| # taz.de -- EU und Brexit: Brüssel stellt sich quer | |
| > Die Angebote der britischen Regierungschefin Theresa May reichen der EU | |
| > nicht. Das könnte die Verhandlungen erneut weiter verzögern. | |
| Bild: Unzureichende Angebote: die britische Regierungschefin Theresa May | |
| Brüssel taz | Der enge Zeitplan für den britischen EU-Austritt steht auf | |
| der Kippe. Ursprünglich war geplant, dass Kanzlerin Angela Merkel und die | |
| anderen EU-Chefs bei ihrem Gipfeltreffen Ende Oktober die zweite | |
| Verhandlungsphase einleiten. | |
| Statt um die Kernprobleme beim Brexit – die Rechte der EU-Bürger, die | |
| Kosten für die Scheidung und die künftige Grenze in Nordirland – sollte es | |
| dann um die Zukunft der Beziehungen zwischen Großbritannien und der Rest-EU | |
| gehen. Doch nun stellt sich das Europaparlament quer. | |
| Die zweite Phase solle aufgeschoben werden, forderte eine breite Mehrheit | |
| der Abgeordneten am Dienstag in Straßburg. Noch seien „keine ausreichenden | |
| Fortschritte“ erzielt worden, heißt es in einer Resolution, die 557 von 678 | |
| Parlamentariern billigten. | |
| Die Resolution ist zwar nicht bindend, der EU-Gipfel könnte immer noch | |
| anders entscheiden. Das Europaparlament muss einem Austrittsabkommen jedoch | |
| am Ende zustimmen. Es wäre also unklug, die Meinung der Abgeordneten zu | |
| übergehen. | |
| ## Keine neuen Angebote | |
| Die Mehrheit zeigte sich mit den Angeboten der britischen Premierministerin | |
| Theresa May unzufrieden. May hatte vor zehn Tagen in Florenz eine | |
| Grundsatzrede zum Brexit gehalten. Dabei hatte sie allerdings vor allem | |
| über die Zeit nach dem EU-Austritt gesprochen und keine konkreten neuen | |
| Angebote gemacht. | |
| Sie bekannte sich zwar erstmals zu Zahlungen an die EU. Kein Mitgliedsland | |
| solle wegen des Brexits mehr zahlen müssen, sagte die Tory-Politikerin. | |
| Außerdem schlug sie eine zweijährige Übergangsphase nach dem Austritt im | |
| März 2019 vor. Er soll vor allem der Wirtschaft zugute kommen. | |
| Doch den EU-Parlamentariern reicht das nicht. „Es gibt keine Chance, in die | |
| zweite Phase der Verhandlungen einzutreten“, sagte der Fraktionschef der | |
| Europäischen Volkspartei Manfred Weber (CSU). May und ihre Regierung | |
| müssten in allen drei Kernbereichen nachbessern. | |
| Der Fraktionschef der Liberalen und Brexit-Beauftragte des Parlaments, Guy | |
| Verhofstadt, beklagte „Uneinigkeit“ in der britischen Regierung. Vor allem | |
| zwischen May und ihrem Außenminister Boris Johnson gebe es unübersehbare | |
| Differenzen. | |
| ## „Lösegeld zahlen“ | |
| „Die EU behandelt uns wie eine Geisel“, hielt dem Nigel Farage, einer der | |
| Wortführer der Brexit-Kampagne, entgegen. „Nur wenn wir ein Lösegeld | |
| zahlen und ihre Wünsche auch erfüllen, dürfen wir über die nächste Phase | |
| sprechen“, kritisierte der ehemalige Anführer der EU-feindlichen | |
| Ukip-Partei. | |
| Die Briten sind vor allem an Verhandlungen über ein Freihandelsabkommen | |
| interessiert. Es soll ihnen Zugang zum EU-Binnenmarkt ermöglichen und so | |
| das Überleben der britischen Wirtschaft sichern. May hat zudem eine | |
| „Sicherheits-Partnerschaft“ angeboten. | |
| Doch EU-Verhandlungsführer Michel Barnier weigert sich, über diese Themen | |
| zu reden, wenn nicht zuvor die EU-Agenda abgearbeitet wurde. „Wir haben | |
| heute noch keinen ausreichenden Fortschritt erreicht, um mit Zuversicht die | |
| zweite Phase der Verhandlungen einzuleiten“, betonte der Franzose. | |
| Allerdings hat auch Barnier bisher wenig getan, um die Gespräche | |
| voranzubringen. Er legte zwar diverse Positionspapiere vor. Ein Dokument | |
| beschreibt etwa, wie Scheidungskosten berechnet werden können. Doch ein | |
| konkretes Angebot geht daraus nicht hervor. | |
| ## Genaue Zahlen gibt es nicht | |
| Bisher kursieren in Brüssel lediglich Schätzungen, wonach Großbritannien | |
| der EU 60 bis 100 Milliarden Euro schulde. May hat demgegenüber nur | |
| Forderungen in Höhe von rund 20 Milliarden Euro anerkannt. Genaue Zahlen | |
| hat, soweit bekannt, bisher keine Seite vorgelegt. | |
| Wie es nun trotz der Verzögerung weitergehen soll, ist unklar. Am 9. | |
| Oktober beginnt die nächste, die fünfte Verhandlungsrunde. Danach dürfte | |
| auch der EU-Gipfel feststellen, dass Großbritannien seine Hausaufgaben | |
| nicht gemacht hat. | |
| Ein weiterer Aufschub fällt jedoch auch auf die EU zurück. Denn je später | |
| die zweite Verhandlungsphase beginnt, desto größer wird auch das Risiko, | |
| dass man nicht rechtzeitig fertig wird. Am Ende könnte dann ein | |
| ungeordneter Brexit stehen – ohne Einigung und ohne klare Regeln. | |
| Das wäre jedoch für beide Seiten der Super-GAU. Die Briten würden den | |
| Zugang zum Binnenmarkt verlieren. Und die EU-Bürger, die noch in | |
| Großbritannien leben, stünden ohne einklagbare Rechte da. | |
| An diesem „No Deal“-Szenario könne niemand ein Interesse haben, hieß es | |
| bisher in Brüssel. Doch nach dem Votum im Europaparlament ist es nicht mehr | |
| völlig auszuschließen. | |
| 3 Oct 2017 | |
| ## AUTOREN | |
| Eric Bonse | |
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