Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Musik von Hans Well und seinen Kindern: Olching in Reimform
> Hans Well, Textschreiber der Biermösl Blosn, steht nun mit seinen Kindern
> auf der Bühne. Jetzt ist das Studio-Albumdebüt der Wellbappn erschienen.
Bild: Hans Well, zweiter von links, und die Wellbappn
Die Biermösl Blosn ist tot, es lebe – ja, wer denn eigentlich? Eine
mögliche Antwort sitzt hier am Esstisch in einer WG in München-Haidhausen.
Drei junge Leute in ihren Zwanzigern sind es, Sarah, Tabea und Jonas, samt
einem etwas älteren Herrn mit Schiebermütze und Nickelbrille: Hans Well.
Er ist einerseits ihr Vater und andererseits ehemaliges Mitglied besagter
Biermösl Blosn, dem Gebrüder-Trio, das in den Siebzigern und Achtzigern die
Stubnmusi aus der Spießerecke geholt und 35 Jahre lang ein Publikum mit
Volksmusik begeistert hat, das sonst größtenteils mit dem Genre recht wenig
am Hut hatte. Die Wellbappn nennen sich Hans Well und seine Kinder jetzt,
und, wenn man der Frankfurter Allgemeinen Zeitung glauben darf, sie haben
„sich mittlerweile als erfolgreiche und ernst zu nehmende Nachfolger der
Biermösl Blosn etabliert“.
Eine andere mögliche Antwort freilich geben die übrigen zwei Drittel der
Blosn: Stofferl und Michael Well haben ihren Bruder Hans nach der Trennung
durch einen anderen Bruder, den Karli, ersetzt – bei insgesamt 15
Geschwistern gibt es da ja eine gewisse Auswahl – und sind seither als die
Wellbrüder aus’m Biermoos unterwegs.
## Schrecklich nette Großfamilie
Stofferl Well behauptete erst vor wenigen Wochen in einem Interview, die
neue Formation sei „nix anderes als die Biermösl Blosn vorher, zwei Drittel
sind ja dieselben. Und die Texte haben wir immer schon miteinander
geschrieben.“ Das war nicht besonders nett, und es verwundert nicht, dass
Hans Well sich dieser Deutung nicht anschließen mag. Aber mit
innerfamiliärer Nettigkeit ist das ja immer so eine Sache. „Und diese heile
große Welly-Family, als die wir immer dargestellt wurden, hat’s in
Wirklichkeit nie gegeben“, sagt der vermeintlich ausgewechselte Hansi, „das
ist ein Märchen.“
Jetzt also die nächste Generation. Früher scherzte Hans Well gern, dass er
beschlossen habe, sich das Geld, dass er in die musikalische Ausbildung
seiner Kinder gesteckt habe, zurückzuholen – und deshalb die Wellbappn
gegründet habe. Bappn, um auch das Wortspiel schnell noch zu erklären,
bezeichnet im [1][Bairischen] das Mundwerk. Die wirkliche Genese der
Wellbappn sah freilich etwas anders aus.
Vor allem ging die Initiative, darauf legen die jungen Wells großen Wert,
von ihnen aus. Denn als die Biermösl Blosn Anfang 2012 nach längerem
Siechtum das Zeitliche segnete, stand Hans Well zunächst in außerfamiliären
Formationen auf der Bühne – zum Beispiel mit Monika Drasch vom Bairisch
Diatonischen Jodelwahnsinn und Michael von Mücke von [2][Kofelgschroa].
## Idee der Kinder
Nie, so erzählen die Kinder, wäre er auf die Idee gekommen, sie zu fragen.
„Für ihn waren wir immer nur die Kinder.“ Also fragten sie ihn: Warum
machst du das eigentlich nicht mit uns? Musikalisch hatten sie schließlich
auch etwas drauf. Tabea ist professionelle Geigerin, Sarah spielt die
Bratsche und Jonas Trompete und Kontrabass.
