächst mal selbstherrliche Willkür der
anderen Parteien gegenüber dem demokratischen Sozialisten Bisky. Und nun
ist es die Folie für großen Publicity-Spaß bei der AfD. Bleibt Glaser
draußen, gibt’s tüchtig Opferrolle an brauner Tunke. Gibt das Parlament
nach, singt es hinfort zum Auftakt jeder AfD-präsidierten Sitzung: „Der
Glaser schmeißt die Scheiben ein und ruft: Da müssen neue rein“. Denn
dessen Forderung, Grundrechte wie Religionsfreiheit nach parteilichem
Ermessen zu verteilen, ist verfassungswidrig. Als Lehre aus der
Bisky-Peinlichkeit wurde damals geregelt, dass die AfD nun den Ältestenrat
um einen weiteren Wahlgang bitten müsste – oder einen anderen Kandidaten
präsentierte. Die 22 Treulosen, die Glaser mitwählten, wollten offenkundig
genau dieses tote Spiel.
[3][Wolfgang Schäuble rät zu „kühler Distanz“ im Umgang mit der AfD.] Ist
das der richtige Ansatz?
Richtig, doch nicht Schäubles. Der „Preuße aus Südbaden“ (Süddeutsche
Zeitung) beherrscht alle Regularien, doch nicht immer beherrschen sie ihn.
1994 machte er die Grüne Vollmer zur Vizepräsidentin – parlamentarisch
korrekt, doch mindestens ebenso ein Ätzgruß an die SPD. Dem erfahrensten
aller Parlamentarier ist zuzutrauen, dass er die AfD korrekter behandelt,
als ihr recht ist. Unter Schäubles kühler Distanz kann es heiß hergehen.
Der Menschenrechtsaktivist Peter Steudtner ist nach drei Monaten Haft
endlich frei. Daran soll auch Altkanzler Gerhard Schröder nicht
unwesentlich beteiligt sein. Spricht das jetzt für oder gegen den
türkischen Rechtsstaat?
„Diese Behauptung hat überhaupt nichts mit der Realität zu tun“, sagt
Justizminister Gül, ein Experte, dessen Titel ebenfalls überhaupt nichts
mit der Realität zu tun hat. Sonst wären alle anderen ja auch frei. Die
Behauptung nämlich, der Buddygipfel Schröder – Erdoğan habe die türkische
als Knopfdruck-Justiz geoutet. Schröder kann sich zurücklehnen und das
Pressegenörgel entspannt auf Lunge rauchen; er wird gebashed, wenn er bei
Potentaten nichts bewirkt und er wird gebashed, wenn er was bewirkt. Möge
es Eitelkeit Erdoğans gewesen sein, die Steudtner in Freiheit brachte.
Schröder kann es sich erlauben, dieser Eitelkeit zu schmeicheln. Merkel
nicht, auch wenn genau dies die gestische Aussage des Aktes zu sein
scheint: Soll sie doch betteln kommen, die ungläubige Trulla. Das tut
Merkel nicht, gut so.
Und was machen die Borussen?
Sturm in ganz Deutschland. Nur Dortmund hat nicht mal ne Verteidigung.
Fragen: maro
29 Oct 2017
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## AUTOREN
Friedrich Küppersbusch
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