# taz.de -- Personaldebatte in der CSU-Fraktion: Seehofer – und wie weiter? | |
> Die Koalitionsverhandlungen in Berlin soll er noch führen. Dann aber: | |
> bitte ein geordneter Übergang. In der CSU-Fraktion klingt es nach | |
> Revolte. | |
Bild: Wohin mit Horst? | |
MÜNCHEN taz | Horst Seehofer wird vom „ewigen Libero“, als der sich der | |
CSU-Chef mal bezeichnet hat, zum Verteidiger. In seiner Partei ist gerade | |
eine Personaldebatte [1][im Gange], und in erster Linie geht es dabei um – | |
ihn. Es ist Mittwochfrüh, die Fraktion der Christsozialen trifft sich ganz | |
planmäßig im Maximilianeum, bevor dann der Landtag zu seiner ersten | |
Plenarsitzung nach der Sommerpause zusammentritt. | |
Als Herzkammer der CSU bezeichnet die Fraktion sich gern. Hier sind die | |
Menschen, die den bayerischen Ministerpräsidenten gewählt haben. Auch | |
Seehofer kommt zur Fraktionssitzung – und geht sofort in die | |
Frontalverteidigung. Wie später aus der Sitzung zu vernehmen ist, geht er | |
heftig mit denjenigen „Parteifreunden“ ins Gericht, die seit dem | |
desaströsen Wahlergebnis vom Sonntag seinen vorzeitigen Abgang gefordert | |
haben. | |
Die CSU setze sich der Lächerlichkeit aus, schimpft er. Nicht, dass er | |
etwas gegen Personaldiskussionen habe, aber sie gehörten auf den Parteitag. | |
Und der solle erst im November stattfinden. Seehofer hatte bereits vor | |
Monaten überraschend angekündigt, dort wieder als Parteivorsitzender | |
kandidieren zu wollen. | |
Die Fraktion applaudiert. Stark und lang, wie Abgeordnete berichten. | |
Fraktionschef Thomas Kreuzer spricht gar von „guter Stimmung“. Zuvor hat | |
auch er sich schon über die Rücktrittsforderungen mokiert: „Ich halte es | |
für grundfalsch, im Moment Personaldiskussionen zu führen. Das schwächt die | |
Partei.“ | |
## Wichtigste Stimme kommt aus der Oberpfalz | |
Allerdings ist die ohnehin schon geschwächt: 38,8 Prozent der bayerischen | |
Wählerstimmen bekam sie jetzt bei den Bundestagswahlen. 2013 waren es noch | |
49,3 Prozent. | |
Seit zwei Tagen häuften sich nun die Forderungen nach einem personellen | |
Neuanfang in der Partei. Zunächst waren es Ortsvorsitzende und | |
Bürgermeister kleiner Gemeinden, nicht wenige aus der fränkischen Heimat | |
von Seehofers Erzrivalen Markus Söder, der in der bayerischen | |
Landesregierung Staatsminister der Finanzen, für Landesentwicklung und | |
Heimat ist. | |
Dann kamen aber auch größere Kaliber dazu: Dazu gehören zwei | |
Bundestagsabgeordneten und eine Landtagsabgeordnete, die ihren Parteichef | |
für das desaströse Wahlergebnis verantwortlich machten und ihn loswerden | |
wollten. | |
Die wichtigste Stimme kam allerdings aus Oberpfalz. Das ist zwar nicht | |
Söders direkter Einflussbereich, aber hier ist Albert Füracker der starke | |
Mann der CSU. Und der ist nicht nur Staatssekretär in Söders | |
Finanzministerium, sondern auch noch ein besonders enger Vertrauter. | |
## Söder soll ins Rennen, wird es aber schwer haben | |
Sein Vorschlag: Seehofer solle noch die Koalitionsverhandlungen in Berlin | |
führen, dann aber müsse der Wechsel eingeleitet werden. Er bemühte dafür | |
perfiderweise einen Terminus, den Seehofer selbst schon so oft im Munde | |
führte: den vom „geordneten Übergang“. Klingt weniger nach Putsch, ist ab… | |
im Endeffekt dem recht ähnlich, was die CSU vor zehn Jahren schon mal mit | |
dem damaligen Ministerpräsidenten und Parteichef Edmund Stoiber | |
durchexerzierte. | |
Ob es für den 50-Jährigen Söder tatsächlich am günstigsten wäre, schon bei | |
