# taz.de -- Wohnungsnot in Berlin: Freiraum für Studis gesucht | |
> Früher war die Miete in Berlin billig. Auch arme Studierende konnten sich | |
> die Preise leisten. Das ist jetzt nicht mehr so. Es droht eine soziale | |
> Spaltung. | |
Bild: Wohnungsgesuche am Schwarzen Brett in der TU-Berlin | |
Vor einigen Jahren brauchte es vor allem einen sehr guten Abi-Schnitt, wenn | |
man in Berlin studieren wollte – der Numerus clausus für die meisten Fächer | |
war schon damals sehr streng. Inzwischen muss man nicht nur strebsam sein, | |
sondern auch einigermaßen reich – denn in Berlin zu wohnen ist ganz schön | |
teuer geworden, auch für Studierende. Zugegeben, das iset eine zugespitzte | |
These, bei der die studierende Praktikantin in unserer Redaktion auch | |
sogleich die Stirn runzelte und den Einwand erhob: Die Kreuzberger und | |
Neuköllner WGs, die nicht von Kindern reicher Eltern bewohnt werden, die | |
gebe es schon auch noch zur Genüge. | |
Und doch. Mit den seit Jahren steigenden Mietpreisen in dieser Stadt | |
bewohnen zunehmend andere Menschen die Innenstadt als noch vor zehn Jahren. | |
Sie haben bessere Jobs, sie haben mehr Geld. Das gilt auch für Studierende. | |
Denn natürlich ist Berlin auch im Jahr 2017 noch nicht das in diesem | |
Zusammenhang viel zitierte London, und eine WG in Kreuzberg ist immer noch | |
möglich – wenn auch die durchschnittliche Monatsmiete für ein WG-Zimmer | |
alleine in den letzten vier Jahren Marktbeobachtern zufolge um | |
durchschnittlich 65 Euro auf inzwischen 400 Euro gestiegen ist. | |
Für 400 Euro Zimmermiete wäre man vor zehn Jahren jedenfalls skeptisch | |
angesehen worden auf einer Kreuzberger WG-Party. In Neukölln wäre man für | |
bekloppt erklärt worden, so viel zu bezahlen. | |
Geld spielte vor einigen Jahre eine sehr kleine Rolle, wenn man jung war | |
und nach Berlin wollte. Man musste auch nicht mal besonders fleißig sein – | |
den Lohn vom Nebenjob im Café investierte man eher am Wochenende in die | |
Clubs als in die 200-Euro-Miete im Friedrichshainer Altbau. Jetzt spielt | |
Geld eine weitaus größere Rolle. Und hat man es nicht, muss man effizienter | |
sein als die Studierendengenerationen zuvor. Man kann im Zweifel nicht mehr | |
gemütlich ein paar Semester länger vor sich hin studieren wie früher, und | |
man muss neben den Vorlesungen härter für seine Innenstadt-WG schuften. | |
Es sind andere Studierende als früher, die heute nach Berlin kommen: Berlin | |
zog auch stets eine eher freigeistige Klientel an, die sich erst einmal | |
treiben ließ und aus der Planlosigkeit heraus, vielleicht, eine gewisse | |
Kreativität entwickelte. Das heißt nicht, dass diese Leute gar nicht mehr | |
kommen – aber sie haben es schwerer, weil Berlin nicht mehr der Freiraum | |
für sie ist, der es mal war. | |
Wird das dazu beitragen, dass sich der Herzschlag dieser Stadt verändert? | |
Wird Berlin irgendwann so schnell, aggressiv und effizient wie das viel und | |
auch hier noch einmal zitierte London? Das mag jeder unterschiedlich | |
wahrnehmen – aber die linken Hausprojekte, die verschwinden, die mit ihren | |
Ateliers an den Stadtrand verdrängten Künstler und die aus den inzwischen | |
wohlsituierten Nachbarschaften in Prenzlauer Berg und in Mitte verdrängten | |
Clubs sind ebenso Puzzleteile dieser Stadtentwicklung der schwindenden | |
Freiräume und schon lange nicht mehr zu übersehen. | |
Soziale Spaltung ist ein harter Begriff. Aber natürlich ist es genau das, | |
womit eine linke Stadtentwicklungspolitik ringt und in Zukunft weiterringen | |
wird angesichts einer offensichtlich wirkungslosen Mietpreisbremse, die | |
auch nicht verhindern kann, dass die Durchschnittsmieten anziehen. | |
Insbesondere Altbaumieten in einfacher Wohnlage – große Teile der | |
klassischen Studierendenbezirke Friedrichshain-Kreuzberg und Neukölln | |
gehören dazu – haben übrigens laut dem aktuellen Mietspiegel seit 2015 um | |
10 Prozent auf auf 6,42 Euro für den durchschnittlichen Quadratmeter | |
zugelegt. | |
## Soziale Spaltung | |
Erst Anfang dieser Woche schlug die Konferenz der Landes-Asten, also der | |
Studierendenvertretungen an den Universitäten, in genau diese Kerbe: | |
soziale Spaltung. In einer Pressemitteilung forderte sie den Senat | |
eindringlich auf, angesichts von mehr als 5.400 Erstsemestern, die noch zu | |
Beginn der Vorlesungen auf einen Wohnheimplatz in den Häusern des | |
Studierendenwerks warteten, „studentische Notunterkünfte“ zur Verfügung zu | |
stellen. Die Bewirtschaftung wolle das Studierendenwerk übernehmen, der | |
Senat und die Universitäten mögen die entsprechenden Liegenschaften aus dem | |
Hut zaubern. | |
Das klang eher nach Zynismus als nach Realpolitik und sollte wohl auch vor | |
allem provozieren. Aber die Botschaft war klar: hier die quasi obdachlosen | |
Studis, dort die „finanziell starken Studierenden“, die sich den | |
Wohnungsmarkt oder „überteuerte private Studierendenwohnheime“ leisten | |
können. | |
Das sympathische an Berlin war immer, dass es auf Geld nicht viel gab. | |
Zumindest war, wer es hatte, nicht groß im Vorteil. Das ist anders | |
geworden. | |
21 Oct 2017 | |
## AUTOREN | |
Anna Klöpper | |
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