# taz.de -- Theresa Mays Rede zum Parteitagsende: Mühevolle Pflichterfüllung | |
> Glücklos und von Pannen begleitet: Theresa May bringt den Parteitag ihrer | |
> regierenden Konservativen mehr schlecht als recht zuende. | |
Bild: Theresa May auf der Parteitagsbühne von Manchester | |
Berlin taz | Es sollte die Rede ihres Lebens werden, und viele | |
Kommentatoren sind sich am Mittwochnachmittag einig gewesen, dass die Rede | |
der britischen Premierministerin Theresa May zum Abschluss des Parteitags | |
der britischen Konservativen lange im Gedächtnis bleiben wird. Aber nicht | |
wegen ihres Inhalts. Sondern weil erst ein Störer auf die Bühne kletterte | |
und ihr eine schriftliche Kündigung reichte, dann ihre Stimme vor | |
Heiserkeit ständig nachgab und am Ende mehrere Buchstaben der an die blaue | |
Rückwand geklebten Parole „Ein Land bauen, das für alle funktioniert“ | |
herunterfielen, während sie noch auf der Bühne stand. | |
Ihre Erkältung und ihr Stimmverlust, gegen den sie tapfer ankämpfte, waren | |
einfach Pech, und die Zuhörer in der Parteitagshalle waren sichtlich | |
gewillt, ihr mit möglichst langen stehenden Ovationen zwischendurch immer | |
wieder eine Atempause zu verschaffen. Die anderen beiden Pannen aber waren | |
vermeidbar, und man darf sich fragen, ob die Parteitagsregie das entweder | |
mit Absicht zugelassen oder damit einfach ihren eigenen Zustand offenbart | |
hat. | |
Denn trotz aller öffentlichen Einheitsbekundungen bleibt die Partei tief | |
verunsichert, nachdem die von May ohne Not vorgezogenen Neuwahlen vom Juni | |
2017 ihr zwar einen hohen Stimmenzuwachs auf 42 Prozent, aber wegen des | |
noch höheren Stimmenzuwachses der Labour-Opposition einen Verlust ihrer | |
bisherigen absoluten Parlamentsmehrheit bescherten. Dass Labour sich beim | |
Parteitag vorige Woche trotz Wahlniederlage als Sieger gebärdete, die | |
Tories sich aber trotz Wahlsieg als Verlierer fühlen, ist auffällig. Jeremy | |
Corbyn erhält von seinen Delegierten Jubel. Theresa May bekam von ihren | |
Delegierten Hustenbonbons. | |
Der erste kam von Finanzminister Philip Hammond. Er war zu sanft und | |
funktionierte nur kurz. Hammond gehört im Kabinett zu denen, die einen | |
möglichst sanften Brexit wollen, wozu seine Kritiker sagen, das | |
funktioniere nicht. Vor wenigen Wochen gab May ihm nach und kündigte eine | |
zweijährige Übergangsperiode nach dem Brexit 2019 an. | |
## Arbeitstier: ja, Publikumsliebling: nein | |
Darüber schimpfen seitdem Brexit-Hardliner wie Außenminister Boris Johnson, | |
Experten rätseln über die Umsetzbarkeit, die EU will davon nichts wissen | |
und eine große Brexit-Koalition vom Rechtsaußen Nigel Farage, ehemaliger | |
Ukip-Chef, bis zum Linksaußen Arthur Scargill, ehemaliger | |
Bergarbeiterführer, fordern Mays Kopf. | |
Aber May ist ein Arbeitstier. Und das Hustendebakel unterstrich eher noch, | |
dass sie selbst vor widrigen Umständen nicht kapituliert. Vor | |
Parteitagsbeginn hatte May bekräftigt, dass sie die Konservativen in die | |
nächsten Wahlen 2022 zu führen gedenke. Freiwillig wird sie ihr Amt nicht | |
räumen. Kaum ein Wort fiel in ihrer Rede so oft wie das Wort „Pflicht“ –… | |
gebe eine „Pflicht“ gegenüber der Nation und dem Land und den Menschen zu | |
erfüllen, und zwar die, „das Richtige zu tun“. | |
Die Darstellung des Regierens als mühevolle Pflichterfüllung passt auf | |
jeden Fall besser zu Theresa May als die andere von ihr immer wieder | |
genutzte Vokabel vom „britischen Traum“, den es zu „erneuern“ und zu | |
„erfüllen“ gelte. „Wir sind eine Nation von Träumern“, rief sie. Man … | |
das missverstehen. | |
Ein Publikumsliebling wird May nie. Diesen Anspruch erhebt sie auch nicht. | |
Aber für die Konservativen als Partei wäre es fatal, wenn sie dem Beispiel | |
ihrer Chefin folgen. Sie müssen sich von May abgrenzen, um Erfolg zu haben | |
– und zugleich muss sie weiterregieren, sonst funktioniert das nicht. | |
## Zombies aus den 70ern | |
Es spricht für Mays anhaltende Stärke, dass Abgrenzung auf dem | |
Tory-Parteitag nicht bedeutete, die Premierministerin zu kritisieren, | |
sondern an ihrer Stelle die Kritik zu üben, die sie selbst nicht äußert, | |
weil sie nicht polarisieren möchte. | |
Boris Johnson, der traditionelle Publikumsliebling, tönte in seiner Rede am | |
Dienstag, dass man schließlich die Wahlen gewonnen habe; dass es „verrückt�… | |
sei, wie Labours „Zombies aus den 70er Jahren“ aus den Gräbern | |
hervorkletterten; und dass es Zeit sei, das Brexit-Votum nicht länger „wie | |
die Beulenpest oder eine Pestilenz unseres Viehs oder einen unerklärlichen | |
Fehlgriff von 17,4 Millionen Menschen“ zu behandeln. | |
Die schottische Tory-Chefin Ruth Davidson, die durch ihre Zugewinne in | |
Schottland bei den Wahlen die Konservativen vor einem kompletten Debakel | |
bewahrte und auch die Unabhängigkeitsgelüste der dortigen SNP-Nationalisten | |
in die Versenkung beförderte, ging noch weiter: Die Partei solle sich | |
endlich „zusammenreißen“ und regieren, rief sie. | |
May traut sich so etwas nicht. Sie sagte in einem Interview, es sei ein | |
Zeichen von Führungsstärke, wenn ihre Minister nicht ihrer Meinung sind. | |
Möglicherweise war Mays Husten also doch Teil der Parteitagsregie. Die | |
Delegierten hätten sonst trotzdem mit ihr Mitleid haben müssen. | |
4 Oct 2017 | |
## AUTOREN | |
Dominic Johnson | |
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