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# taz.de -- Türkisch-Unterricht: Eine lokal-nationale Affäre
> Türkische Lehrkräfte erteilen Türkischunterricht an Schulen – vom
> türkischen Generalkonsulat organisiert. Eine Mietforderung des Bezirks
> Mitte sorgt für Streit.
Bild: Welche Spannungen im deutsch-türkischen Verhältnis? Ein Bild aus alten …
„Türkçeme dokunma“ – „Rühr mein Türkisch nicht an“ steht auf den …
die Kinder und Eltern vor dem Rathaus Tiergarten hochhalten, und: „Wir
wollen Türkischunterricht zurück.“ Dem Aufruf zur Kundgebung der Türkischen
Gemeinde zu Berlin waren vor zehn Tagen etwa 40 Menschen gefolgt. Sie
protestieren gegen den Bezirk Mitte. Denn der will neuerdings Miete für den
vom türkischen Generalkonsulat organisierten und von Lehrkräften aus der
Türkei erteilten Türkischunterricht, der an manchen Nachmittagen in den
Räumen staatlicher Schulen stattfindet.
Das türkische Konsulat weist die Mietforderung des Bezirks – 27.400 Euro –
zurück. Sie sei ein Vorwand, sagt Botschaftsrat Cemal Yıldız. „Aus unserer
Sicht reagieren die Behörden auf die politischen Spannungen zwischen
Deutschland und der Türkei.“ Er sieht einen Verstoß gegen die bilateralen
Absprachen einer deutsch-türkischen Expertenkommission, wonach die Türkei
Lehrkräfte und Lehrpläne für den muttersprachlichen Unterricht zur
Verfügung stelle und deutsche Behörden Räume – kostenlos.
Weil es in dem Streit bisher keine Einigung gibt, fällt der
Konsulatsunterricht in Mitte seit Schuljahresbeginn aus. Laut Konsulat sind
davon rund 570 SchülerInnen aus 17 Schulen betroffen.
Insgesamt nehmen laut Senatsbildungsverwaltung rund 2.350 Berliner
SchülerInnen an 106 Grundschulen und zwei Gemeinschaftsschulen das Angebot
wahr. Das türkische Konsulat gibt mit rund 3.800 eine weit höhere Zahl an.
Belgin Tanik ist eine der Mütter, deren Kinder auf den Unterricht
verzichten müssen. „Plötzlich hieß es, der Türkischlehrer kommt nicht
mehr.“ Niemand habe die Eltern über den Grund aufgeklärt. Tanik glaubt ihn
zu kennen: „Unsere Kinder leiden unter den Spannungen zwischen Deutschland
und der Türkei.“
## Miete verlangen – das ist okay
Der Schulstadtrat von Mitte, Carsten Spallek (CDU), bestreitet einen
politischen Hintergrund. Schon seine Vorgängerin Sabine Smentek (SPD) habe
vor zwei Jahren Miete für den Konsulatsunterricht gefordert. Damals seien
die deutsch-türkischen Beziehungen noch nicht so problematisch gewesen.
Wegen Personalwechseln seien Mitarbeiter damals der Sache nicht
nachgegangen. Das tue er jetzt und weist auf eine „Nutzungs- und
Entgeltordnung“ hin. Demnach könne der Bezirk vom Konsulat Miete für die
Raumnutzung verlangen.
Bekir Yılmaz von der Türkischen Gemeinde stellt diese Begründung nicht
zufrieden. Auch er vermutet hinter den Mietforderungen ein politisches
Motiv: „Jeden Tag beschwert man sich über den langen Arm von Ankara.
Deshalb Miete zu verlangen und Berliner Kinder vom Unterricht
abzuschneiden, das geht nicht.“
Der Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg folgte Mitte unterdessen mit einer
eigenen Mietforderung. Schulstadtrat Andy Hehmke (SPD) sagt offen, worum es
dem Bezirk eigentlich geht: „Ich möchte eine Diskussion anregen über
staatliche Angebote für den Türkischunterricht.“ In seinem Bezirk könnten
ab 2018 elf Schulen betroffen sein. Die Linke beantragte im
Bildungsausschuss der Bezirksverordnetenversammlung, „den türkischen
Konsulatsunterricht aufzukündigen“.
Die Bildungsverwaltung stellt sich in der Sache hinter die Bezirke:
Staatssekretär Mark Rackles sagte im September im Bildungsausschuss des
Abgeordnetenhauses, der Senat halte die Mietforderungen der Bezirke „für
vertretbar“. Seit Monaten hinterfrage man das pädagogische Angebot der
Konsulate. Die Lehrpläne des Türkischunterrichts enthielten
„nationalistische und religiöse Inhalte“.
## Lehrpläne geändert – aber nicht genug
Beispiele im Lehrplan sind Unterrichtseinheiten über die Nationalhymne und
nationale und religiöse Feste. In diesem Zusammenhang werden der
Stellenwert des Republikgründers Atatürk und des Propheten Mohammed
abgehandelt. Erste Änderungen, die das Konsulat auf Wunsch der
Schulverwaltung an den Lehrplänen vorgenommen hatte, gingen dem Senat nicht
weit genug. Eine zweite, geänderte Version werde derzeit ausgewertet, sagt
Pressesprecherin Beate Stoffers der taz.
Ohnehin will die rot-rot-grüne Koalition mehrsprachigen Unterricht – nicht
nur für Türkisch – ausbauen. Die Senatsbildungsverwaltung fragt derzeit an
allen Berliner Schulen Sprachangebote und -bedarfe ab. Auch in diesem
Zusammenhang sei der Konsulatsunterricht ein Thema, so Stoffers.
In Berlin bieten laut dem Schulverzeichnis der Senatsbildungsverwaltung
derzeit lediglich zehn staatliche Grund- und Oberschulen Türkisch als
Lehrfach an. Derzeit gebe es 28 Lehrkräfte, die Türkischunterricht erteilen
könnten, sagt Beate Stoffers. Das Konsulat stellt mit insgesamt 54
Lehrkräften ein weitaus höheres Angebot zur Verfügung.
Vergangene Woche haben auch die Kultusminister zum Thema beraten. In den
einzelnen Bundesländern wird der Konsulatsunterricht unterschiedlich
gehandhabt. Manche haben eigene muttersprachliche Angebote, andere
überlassen den Unterricht in der Muttersprache ganz oder nur teilweise den
Konsulaten.
Sollte sich „weiterer Handlungsbedarf“ abzeichnen, werde die
Kultusministerkonferenz (KMK) auch über gemeinsame Schritte mit der
Bundesregierung beraten, sagt KMK-Präsidentin Susanne Eisenmann. „In diesem
Zusammenhang steht dann auch die Frage im Raum, wie zeitgemäß die
EU-Wanderarbeiterrichtlinie von 1977 noch ist.“ Diese Richtlinie ist
bislang die regelnde Grundlage für den Konsulatsunterricht.
16 Oct 2017
## AUTOREN
Hülya Gürler
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