# taz.de -- Wahl in Liberia: Dame von Welt, Hölle auf Erden | |
> Ellen Johnson Sirleaf war zwölf Jahre Präsidentin Liberias. Jetzt tritt | |
> sie ab. Zuhause wird sie kritischer gesehen als im Ausland. | |
Bild: International geachtet: Liberias Präsidentin Ellen Johnson Sirleaf vor d… | |
COTONOU taz | Ellen Johnson Sirleaf strahlt natürliche Autorität aus und | |
findet bei ihren Auftritten klare Worte. Der Platz in der ersten Reihe | |
bedeutender afrikanischer Führungsgrößen ist ihr wie auf den Leib | |
geschnitten. Im Laufe der Jahre hat Liberias Präsidentin viele Titel, | |
Auszeichnungen und Spitznamen erhalten: erste Präsidentin Afrikas, | |
Friedensnobelpreisträgerin, „eiserne Lady“, die sich im männerdominierten | |
Politikgeschäft durchsetzen kann. Vor allem auf internationaler Ebene ist | |
Ellen Johnson Sirleaf hoch angesehen. | |
In der Achtung vieler dürfte sie noch einmal gestiegen sein, weil die | |
78-Jährige nach zwölf Jahren an der Staatsspitze am heutigen Dienstag nicht | |
mehr zur Wiederwahl steht. Per Verfassungsänderung eine dritte Amtszeit | |
anzustreben, wie das für afrikanische Staatsoberhäupter mittlerweile eher | |
die Regel als die Ausnahme ist, war für sie kein Thema. Liberia steht nach | |
170 Jahren vor dem ersten demokratischen Wechsel seiner Geschichte. | |
In der vergangenen Woche hat sich Johnson Sirleaf als „sehr dankbar“ | |
bezeichnet. In Liberia tobten von 1989 bis 1996 sowie 1999 bis 2003 zwei | |
brutale Bürgerkriege mit Hunderttausenden Toten. Während des ersten | |
arbeitete die Harvard-Absolventin, die in Liberia schon einmal | |
Finanzministerin gewesen war, für die UNO in den USA. Nach ihrer Rückkehr | |
in die Heimat 1997 und einer Wahlniederlage gegen den mächtigen Warlord | |
Charles Taylor – er ist 2012 vom Sierra-Leone-Sondertribunal in Den Haag zu | |
50 Jahren Haft verurteilt worden – ging sie ins Exil in die Elfenbeinküste. | |
Anders als etwa die Menschenrechtlerin Leymah Gbowee, [1][die 2011 zusammen | |
mit ihr den Friedensnobelpreis erhielt], demonstrierte Johnson Sirleaf nie | |
deutlich und offensichtlich für das Ende des Bürgerkrieges. Stattdessen | |
trat sie erneut zu Wahlen an, nachdem Präsident Taylor 2003 ins Exil | |
getrieben worden war, und nachdem sie sich 2005 gegen Fußballlegende George | |
Weah durchsetzte, gelang es ihr, dem Land Stabilität zu bringen. Das hat | |
ihr international Achtung und Bekanntheit gebracht. | |
## Entschuldigung vor der Wahrheitskommission | |
Weit weniger bekannt ist, dass sie Taylor zeitweise unterstützte. Dafür hat | |
Johnson Sirleaf sich 2009 vor Liberias Wahrheitskommission entschuldigt. | |
Außerhalb des Landes ist auch kaum bekannt, wie spürbar die Folgen der | |
Kriege bis heute sind. Eine ganze Generation ist nicht zur Schule gegangen, | |
was ein Grund ist, weshalb die Analphabetenrate bei 52,4 Prozent liegt. | |
Gerade einmal zwei Prozent der 4,6 Millionen Menschen haben Strom. Das | |
Jahreseinkommen liegt pro Kopf zwischen 455 und 900 US-Dollar. Laut | |
Weltbank wurden im Jahr 2014 26 Prozent des Bruttoinlandsprodukts von der | |
Diaspora erwirtschaftet. | |
Eine große Kluft liegt zwischen der Präsidentin und der Mehrheit der | |
Bevölkerung. Sie wirkt mütterlich-streng, wie jemand, dem man sein | |
Vertrauen schenken kann. Zahlreichen Liberianern ist sie allerdings viel zu | |
entrückt und fern vom täglichen Überlebenskampf. Als sie 2011 den | |
Friedensnobelpreis erhielt, war die Begeisterung darüber im Ausland größer | |
als in ihrer Heimat. | |
Wie schnell es in Liberia kriseln kann, hat 2014 der Ebola-Ausbruch | |
gezeigt. Offiziell gab es 10.675 bestätigte Fälle, 4.809 Menschen starben. | |
Anfang August 2014 rief Johnson Sirleaf den Ausnahmezustand aus, dann | |
[2][wandte sie sich im September mit einem Brief an internationale | |
Politiker, darunter Bundeskanzlerin Angela Merkel], und forderte | |
Unterstützung. Weil sie weltweit Respekt genießt, bekam sie die auch. | |
## Kein Erfolg beim Kampf gegen die Korruption | |
Doch das liberianische Gesundheitssystem galt schon vorher als marode, und | |
zwar nicht nur wegen des Bürgerkrieges. 2013 streikten etwa 20.000 | |
Mitarbeiter im Pflegebereich für mehr Lohn und bessere Arbeitsbedingungen. | |
Die Weltgesundheitsorganisation WHO schätzte 2015, dass im Land lediglich | |
51 einheimische Ärzte arbeiten. Der Rat für Medizin und Zahnkunde ging | |
vergangenes Jahr immerhin von knapp 300 aus. Dennoch bleibt die Abwanderung | |
von Ärzten enorm. Darunter ist auch James Sirleaf, ein Sohn der | |
Präsidentin, der an der Ostküste der USA als Mediziner arbeitet. | |
In ihren beiden Amtszeiten hat Ellen Johnson Sirleaf auch etwas anderes | |
nicht geschafft: Sie hatte versprochen, Korruption zu bekämpfen, musste in | |
ihrer Rede zur Lage der Nation im Januar dieses Jahres aber bekennen, | |
dieses Ziel nicht erreicht zu haben. Vorwürfe gib es immer wieder gegen die | |
Söhne, die in Liberia geblieben sind und allesamt hohe Ämter besetzen. | |
Charles ist nach zwischenzeitlicher Suspendierung wieder stellvertretender | |
Gouverneur der Zentralbank. Eine Niederlage musste Robert einstecken: Bei | |
der Senatswahl 2014 verlor er ausgerechnet gegen George Weah, den | |
glücklosen Gegenkandidaten seiner Mutter 2005. | |
Letztendlich steht Johnson Sirleaf auch für das nicht, wofür sie in Europa | |
und den USA so populär ist. Mit ihr hatte es endlich eine Frau an die | |
Staatsspitze geschafft. Heute ist das chancenlose Exmodel Macdella Cooper | |
die einzige Frau unter den 20 Kandidaten für ihre Nachfolge. | |
10 Oct 2017 | |
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## AUTOREN | |
Katrin Gänsler | |
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