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# taz.de -- Berlinale-prämierter Spielfilm „Félicité“: Ein Raum des Tros…
> Alain Gomis’ Film „Félicité“ über den Alltagskampf einer Sängerin in
> Kinshasa ist ein Gleiten – zwischen der Bühne, Bars und kaputten
> Kühlschränken.
Bild: Die Nacht gehört dem Gesang: Véronique Tshanda Beya Mputu in der Titelr…
Alain Gomis’ Film „Félicité“ torkelt in sich selbst hinein. Eine abendl…
Barszene in Kinshasa: Merklich angetrunken ruft ein kräftiger Mann seinen
Namen in den Raum: „Tabu Fatu.“ Eine junge Frau sitzt halb abwesend unter
den Trinkenden. Dann steht sie auf, steigt auf die Bühne, taucht unter dem
Bass hindurch und beginnt zu singen. Vom ersten Moment, in dem sie zu sehen
ist, ist Félicité, die junge Frau, das Zentrum des Films. Dieser lebt vom
Kontrast zwischen den kraftvollen Auftritten der Hauptfigur und ihrem
schweigsamen Gleiten durch den Alltag jenseits der Bühne.
Am Morgen nach dem Auftritt treffen Tabu Fatu und Félicité erneut
aufeinander. Ihr Kühlschrank ist eine Dauerbaustelle und Tabu repariert
Kühlschränke. Kurz darauf werden die Strukturen von Félicités Alltag
erschüttert: Ihr Sohn Samo hat einen Motorradunfall, ein Bein ist schwer
verletzt. Die Suche nach Geld für die Behandlung führt Félicité bis in ihre
entferntesten Bekanntenkreise.
Von einer Freundin ihrer Mutter muss sie sich minutenlang
Unfreundlichkeiten anhören, bevor sie mit leeren Händen wieder geht, von
Samos Vater, von dem sie getrennt lebt, wird sie handgreiflich
hinausgeworfen. Als Félicité mit Hilfe eines Polizisten diverse Ausstände
eintreibt, ist ihr Sozialleben endgültig in Frage gestellt.
Sie erträgt diese Rückschläge ihres Umfelds mit einer Ruhe, aus der das
über Jahre erworbene Wissen spricht, dass ihre Unabhängigkeit einen Preis
hat. In dieser Hinsicht ist ihre Schweigsamkeit eine Vermeidungsstrategie:
Wer wenig redet, muss vielleicht etwas weniger dusseliges Gequassel über
sich ergehen lassen.
Der Unfall ihres Sohns wird auch für Félicité zur Krise: Die Distanz, die
sie zu ihrer Umwelt aufgebaut hat, um selbstbestimmt zu leben, ist mit
einem Mal zweischneidig. Selbst vor dem Mikrofon blüht sie nicht mehr auf.
Als sie das Geld für die Operation schließlich beisammen hat, ist es zu
spät, Komplikationen haben die Ärzte veranlasst, das Bein zu amputieren.
Samo wirkt fortan wie ein lebendiger Leichnam und starrt wortlos vor sich
hin. Nur allmählich arbeiten er und seine Mutter sich ins Leben zurück.
## Die Stille hebt die Bilder hervor
Alain Gomis’ Film ist ein Kleinod. Voller Vertrauen auf die Bilder erzählt
der Regisseur immer wieder rein visuell. Félicités schweigsame Streifzüge
durch Kinshasa sind unterlegt mit der Musik eines Amateurorchesters, die
Sequenzen wie einer Fahrt mit dem Motorradtaxi etwas Erhabenes verleihen.
Auch sonst besticht „Félicité“ durch eine kluge Tonspur: mal treten
Gespräche und Töne in den Hintergrund und die Stille hebt die Bilder
hervor, mal verschränken sich Bild- und Tonspur zum atmosphärischen
Gesamteindruck, als würde etwa das kollektive Musizieren einen Raum des
Trosts um Félicité aufspannen.
„Félicité“ entstand aus der Begegnung Alain Gomis’ mit der Musik der Ba…
Kasai Allstars. Deren Sängerin Muambuyi inspirierte den Regisseur, schien
ihm jedoch zu alt für die Geschichte, die er erzählen wollte. Muambuyi
überließ Véro Tshanda Beya Mputu, die die Titelrolle spielt, für den Film
ihren Platz in der Band und übte mit ihr für die Auftritte. Im Film wird
Félicité begleitet von den Kasai Allstars (begleitend zum Film erschien ihr
Album „Around Félicité“). Das wortlose Einverständnis zwischen den Musik…
bei den Auftritten schließt nahtlos an die Art an, wie Félicité mit den
wenigen Menschen interagiert, die sie in ihrer Nähe duldet.
Alain Gomis’ vierter Spielfilm lief dieses Jahr [1][im Wettbewerb der
Berlinale] und gewann den großen Preis der Jury und den Hauptpreis bei
Fespaco, dem wichtigsten afrikanischen Filmfestival. Dennoch durfte man
kaum zu hoffen wagen, dass er in Deutschland im Kino zu sehen sein wird.
Dank des Nürnberger Grandfilm-Verleih gibt es nun Gelegenheit dazu. Der
Film wird es mit einem der eindrücklichsten Kinoerlebnisse des Jahres
danken.
5 Oct 2017
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## AUTOREN
Fabian Tietke
## TAGS
Spielfilm
Kinshasa
Japanischer Film
Dokumentarfilm
Indien
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