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# taz.de -- Kolumne Fast Italien: Wiesnblues
> Die Australierinnen ziehen blank. Die Schwedenaugen schwelgen. Die Sterne
> blinken. Die Busen wippen. Es wird geknutscht, gefummelt, begrapscht.
Bild: Na du, sagt er, und streichelt ihr die Wange
Von der Wiesnmaß noch keine Spur. Die bronzene Bavaria thront nüchtern über
ihrem 42 Hektar großen Reich. Väter lassen Drachen steigen, Kinder üben
Fahrradfahren, Drohnenfreaks geben lautlos Gas. Und Schrotti saust
strahlend über die leere Theresienwiese, nicht fassend, dass man 43 Jahre
alte Knochen schweißen kann.
Es ist Ende Mai. Es windet. Aber es ist warm. Schrotti und mich zieht’s zum
Isarflimmern.
Mitte September: O’zapft is’. Bavarias Territorium ist nun sorgfältigst
abgegrenzt gegen jegliche aggressive Willkür von außen. Drinnen hingegen
brodelts bierig. Innige Promilleleutseligkeit allenthalben, oans, zwoa,
gsuffa. So ein paar Liter gehen zügig die Kehle runter, wenn die Stimmung
stimmt. Und dazu ein knuspriges Hendl, damit die Klofrau kräftig zu tun
hat, wenn Bier und Hendl sich im Magen-Darm-Trakt treffen. Gaudi eben.
Ich bin solo unterwegs. Schrotti scheut Menschen im Ausnahmezustand. Ich
scheue Fahrgeschäfte, bin der gemächliche Typ, nehme gleich zu Anfang im
Außenbereich des Löwenbräuzelts Platz. Fünf dralle Australierinnen und drei
blauäugige Schweden sind meine Tischpartner. Radi! Brezn! Hendl! Maß!
## Wiesnorgie
Lauthals wird geordert für die obligatorische Wiesnorgie. Maßkrug
schmettert gegen Maßkrug, die Musi spuit, Mann kommt Frau näher, die
Partylaune steigt. Später ziehen die Australierinnen blank. Die
Schwedenaugen schwelgen. Die Sterne blinken. Die Busen wippen. Es wird
geknutscht, gefummelt, begrapscht. Gespräche finden nurmehr peripher statt.
Zeit zu gehen. Zeit zu denken.
Ich versetze mich jetzt mal in die Lage eines bierblöden Wiesnabgängers.
Schwankend verlässt er das Areal, taumelt durch den sensiblen Randbereich,
wo dämmernde Bierleichenfrauen schutzlos schnorcheln. Eine von ihnen grunzt
vor sich hin. Der Bierblöde deutet dies als Einladung, lässt sich neben sie
plumpsen. Na du, sagt er und streichelt ihr die Wange. Eine Dunkelziffer,
die Frau, später, wenn eine polizeiliche Statistik erhoben wird.
Ich kämpfe mich durch die zombieske Menschenstraße. Verhalte mich wie ein
Untoter, torkle auf den Boden stierend dem Ausgang zu. Drehe mich noch
einmal um, sehe die prächtige Bavaria. Könnte sie’s, würde sie sich
schämen. An der Hackerbrücke stolpert im letzten Augenblick eine Dirndl
dekolletiert ins S-Bahn-Abteil.
Unter ihrer Brust baumelt ein Lebkuchenherzl mit dem Schriftzug
„Oktoberfest 2017“. In der rechten Hand hält sie eine tropfende Tüte. Der
Geruch, den die Tüte verströmt, lässt auf den Inhalt schließen. Mich
würgt’s. Gott sei dank muss ich nächste Station raus. Der Zug hält. Die
Türen öffnen sich. Die Frau schwankt speiend ins Freie. Ich flitze an ihr
vorbei.
## Wiesnverstimmung
Schrotti erwartet mich am Ende der Rolltreppe. Er spürt meine
Wiesnverstimmung. Schlägt angenehmere Gefilde vor. Bringt mich ins
Sappralott. Ubi Augustiner, ibi Monaco. An der Bar komme ich mit der
schönen Doris ins Gespräch. Sie erzählt von ihrer Heimat Kenia, wo sie Aug
in Aug einem Löwen gegenübergestanden ist. Ihr höre ich gerne zu. Wir sind
uns gewogen.
28 Sep 2017
## AUTOREN
Max König
## TAGS
Oktoberfest
Wiesn
Alkohol
Vergewaltigung
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