| # taz.de -- Kolumne Fast Italien: Nie wieder Schwabing! | |
| > Weil Esther unbedingt Kunst schauen will, geht es dann doch noch einmal | |
| > ins abgehalfterte Viertel voller besserwisserischer Hutträger. | |
| Bild: Schwabing? Öde! | |
| Bin seit zwei Jahren out of Schwabing. Habe einen Grund. Breche mein | |
| Gelübde, weil Esther Kunst schauen will. Ecke Barer und Theresienstraße | |
| muss Schrotti bremsen. Grassmayer steht im Weg. Der Grund, warum ich out of | |
| Schwabing bin. | |
| Braun gebrannt lüpft Grassmayer seinen Borsalino, sagt Servus, fragt, wohin | |
| ich gehe. In die Pinakothek der Moderne. Bin dort verabredet, sage ich. In | |
| die Pinakothek? Warum nicht?, sagt er und postiert seinen Borsalino wieder | |
| auf seinem Schädel. | |
| Esther wartet vor der Eingangshalle. Ich stelle Schrotti ab. Grassmayer | |
| grinst blöde, meint, dass mein Fahrrad schon bessere Tage gesehen habe, | |
| pflastert seinen rechten Arm auf meine Schulter. Esther begrüßt ihn aufs | |
| Herzlichste, in dem Glauben, er sei ein Freund von mir. Ich schlucke Galle. | |
| Wir stehen vor einem Bild von Max Beckmann. Beckmann sei genau genommen | |
| kein Maler gewesen, sagt Grassmayer. Er habe eine Allergie gegen Ölfarben | |
| gehabt. Wie hätte er malen sollen mit seinen verquollenen Augen? Seines | |
| Erachtens stammen nur die Ideen von Beckmann, gemalt habe die Bilder gewiss | |
| ein anderer. Esther lacht. Sie denkt, Grassmayer macht einen Scherz. Ich | |
| lache auch. Aus Verzweiflung. Ich weiß, dass Grassmayer es ernst meint. | |
| ## Alles Scharlatane | |
| Zweieinhalb Stunden gibt Grassmayer den Kunstkenner, lässt an keinem Maler | |
| ein gutes Haar. Bei Dalí moniert er das Zerfließende. Picasso nennt er | |
| einen brillanten Blender, der entweder eine Sehschwäche gehabt oder an | |
| Schizophrenie gelitten habe; seine Bilder seien völlig realitätsfern. Von | |
| Vincent van Goghs Œuvre ganz zu schweigen. Und auf Andy Warhol will er | |
| nicht näher eingehen. Der sei in seinen Augen der Gipfel der | |
| Scharlatanerie. Seine Arbeiten hätten wie ihr Schöpfer etwas Zombieskes. | |
| Michelangelo hingegen sei ein Genie gewesen. Aber von dem hänge hier | |
| nichts. München könne sich einen Michelangelo wohl nicht leisten. | |
| Wir treten ins Freie. Esther wirkt erschöpft. Sie möchte etwas trinken | |
| gehen. Er habe auch Durst, sagt Grassmayer. Ob er sich anschließen dürfe? | |
| Er wolle allerdings nicht stören. Störe er? | |
| Wir sitzen im Türkenhof, Grassmayer bei seinem zweiten, ich bei meinem | |
| fünften Bier. Esther süffelt Wein, ihr Blick geht ins Leere. Grassmayer | |
| schiebt seinen Borsalino die Stirn hoch, erzählt von José Carreras. Sagt, | |
| dass dessen Gesang maßlos überschätzt werde. Sagt, dass es wesentlich | |
| begnadetere Tenöre gebe. Sagt, das er ein Klassikfreak sei. Sagt, dass er | |
| dies seinem Vater zu verdanken habe. Sagt, dass der ihn von Kindesbeinen an | |
| damit konfrontiert habe. Grassmayer hat einen trockenen Mund. Er nimmt | |
| einen Schluck. Parliert weiter. | |
| Im Morgengrauen verabschiedet sich Grassmayer, küsst Esther auf den Mund, | |
| lupft den Borsalino, torkelt davon. Nie mehr Schwabing, sagt Esther. | |
| Versprich mir das! Ich nehme sie in den Arm, verspreche, dieses Viertel | |
| künftig zu umschiffen. Hand in Hand wanken wir nach Neuhausen. Schrotti | |
| haben wir vergessen. | |
| 22 Dec 2017 | |
| ## AUTOREN | |
| Max König | |
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