# taz.de -- Europäische Migrations- und Asylpolitik: Aufnehmen und abschieben | |
> Die EU möchte 50.000 zusätzliche Flüchtlinge aufnehmen. Zugleich aber | |
> forciert sie Abschiebungen abgelehnter Asylbewerber aus den | |
> Mitgliedsstaaten. | |
Bild: In Libyen warten Menschen unter unwürdigen Bedingungen auf eine Chance, … | |
Brüssel taz | In den kommenden beiden Jahren soll die EU mindestens 50.000 | |
Flüchtlinge aus Afrika, dem Nahen Osten und der Türkei aufnehmen. Parallel | |
sollen die EU-Staaten schnellstmöglich bis zu 270.000 abgelehnte | |
Asylbewerber abschieben. Dies hat die EU-Kommission in Brüssel gefordert. | |
Auch die umstrittene Umverteilung von Flüchtlingen aus Griechenland und | |
Italien soll weitergehen. | |
Die Vorschläge sind Teil einer umfassenden Initiative, die als | |
„Migrationspolitik 2.0“ angekündigt worden war. Brüssel will damit die | |
Konsequenzen aus den Erfahrungen mit der Krise 2015 ziehen. Es gehe um die | |
„nächsten Schritte hin zu einer entschlosseneren, wirksameren und | |
gerechteren Migrations- und Asylpolitik“, erklärte der zuständige | |
EU-Kommissar Dimitris Avramopoulos. | |
Doch so widersprüchlich wie die Ziele sind auch die nun vorgeschlagenen | |
Maßnahmen. Neuansiedlung, Umsiedlung, Abschiebung – all dies folgt keinem | |
gemeinsamen Willen aller 28 EU-Staaten, sondern ganz unterschiedlichen | |
Motiven und Interessen. So haben Ungarn und Polen ihren Widerstand gegen | |
die Umverteilung nicht aufgegeben – trotz eines rechtskräftigen Urteils des | |
höchsten EU-Gerichts in Luxemburg. | |
Darauf ging Avramopoulos bei der Vorstellung seiner Pläne nicht ein. | |
Geschickt überspielte er auch den Umstand, dass das auf zwei Jahre | |
befristete, provisorische Umverteilungsprogramm schon am 26. September | |
abgelaufen ist. Die Umsiedlung in andere EU-Länder soll trotzdem | |
weitergehen, sagte er. Alle müssten Solidarität üben. Wer mehr tun möchte | |
als bisher, soll dafür sogar finanzielle und technische Hilfe aus Brüssel | |
bekommen. | |
## Ernüchternde Bilanz | |
Doch bisher hat nicht einmal Deutschland seine Quote erfüllt. Von den | |
ursprünglich geplanten 120.000 Migranten wurden gerade einmal knapp 30.000 | |
Menschen aus Griechenland und Italien in andere EU-Länder umverteilt. | |
Weitere 8.000 warten auf freie Plätze. Die Reform der Dublin-Verordnung, | |
die eine dauerhafte Umverteilung sichern soll, hängt im EU-Ministerrat | |
fest. | |
Ernüchternd fällt auch die Bilanz bei der freiwilligen Neuansiedlung von | |
Flüchtlingen etwa aus Afrika aus. Bisher wurden nur 23.000 Menschen | |
aufgenommen. Wie es die EU schaffen will, noch einmal mehr als 50.000 | |
aufzunehmen, bleibt unklar. Die Frage, ob Deutschland freie Plätze gemeldet | |
habe, mochte Avramopoulos nicht beantworten. | |
Immerhin möchte die EU-Kommission nun auch Pilotprojekte für legale | |
Migration ermöglichen, wie es etwa die Grünen fordern. Allerdings verfolgt | |
sie dabei das Ziel, „den irregulären Zustrom in eine bedarfsorientierte | |
Wirtschaftsmigration umzuwandeln“, wie es im Pressetext heißt. Zudem plant | |
sie „private Patenschaften“, die Neuansiedlungen finanzieren sollen. | |
Deutet sich hier eine Privatisierung der Flüchtlingspolitik an? Der | |
Vorschlag aus Brüssel lässt viele Fragen offen. Auch die Angaben zur | |
„Rückkehrpolitik“, bekannter als Abschiebung, lassen zu wünschen übrig. … | |
EU möchte 50.000 zusätzliche Flüchtlinge aufnehmen, zugleich aber | |
Abschiebungen abgelehnter Asylbewerber aus den Mitgliedstaaten forcieren. | |
Wie das gehen soll, sagt sie nicht. Bisher seien nur 226.000 von 500.000 | |
ausreisepflichtigen Drittstaatenangehörigen abgeschoben worden, so die | |
EU-Behörde. Um die „Rückkehrquoten“ von derzeit rund 36 Prozent zu erhöh… | |
soll die Europäische Grenz- und Küstenwache eine schlagkräftige | |
Abschiebe-Abteilung erhalten. | |
27 Sep 2017 | |
## AUTOREN | |
Eric Bonse | |
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