der Landtagswahl 2018 als Spitzenkandidat ins Rennen zu gehen, ist | |
fraglich. Ein Einzug der AfD in den Landtag ist dann sehr wahrscheinlich. | |
Es könnte also durchaus in Söders Interesse sein, wenn dieses Wahlergebnis | |
noch offiziell auf Seehofers Konto ginge – und man ihn dann als Retter | |
riefe. | |
Das aber dürfte die Landtagsfraktion nicht mitmachen, meint Ursula Münch, | |
Leiterin der Akademie für Politische Bildung in Tutzing. Söder werde es | |
aber in keinem Fall leicht haben: „Das Grundproblem der CSU ist nämlich | |
aktuell ihre Schwesterpartei.“ Wie geht die CSU künftig mit der CDU um? | |
„Früher galt die CSU in Berlin mal als durchsetzungsstark, heute ist sie | |
die Partei, die die Maut durchgesetzt hat.“ | |
Dieses Problem habe auch der nächste Parteivorsitzende. Die CSU ziehe ihre | |
Bedeutung schließlich auch von ihrem Einfluss im Bund. „Ob sich da jemand | |
ohne die Bundeserfahrung leichter tut?“ Ein eindeutiger Vorteil für | |
Seehofer also. Aber letztlich werden die Entscheidungen in Bayern gefällt. | |
## Auch Seehofer weiß: ohne Basis geht es nicht | |
Derweil macht auch Erwin Huber, Seehofers glückloser Vorgänger als | |
Parteichef, seine Runde und lässt sich allerorten über die schwierige | |
Situation in der CSU aus – ohne freilich unmittelbare Konsequenzen zu | |
fordern. „Ich würde dem Horst Seehofer empfehlen“, sagte er etwa im | |
ZDF-Morgenmagazin, „jetzt auch eine Dialogreihe innerhalb der CSU zu | |
machen, in alle zehn Bezirksverbände zu gehen – nicht so Appelle ,Seid | |
still bis zum Parteitag' und Redeverbote und Denkverbote.“ | |
Das ist wohltaxierte Kritik – die auch ein wenig an Söders Aufforderung vom | |
Montag erinnert, man müsse jetzt sehr genau in die Basis „hineinhorchen“. | |
Natürlich weiß auch Seehofer, dass es ohne die Basis nicht geht. Am | |
Mittwochmorgen macht er nicht den Fehler, diesem Dialog aus dem Weg zu | |
gehen. Im Gegenteil: In der Sitzung kündigt er an, Hubers Vorschlag | |
aufzugreifen und in die Bezirksverbände zu gehen. | |
Vielleicht kommt er ja auf dieser Tour auch in Garmisch-Partenkirchen | |
vorbei, im tiefsten Süden des Landes. Dort führt Elisabeth Koch die | |
CSU-Fraktion. Wochenlang hat sie Straßenwahlkampf gemacht, sich die Sorgen | |
der Wähler angehört. An Personaldiskussionen will sich die Rechtsanwältin | |
jetzt zwar nicht beteiligen – aber aus ihrem Herzen auch keine Mördergrube | |
machen: „Das Problem liegt doch ganz woanders“, schimpft Koch. „Es geht um | |
die Attribute unserer Partei: christlich und sozial. Wegen dieser Werte bin | |
ich seinerzeit in die Partei eingetreten. Jetzt muss ich sehen, dass sie | |
uns immer mehr verloren gehen.“ | |
## „Wir sind nicht mehr glaubwürdig“ | |
Die krachende Niederlage der CSU führt sie allerdings nicht nur auf den | |
Erfolg der AfD zurück, man habe ja auch Wähler an die FDP verloren. | |
Sondern: „Wir sind nicht mehr glaubwürdig. Die Leute wissen nicht mehr, | |
woran sie mit uns sind.“ | |
Parteichef Seehofer wirft derweil den Kopf in den Nacken und marschiert | |
voran: Nach der Fraktionssitzung erklärt er vor Journalisten, man habe sich | |
einvernehmlich verständigt, Personalfragen erst beim Parteitag zu klären. | |
Er werde dann erneut für den CSU-Vorsitz kandidieren: „Ich habe jetzt | |
keinen Grund, eine Neuorientierung vorzunehmen.“ | |
28 Sep 2017 | |
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## AUTOREN | |
Dominik Baur | |
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