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# taz.de -- Grundsatzrede von Theresa May: Alphatiere und die Premierministerin
> Theresa May will mit einer Brexit-Rede am Freitag den EU-Austrittskurs
> Großbritanniens klarstellen. Ihre Regierung ist streitverliebt.
Bild: Boris Johnson und Theresa May völlig unvereint bei den Vereinten Nationen
Berlin taz | Noch vor einem halben Jahr dienten Reden von Theresa May dazu,
politische Kontroversen zu beenden. Heute bedeuten sie, dass die
Kontroverse erst richtig losgeht. Wenn May am Freitag im italienischen
Florenz eine Rede zum Brexit hält, werden Beobachter sich vor allem für die
Reaktion der mitreisenden Außen-, Brexit- und Finanzminister interessieren.
Denn je mehr die Brexit-Verhandlungen mit der EU auf der Stelle treten,
desto unbekümmerter werfen sich diese Alphatiere – Boris Johnson, David
Davis und Philip Hammond – unterschiedliche Brexit-Ideen an die Köpfe. Dass
sie ihre seit dem Wahldebakel vom Juni geschwächte Chefin nicht nur
umzirkeln wie die Geier, sondern sie öffentlich bloßstellen, halten sie für
einen Vorteil – immerhin zwingen sie May, die seit Juni am liebsten
schweigt, nun dazu, Farbe zu bekennen.
Die Establishment-Fraktion der Konservativen, die beim Referendum von 2016
erfolglos für den Verbleib in der EU eintrat, wünscht sich die Verwässerung
des Brexit durch eine Übergangsperiode unbestimmter Länge nach dem
Austrittsdatum 29. März 2019 und eine Sonderregelung danach. Bis auf
Weiteres würde Großbritannien in den EU-Haushalt einzahlen und EU-Regeln
einhalten, vielleicht auf Dauer, ungefähr wie die Schweiz. Führender
Vertreter dieses Flügels ist Finanzminister Hammond, der sich auf die
Loyalität zahlreicher Europhiler im Beamtenapparat verlässt.
Die Populisten, vertreten vor allem durch Außenminister Johnson, fordern
einen klaren und schnellen Bruch mit der EU, mit möglichst wenig Zahlungen
und Verpflichtungen. Als Vorbild gilt Kanada. Ihre Stärke ziehen sie
daraus, dass sie das Brexit-Referendum gewannen, dass EU-Kommissionschef
Juncker bei jeder Gelegenheit ihre Klischees über Brüsseler Arroganz
bestätigt und dass nichts darauf hindeutet, dass die EU Großbritannien
einen Sonderstatus gewähren könnte.
## Breitseite gegen May
Johnson ging vorige Woche in die Offensive, mit einem großen Essay im
Brexit-Zentralorgan Daily Telegraph. In Reaktion darauf, dass die
Premierministerin seine Abreise in die Karibik zum Besuch von
Hurrikanopfern abwartete, um ihre Rede mit Ministern zu besprechen,
veröffentlichte Johnson seine eigene imaginäre Rede: In kräftiger Rhetorik
malte er ein leuchtendes Bild von Großbritanniens rosiger
Brexit-Zukunft und trat dabei sämtliche Übergangslösungen in die Tonne.
Das war eine Breitseite gegen May – und eine Kampfansage an den einzigen
Gegner, der es verbal mit Johnson aufnehmen kann: Exfinanzminister George
Osborne, den May bei ihrem Amtsantritt entließ und der seitdem als
Chefredakteur der Londoner Abendzeitung Evening Standard täglich Gift und
Galle spuckt. Jüngst bekundete Osborne in einem bizarren Interview, er
werde erst Ruhe geben, wenn Theresa May zerstückelt in seinem
Gefrierschrank liege. Gegen solche Niederungen sind Johnsons Höhenflüge für
alle Seiten eine Wohltat.
Johnsons Essay machte den Zwist zum Drama, aber jetzt sparen May und
Johnson nicht mit öffentlichen Treueschwüren zueinander. Es bleibt ihnen
wenig anderes übrig, sonst gäbe es eine Regierungskrise.
Auf einer Kabinettssitzung am Donnerstag erhielt May für ihren Redeentwurf
breite Unterstützung. Zugleich muss sie in Florenz etwas Versöhnliches in
Richtung EU sagen, sonst könnte sie sich diesen Auftritt sparen. Das
Problem: Am 1. Oktober beginnt der Jahresparteitag der Konservativen – und
je EU-freundlicher sich May in Florenz gibt, desto deutlicher muss sie in
Manchester die Parteibasis mit harten Tönen begeistern. Lösen kann die
Premierministerin den Flügelstreit ihrer Partei nicht. Sie verkörpert ihn
selbst.
22 Sep 2017
## AUTOREN
Dominic Johnson
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