# taz.de -- 3Sat-Doku „Krieg und Spiele“: Bitte neutralisieren | |
> Menschen schicken Drohnen in den Krieg. Ist das besser als mit Bomben | |
> anzugreifen? Oder verliert der Soldat seine Ehre? Und was ist mit der | |
> Moral? | |
Bild: Mal gucken, was der Nachbar so treibt | |
Der Film fängt ganz harmlos an. Also relativ harmlos. Im Vorgarten von | |
Herrn Oepke, der 1982 („damals noch in der DDR“) den deutschen Höhenrekord | |
für Modellkunstflug aufgestellt hat. Heute navigiert er eine Kamera-Drohne | |
und ist auf seiner Jagd nach nackigen Nachbarn bislang erfolglos geblieben. | |
Gegen solche Menschen respektive Drohnen helfen Luftgewehre – Polizei und | |
Flughafenbetreiber experimentieren derzeit mit (auf die Drohnen) | |
abgerichteten Falken. Die sind hoffentlich einsatzbereit bevor Amazon sich | |
tatsächlich anstellt, seine Pläne von der schönen, neuen Zustellwelt mit | |
Paket-Drohnen in die Tat umzusetzen. | |
Karin Jurschick ist aber nicht nach „harmlos“. Also reist die Autorin von | |
„Krieg und Spiele“ in die beiden Länder, die in der Entwicklung von | |
sogenannten „unbemannten Systemen“ führend sind. Sie trifft und spricht | |
viele Menschen – Menschen, die mit Drohnen getötet haben; Menschen, deren | |
Familienangehörige mit Drohnen getötet wurden. Drohnenentwickler, die in | |
Israel „Drei Musketiere“ heißen und genau wie ihre amerikanischen Kollegen | |
betonen, dass ihre Drohnen „eine Menge Menschen gerettet“ hätten. Warum nur | |
tragen die Drohnen dann Namen wie „Predator“ und „Reaper“, will Jurschi… | |
wissen? „Die Namen sind nicht als Hinweis auf die Einsatzbereiche gedacht.“ | |
Ach so. Ach so? | |
Der Hinweis auf die geretteten Menschen ist trotzdem interessant. Der | |
israelische Moralphilosoph Daniel Statman rechtfertigt den Drohnenkrieg | |
damit, dass das „Targeted killing“ gegenüber der konventionellen | |
Kriegsführung das verhältnismäßigere Mittel sei. Waren die deutschen V1- | |
und V2-Raketen im Zweiten Weltkrieg noch reine Terrorwaffen, exekutieren | |
die Drohnen heute mit quasi-chirurgischer Präzision. „Die Drohne ist eine | |
postheroische Waffe“, sagt der Politikwissenschaftler Herfried Münkler. Die | |
Drohnen-Piloten riskieren ihr Leben ebenso wenig wie die Gamer des | |
Videospiels „Call of Duty“. | |
„Mörder. Attentäter. Sie sind keine Soldaten mehr. Sie riskieren nicht ihr | |
Leben für den Staat. Sie setzen ihr Leben nicht für die Sache des Staates | |
aufs Spiel.“ Der pensionierte Soldat alter Schule Lawrence Wilkerson hat | |
für die Joystick-Vollstrecker von heute nur Verachtung übrig: „Das sind | |
Techniker. Diese Typen gibt es schon. Sie sind in der Luftwaffe. Und sie | |
machen mir Angst. Sie haben keine ethischen Grundsätze. Keine Moral. Sie | |
sind amoralisch. Apolitisch. Ihnen geht es nur um die Technik. Silicon | |
Valley in Kalifornien hat tausende von solchen Typen hervorgebracht. Sie | |
machen mir Angst.“ | |
Lawrence Wilkerson war nicht irgendein Soldat – er war der Stabschef von | |
Colin Powell, dem Soldaten im Amt des US-Außenministers. Was den Soldaten | |
vom Mörder/Techniker unterscheidet, ist die Bereitschaft des Soldaten, sein | |
Leben zu riskieren? Eine steile These, die so auch in dem Spielfilm „Good | |
Kill“ vertreten wird. Da verzweifelt Ethan Hawke, der im Unterschied zu | |
seinen Drohnenkrieger-Kollegen in Las Vegas früher noch echte | |
Kampfflugzeuge geflogen ist, an dem tagtäglichen konsequenzlosen Töten. Er | |
trinkt, die Ehe geht kaputt. Am Ende bleibt ihm nur, den Dienst zu | |
quittieren. | |
Wasser auf die Mühlen solcher Soldaten-Nostalgie sind natürlich die Bilder | |
der von ihren Kills berauschten „Call of Duty“-Nerds auf einer Games | |
Convention. Der „Call of Duty“-Erfinder Dave Anthony sagt im Gespräch mit | |
Karin Jurschick ziemlich oft „scary“. Und Ronald Arkin vom Georgia | |
Institute of Technology meint über die Soldatenehre: „Meine deprimierendste | |
Arbeit überhaupt war die Untersuchung menschlichen Verhaltens auf dem | |
Schlachtfeld.“ Der Robotiker hält also Roboter für die besseren Soldaten, | |
deren rationales Verhalten „nicht durch Todesangst, Wut oder Frustration | |
bestimmt wird.“ Aber, prognostiziert „Sie wissen alles“-Autorin Yvonne | |
Hofstetter – Karin Jurschicks Film endet, wo er angefangen hat, in der | |
deutschen Provinz –, „dann kann eben genau das passieren: dass Maschinen | |
sich unter Umständen sagen, Moment mal, diese Erde könnte so friedlich | |
sein. Die einzigen Störenfriede sind die Menschen. Bitte neutralisieren.“ | |
Ob die Falken uns dann noch werden helfen können? Scary. | |
16 Oct 2017 | |
## AUTOREN | |
Jens Müller | |
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