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# taz.de -- Hamburger Polizei ist uneinsichtig: Keine Eisenspeere, nirgends
> Die Hamburger Polizei hat keine Beweise für einen geplanten Hinterhalt im
> Schulterblatt am 7. Juli und sieht sich trotzdem im Recht.
Bild: Hinterhalt für die Polizei? Beweise gibt es dafür bisher nicht.
Hamburg taz | Ist es Sturheit, PR-Strategie oder Überzeugung? Obwohl es
keine Beweise gibt, hält die Polizei Hamburg weiter an ihrer Darstellung
fest, am 7. Juli hätten Aktivist*innen im Hamburger Schanzenviertel einen
Hinterhalt auf die Polizei geplant. Nach dem G20-Gipfel war die Polizei in
Erklärungsnot geraten, weil sie erst nach Stunden das Schanzenviertel
gestürmt hatte, während Unbekannte dort schon längst Läden geplündert und
meterhohe Feuer entzündet hatten. Anwohner*innen und Gewerbetreibende
fühlten sich von den rund 23.000 Polizist*innen, die in der Stadt waren, im
Stich gelassen.
Es habe Lebensgefahr für die Beamt*innen bestanden, hatte Polizeisprecher
Timo Zill am nächsten Tag gegenüber der Presse gesagt. Es habe Hinweise
gegeben, Aktivist*innen hätten sich mit Eisenspeeren, Gehwegplatten,
präparierten Feuerlöschern, Molotowcocktails und Steinen bewaffnet und auf
den Dächern im Schulterblatt positioniert. Erst gegen ein Uhr morgens hatte
ein Sondereinsatzkommando (SEK) das Viertel geräumt.
In einer Kleinen Anfrage wollte die Abgeordneten der Hamburger
Linksfraktion Christiane Schneider nun wissen, welche der Gegenstände im
Schulterblatt tatsächlich gefunden wurden. Die Antwort: keine. Auch ein
Polizeiauto, das nach Polizeidarstellungen durch einem Bewurf mit
Molotowcocktails abgebrannt war, sei nun doch nicht abgebrannt, schreibt
der Senat in seiner Antwort.
Von einer falschen Lageeinschätzung will Zill dennoch nicht sprechen. „Im
Gegenteil“, sagt er. „Wir halten ganz klar an der bisherigen Darstellung
der Ereignisse fest.“ Die Hinweise auf den Hinterhalt seien von
Zivilpolizist*innen gekommen, die im Schanzenviertel unterwegs waren, und
von Mitarbeiter*innen des Verfassungsschutzes. Als die Polizei schließlich
das SEK ins Viertel schickte, habe sich laut Zill der Eindruck ergeben, die
Gefahrenprognose sei völlig richtig gewesen. „Es gab ja Personen auf den
Dächern“, sagt er. „Nach dem, was wir da gesehen haben, musste sich die
Gefahr realisieren.“
Auf die Frage, warum dann keine Beweismittel gefunden worden seien, erklärt
Zill, Beweissicherung sei keine Priorität des SEK gewesen. Stattdessen sei
es darum gegangen, die Häuser zu sichern. Erst vier Tage nach dem Gipfel
hat die Polizei versucht, Beweismittel im Schulterblatt und auf den
dortigen Dächern zu sichern. Der Senat begründet das in seiner Antwort auf
Schneiders Anfrage mit Ressourcenmangel.
Schneider gibt sich mit dieser Begründung nicht zufrieden. „Klar ist, dass
die Version der Polizei mangels Beweisen stark erschüttert ist“, sagt sie.
Damit stelle sich „in aller Schärfe“ die Frage, warum die Polizei die
Anwohner*innen in der Schanze trotz Plünderungen und Bränden sich selbst
überlassen habe. Und auch, warum dann, Stunden später, schwer bewaffnete
SEK-Beamt*innen eingerückt seien und das ganze „moderne Polizeiequipment“
aufgefahren hätten.
Für den SEK-Einsatz rechtfertigte sich der Einsatzabschnittleiter aus
Niedersachsen, Michael Zorn, am 19. Juli vor dem Innenausschuss. Er nannte
den Einsatz einen „Antiterroreinsatz“. Am Abend des 7. Juli habe ihn der
Gesamteinsatzleiter Hartmut Dudde angerufen. Der „befürchtete, dass die
Kräfte (also normale Polizeieinheiten, Anm. d. Red.) bei einem Vorrücken
von den Dächern oder auch vom Gerüst mit Molotowcocktails, Gehwegplatten,
Steinen, Eisenstangen und so weiter beworfen werden, sodass eine akute
Lebensgefahr für die Einsatzkräfte bestünde“, sagte Zorn dem Ausschuss.
Der Einsatzleiter der Kriminalpolizei, Jan Hieber, fügte hinzu, es habe
Hinweise gegeben, dass Personen Läden geplündert und dabei Metallteile
entwendet hätten, um diese als „selbstgemachte Eisenspeere“ bereitzulegen.
Dazu schreibt der Senat nun: „Beweismittel, die die damals vorliegenden
Hinweise bestätigen, liegen nach derzeitigem Kenntnisstand nicht vor.“ Er
weist aber darauf hin, dass die Ermittlungen der Sonderkommission
„Schwarzer Block“ noch andauern.
Offen bleibt die Frage nach der Plausibilität der Hinweise, die der
Verfassungsschutz gegeben haben soll. Die Frage, ob es dort überhaupt
üblich ist, dass V-Personen in konkreten Situationen Hinweise an die
Polizei geben, ließ die Behörde unbeantwortet. Das sei schließlich Thema
des Sonderausschusses G20, sagte eine Sprecherin. Dieser Aufarbeitung wolle
man nicht vorgreifen.
9 Oct 2017
## AUTOREN
Katharina Schipkowski
## TAGS
Schwerpunkt Polizeikontrollen in Hamburg
Polizei
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