# taz.de -- Türkischer Konsularunterricht: Kontrolle aus der Türkei befürcht… | |
> Hamburg soll künftig staatliche, herkunftssprachliche Kurse anbieten, um | |
> den Konsulatsunterricht zu beschränken. Das entschied der Schulausschuss | |
> der Bürgerschaft einmütig. | |
Bild: In Hamburg unterrichten oft Lehrkräfte Türkisch, die vom Konsulat geste… | |
HAMBURG taz | Soviel Einigkeit herrscht selten: Im Schulausschuss der | |
Hamburger Bürgerschaft wurde vergangene Woche ein parteiübergreifender | |
Antrag ohne Gegenstimmen angenommen, nur die AfD hat sich enthalten. Es | |
geht darum, eine Alternative zum Konsulatsunterricht anzubieten – vor allem | |
zum türkischen. | |
SPD, CDU, FDP, Grüne und Linke befürworten den Ausbau des | |
herkunftssprachlichen Unterrichts, insbesondere in Grundschulen und im | |
Wahlpflichtbereich der Sekundarstufe I. Dass demokratische Parteien über so | |
ein Thema zusammenarbeiten, sei ein „wichtiges Signal“, sagte der | |
SPD-Abgeordnete Kazim Abaci. | |
Auch wenn sich die Anfrage allgemein mit Herkunftssprachen beschäftigt, war | |
der Anlass dieser Diskussion der türkische Konsulatsunterricht. In Hamburg | |
sowie in Schleswig-Holstein, Bremen und in geringem Umfang in Niedersachsen | |
werden türkische Lehrkräfte von türkischen Konsulaten geschickt. Meist | |
findet dies nachmittags an staatliche Schulen statt und mit der | |
finanziellen Unterstützung der Stadt – 2016 lag der Zuschuss der Stadt | |
Hamburg für türkische Konsulatslehrkräfte bei 57.720 Euro für etwa 850 | |
Schüler*innen. Der Unterricht wird aber nicht von der Schulaufsicht | |
kontrolliert. | |
## Schulaufsicht lässt das türkische Konsulat machen | |
Genau diese fehlende Kontrolle beunruhigte FDP und CDU in Hamburg, mit | |
Blick auf den autokratischen Kurs der Türkei. Auch Schleswig-Holsteins | |
Bildunsgministerin Karin Prien (CDU) hat mehr Transparenz beim türkischen | |
Konsulatsunterricht eingefordert, nach einem Treffen Mitte November mit dem | |
türkischen Generalkonsul für Hamburg und Schleswig-Holstein Mehmet Fatih | |
Ak. Für die Akzeptanz dieses außerschulischen Angebots seien Transparenz | |
durch offene Lehrpläne, eine Unterrichtung über die eingesetzten Lehrer und | |
Unterrichts-Hospitationen durch Ministeriumsmitarbeiter*innen erforderlich, | |
hieß es. | |
Die Schulleitung habe keine Aufsicht über den Konsulatsunterricht, weil er | |
kein schulisches Angebot sei, sondern mit einem privaten Freizeitangebot | |
vergleichbar, erklärt der Hamburger Senat in seiner Antwort auf eine kleine | |
Anfrage der FDP. „Insofern hat die Behörde auf den Konsulatsunterricht | |
keineswegs den gleichen Einfluss wie auf den schulischen Unterricht.“ | |
Nur im Fall eines Rechtsverstoßes, könne die Behörde Änderungen für den | |
Konsulatsunterricht erwirken. Allerdings hat die Schulbehörde ein | |
Hospitationsrecht, was sie aber in Hamburg selten benutzt. Im Schuljahr | |
2016/17 hat sie es nur ein einziges Mal im April, nachdem die FDP ihre | |
Anfrage gestellt hatte. | |
Auch andere Länder wie Spanien oder Kroatien machen Gebrauch von der | |
Möglichkeit des Konsulatsunterrichts. Die Grundlage dafür ist eine | |
europäische Richtlinie aus dem Jahr 1977 über die schulische Betreuung der | |
Kinder von Wanderarbeitnehmer*innen. Die Länder sind darin aufgefordert, | |
muttersprachliche Kurse anzubieten, um eine leichte Integration dieser | |
Kinder zu ermöglichen, wenn sie in ihre Herkunftsländer (zurück)kommen. | |
Ohne dabei anzuordnen, in welcher Art und Weise dies geschehen soll. | |
1990 wurde die Verantwortung für den muttersprachlichen | |
Ergänzungsunterricht den Konsulaten der ehemaligen Anwerbeländer, unter | |
anderem der Türkei, übertragen, erklärt der Hamburger Senat. Heute sind | |
mehr als 90 Prozent der Hamburger Schüler*innen, die am türkischen | |
Konsulatsunterricht teilnehmen, Deutsche. | |
## Erlernen der Herkunftssprache notwendig | |
Dass Schüler*innen die Möglichkeit haben, ihre Herkunftssprache zu lernen, | |
sehen die Mitglieder des Schulausschusses als notwendig. „Die | |
Herkunftssprache ist ein wichtiger Baustein für die kulturelle Identität | |
eines Menschen“, sagt Stefanie von Berg (Grüne), Vorsitzende des | |
Ausschusses. Ihr SPD-Kollege Abaci ergänzt: „Das sichere Beherrschen der | |
Mutter- oder Erstsprache in Laut und Schrift ist nicht nur ein Wert an | |
sich, sondern auch beim Erlernen jeder weiteren Sprache hilfreich.“ | |
Der rot-grüne Senat wird nun aufgefordert, von seinem Hospitationsrecht | |
Gebrauch zu machen. Und dass die Politik keine Wirkung auf den | |
Konsulatsunterricht und die Auswahl der Lehrkräfte haben kann, soll mit dem | |
Ausbau des staatlichen Angebots für den herkunftssprachlichen Unterricht | |
umgegangen werden, wie die Linke schon in einem Antrag im Mai vorgeschlagen | |
hatte. | |
Hamburg hat bereits ein Angebot für Türkischunterricht, das 2016/17 1.791 | |
Schüler*innen nutzten. Der Schulausschuss fordert den Senat auf, dieses zu | |
ergänzen, insbesondere in Grundschulen im Wahlpflichtbereich der | |
Sekundarstufe I. Erstmal soll geprüft werden, wie groß die Nachfrage | |
überhaupt ist. Der Senat soll auch prüfen, wie qualifizierte Lehrkräfte | |
gewonnen werden können. Aktuell würden zwischen 50 und 60 Lehrer*innen in | |
Hamburg in der Lage sein, Türkisch zu unterrichten. | |
Das Ziel dieser Empfehlungen ist eine Annäherung Hamburgs an das | |
niedersächsische Modell. Dort gibt es fast keinen Konsulatsunterricht mehr. | |
4.379 Schüler*innen nehmen am Türkischunterricht in Landesverantwortung | |
teil. Es werden zwei bis drei Stunden pro Woche angeboten. Nur noch eine | |
türkische Konsulatslehrkraft ist in Niedersachsen tätig, 51 Lehrkräfte für | |
Türkisch kommen aus dem Landesdienst. | |
28 Nov 2017 | |
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