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# taz.de -- Prozesse nach dem G20-Gipfel: „Missbrauchsgebühr“ für Anwält…
> Waren auf einem Video Steinwürfe von Demonstranten zu erkennen? Eine
> Strafverteidigerin verneinte das und muss nun 600 Euro bezahlen.
Bild: Flaschen flogen einige rund um den G20-Gipfel in der Hansestadt. In diese…
FREIBURG taz | Das Bundesverfassungsgericht hat der linken Hamburger
Anwältin Gabriele Heinecke eine „Missbrauchsgebühr“ in Höhe von 600 Euro
auferlegt. Sie habe in einem Verfahren zum G20-Gipfel „unrichtige“ Angaben
zum Inhalt eines Polizei-Videos gemacht.
Konkret ging es um den Polizeieinsatz in der Straße am Rondenbarg am 7.
Juli 2017. Bei einer Demonstration der G20-Gegner wurden damals 73
Kundgebungs-Teilnehmer festgenommen. Es war die größte Festnahme-Aktion
während des Hamburger Gipfels. Der Polizeieinsatz gegen die Demonstration
wurde von Polizeiseite mit folgender Schilderung begründet: „Als sich die
Menschenmasse circa 50 Meter vor uns befand, wurden wir aus ihr massiv und
gezielt mit Flaschen, Böllern und Bengalos beworfen.“
Anwältin Heinecke vertrat einen der Festgenommenen und beantragte desen
Freilassung aus der Untersuchungshaft. Da sie bei der Hamburger Justiz
erfolglos blieb, wandte sie sich mit einer Verfassungsbeschwerde an das
Bundesverfassungsgericht. Sie berief sich auf ein Polizeivideo, „das zeigt,
dass von wenigen Personen im Demonstrationszug Bengalos und zwei Böller,
aber keine Steine und Flaschen geworfen worden sind“. Sie beschwerte sich,
dass die Staatsanwaltschaft dieses Beweismittel „nicht zeitnah vorgelegt“
habe, was „bei den Gerichten zu immer tolleren Phantasien darüber geführt“
habe, was ihr Mandant gemacht haben könnte.
Das Bundesverfassungsgericht lehnte am 23. August die Verfassungsbeschwerde
ab, weil Heinecke das Video, auf das sich ihre Argumentation stützte, nicht
vorgelegt hatte. Damit sei ihr Vorbringen „unsubstantiiert“. Den Karlsruher
Richtern lag zu diesem Zeitpunkt das Video nicht vor.
Erst anschließend sei das Video den Richtern „bekannt geworden“, heißt es
in einem Beschluss vom 27. September, den das Bundesverfassungsgericht an
diesem Donnerstag veröffentlichte. Das Video lasse „deutlich erkennen, dass
aus der schwarz gekleideten Menschenmenge auch mehrere Steine in Richtung
der eingesetzten Polizeibeamten geworfen worden sind und keineswegs nur,
wie die Verfassungsbeschwerde behauptet hat, ‚Bengalos und zwei Böller‘“.
Damit habe sich die Verfassungsbeschwerde „in einem wesentlichen Aspekt als
unrichtig erwiesen“.
## Richterliche Erziehung
Die Richter behaupten nicht, dass Heinecke sie bewusst angelogen hätte.
Eine absichtliche Täuschung sei für die Verhängung einer Missbrauchsgebühr
aber auch nicht erforderlich. Letztlich gehe es nicht um Strafe, sondern um
Erziehung. Die Missbrauchsgebühr sei angemessen, um die Anwältin
„nachdrücklich zur sorgfältigen Prüfung der Richtigkeit ihres
Beschwerdevortrags anzuhalten“. Letztlich diene die Missbrauchsgebühr dem
Schutz der Bürger: „Das Bundesverfassungsgericht muss es nicht hinnehmen,
an der Erfüllung seiner Aufgaben durch erkennbar substanzlose
Verfassungsbeschwerden gehindert zu werden, mit der Folge, dass anderen
Bürgern der ihnen zukommende Grundrechtsschutz nur verzögert gewährt werden
kann“, heißt es in dem Beschluss.
Das fragliche Polizeivideo ist auf der Webseite des TV-Magazins Panorama
einsehbar (http://bit.ly/2g5AQ1t). Entscheidend ist die erste Minute des
insgesamt 12-minütigen Videos. Heinecke war mit ihrer Interpretation des
Videos nicht allein. Auch die Süddeutsche Zeitung hatte nach Betrachtung
des Aufnahmen [1][geschrieben]: „Was man in dem Video nicht sieht: ein
einziger Steinwurf. Oder eine einzige Flasche. Unmittelbar angegriffen
wurde – zumindest vor dem Sturm der Polizei – kein Beamter. Man würde es
sehen.“
Verfassungsrichter aber sehen mehr. Zwei der drei beteiligten Richter
(Andreas Voßkuhle und Ulrich Maidowski) sind sogar Brillenträger.
Az.: 2 BvR 1691/17
12 Oct 2017
## LINKS
[1] http://www.sueddeutsche.de/politik/g-gipfel-drei-bengalos-reichten-fuer-die…
## AUTOREN
Christian Rath
## TAGS
Schwerpunkt G20 in Hamburg
Polizei
Bundesverfassungsgericht
Beschwerde
Schwerpunkt G20 in Hamburg
Abschiebung
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