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# taz.de -- Hörspiel aus München: Anarchie in Hinterwieselharing
> Ein neues Hörspiel von „Dr. Döblingers geschmackvollem Kasperltheater“
> aus München ist erhältlich. Als Weissager ist diesmal Gerhard Polt mit
> dabei.
Bild: Gerhard Polt mischt diesmal mit in Dr. Döblingers geschmackvollem Kasper…
Erst mal Kaffee. Wenn sich Josef Parzefall und Richard Oehmann morgens
zusammensetzen, um für „Doctor Döblingers geschmackvolles Kasperltheater“
ein Hörspiel zu ersinnen, muss es eine ganze Kanne sein. Dann skizzieren
die beiden Münchener Puppenspieler zunächst die Handlung. Der Plan der
fiktiven bayerischen Ortschaft Hinterwieselharing wird konsultiert, um
Schauplätze festzulegen. Sie ist Lebensmittelpunkt von Kasperl, Seppl,
Großmutter, Wachtmeister, dem bösen Zauberer, König Kurt und diversen
anderen markanten Persönlichkeiten.
„Dialogschreiben fällt uns leicht, wir spielen seit 25 Jahren zusammen und
wissen, wie unsere Figuren ticken“, sagt Josef Parzefall. Auf dem Ortsplan,
der jedem der inzwischen 14 Hörspiele beiliegt, finden sich nicht nur
Holzweg und Umweg, es gibt eine Brennsuppnstraße und den Watschnbaum.
„Manchmal sind Vorgaben zu bedenken.“ So ist „Kasperl und der Wachtelkön…
in Kooperation mit dem Landschaftspflegeverband entstanden, der mit der
Kampagne „Bayerns UrEinwohner“ Lebensräume seltener Tiere und Pflanzen
erhalten will. „Natürlich sollen diese Tiere auch den Kindern bekannt
gemacht werden“, sagt Parzefall. Der Wachtelkönig ist ein Vogel, der laut
krächzt, aber kaum zu sehen ist. „Dafür brauchte es eine Geschichte, in der
Geräusche eine Rolle spielen.“
Und weil sich Christoph Well von den Biermösl Blosn, der wieder Musik
beigesteuert hat, wünschte, dass viele Instrumente vorgestellt werden,
wurde der Geräuschekundler Dr. Wuzler erfunden, dessen wissenschaftlich
begründeter Wahnsinn von Max Uthoff mit Leidenschaft gelebt wird. Mit einem
herrlich affektierten „Einzigartig!“ kommentiert er jedes Geräusch.
## Für Kinder und Erwachsene
Auch passte es gut, dass es in Hinterwieselharing einen Verstecksti-Park
gibt. In ihm hört Kasperl ein „schlimmes Geräusch, so oan Ratschn“, und
vermutet ein „landwirtschaftliches Radauinstrument“. Bis herauskommt, dass
es sich bei dem „Crex-Crex“ um den Ruf des Wachtelkönigs handelt, vergehen
90 irrwitzige Minuten, in denen Kasperl und Seppl auf der Suche nach einer
passenden Trophäe sind (von einem Nasenwuckerl, also einem Popel nehmen sie
Abstand) und König-Kurt sich einem „Majestäts-Coaching“ unterzieht, das i…
der Neffe des bösen Zauberers Wurst, Wänzrödl, mit Wiener Schmäh angedeihen
lässt.
Der treffsicher abgeschaute Coaching-Sprech Wänzrödls ist wie manch andere
Anspielung eingebaut, um erwachsenen Mithörer*innen Vergnügen zu bereiten.
„Wir legen großen Wert darauf, dass unsere Geschichten von Kindern
verstanden werden“, sagt Parzefall, der auch Autor der allabendlich im
Bayerischen Rundfunk ausgestrahlten „Betthupferl“ für Kinder ist.
Die Geschichte vertraut auf Kinderhumor – etwa das Versteckspiel –, aber
Oehmann und Parzefall finden wichtig, „dass Erwachsene genauso viel Spaß
haben. Deshalb gibt es Erwachsenenwitze, die für den Handlungsverlauf aber
nicht wichtig sind.“
## Völlig unterschiedliche Stimmen
Anfangs haben sie die Bühnenstücke auch zu Hörspielen umgemodelt. Diese
Methode war jedoch zu arbeitsintensiv. Zudem wäre auch eine Busfahrt auf
der Bühne schwer zu realisieren. „Wir haben ja nur vier Arme“, so
Parzefall. Die Szene, in der in „Kasperl und der Wachtelkönig“ die vier (!)
unterschiedlich charakterstarken Hinterwieselharinger Könige nebst
Radioreporterin Gretel und Wirtin Elphi sich im Café D’Elphi zur
alljährlichen Orakel-Weissagung einfinden, wäre auf der Bühne nicht machbar
gewesen.
Gespielt wird die schmerzbefreite Wirtin Elphi herrlich unterdimensioniert
von Toni Frank, der die beiden an Rücken leidenden Oehmann (50) und
Parzefall (57) auch bei den Vorstellungen unterstützt. Als Orakel kommt
Gerhard Polt zum Einsatz. Dass sie den Kabarettisten als Gast gewinnen
konnten, ist ein großes Glück. Niemand hätte die Weissagungen, die dazu
führen, dass Kasperl als Umstürzler verdächtigt wird, anarchischer
balsavern können.
Dass alle anderen Figuren von Parzefall und Oehmann gesprochen werden –
Oehmann singt auch im auf Krawall gebürsteten Kinderlieder-Kollektiv „Café
Unterzucker“ mit meist unverstellter Stimme –, ist kaum zu glauben. Mit
atemberaubender Leichtigkeit verpassen sie den grandios betulichen Figuren
völlig unterschiedliche Stimmen und aufs Angenehmste die Nerven
strapazierende Sprechweisen. Das liegt wohl am vielen Kaffee.
22 Dec 2017
## AUTOREN
Sylvia Prahl
## TAGS
München
Biermösl Blosn
Kunst
München
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