Wo benötigt, greifen die drei aber natürlich auch noch zu Gitarre,
Akkordeon, Saxofon, Ukulele, Baritonhorn, Mandoline, Alphorn, Cello, Tuba,
Zither, Bouzouki und Steirischer. Und das Geschäft kannten sie. „Wir haben
ja schon mit zwei, drei Jahren bei den Auftritten der [3][Biermösl Blosn]
vor der Bühne gehockt“, erzählt Sarah, und ihr Bruder Jonas ergänzt: „Wir
haben die Texte zwar nicht verstanden, aber schon auswendig gekannt.“ Also
haben sie den Vater überredet und es einfach mal ausprobiert. 2013 war das.
In einer Studentenkneipe in Augsburg. 70, 80 Leute waren da. Ein
Riesenerfolg. Seither gibt es die Wellbappn.
Vor allem an Wochenenden, denn dazwischen haben die drei auch noch anderes
zu tun. Sarah, mit 28 die älteste, arbeitet als Projektkoordinatorin bei
der Indienhilfe. Tabea, 26, hat an der Musikhochschule Volksmusik studiert
und hängt gerade noch ein Geigenstudium an. Und Jonas, 23, studiert
Politikwissenschaft und Geschichte.
Dass man sie nun mitunter als würdige Biermösl-Nachfolger tituliert, freut
sie natürlich, schließlich ist die Blosn in der neubayerischen
Kulturgeschichte noch immer eine bedeutende Größe – und ist trotzdem, wie
Tabea es ohne Umschweife formuliert, ein „Schmarrn“. „Ich finde es
unangenehm, wenn man uns vergleicht“, sagt sie, „weil das, was wir machen,
ist etwas Eigenständiges für sich.“
## Kann halt nix anderes
Aber natürlich fallen die Äpfel … und, klar, sei man geprägt worden durch
das, „was der Papa macht, weil der Papa natürlich auch die Texte von der
Biermösl Blosn geschrieben hat und weil wir damit aufgewachsen sind.“ Und
eben dieser Papa fügt – fast entschuldigend – hinzu: „Ich hab’ halt ei…
bestimmten Stil, und ich kann auch gar keinen anderen.“
Kurzum: Es ist halt doch wieder ein bisschen Biermösl Blosn, aber eben auch
wieder ganz anders, was man jetzt auf dem dritten, gerade erschienenen
Album der Wellbappn zu hören bekommt. „Didl-Dudl“ heißt sie, es ist ihr
erstes im Studio aufgenommenes Werk. Sein Themenspektrum ist klassisch
hanswellsch, es geht um den Klimawandel in all seinen Ausprägungen, vor
allem den politisch-gesellschaftlich-automobilen, es geht um
Kindesmissbrauch in der katholischen Kirche, [4][Rechtsextremismus in
Sachsen] und den digitalen Kindergarten und sogar um – horribile dictu –
Olching. Und das Ganze in Reimform.
Sicher, rudimentäre Bairisch-Kenntnisse schaden beim Genuss dieser Scheibe
nicht unbedingt. Das erste Lied etwa heißt „Hättat waarat, dadaat“ (frei
ins Norddeutsche übersetzt: „Fahrradkette“) und endet mit einem
wortspielerischen Exzess, der selbst bairischen Muttersprachlern besondere
Aufmerksamkeit abverlangt: „Aba wann a Araba am Arba arbatat, frogat a: Is
Lam a Bad?“
## Von Gstanzl bis Matrosenlied
Die Aufgabenteilung ist dabei klar: Der Papa dichtet, die Kinder
komponieren. Gstanzln, Jodellieder, Hymnen, sogar Matrosengesänge kommen
dabei heraus, zumeist aber: bayerische Volksmusik. Ein Genre, zu dem die
jungen Wells anders als ihr Vater ein unverkrampftes Verhältnis haben.
Klar, sie grenzen sich und ihre Musik von dem ab, was sie volkstümliche
Musik nennen, also dem, was die Kastelruther Spatzen und ihresgleichen von
den Dächern der Musikantenstadln dieser und angrenzender Republiken
pfeifen.
Und doch wollen auch die Wellbappn bei allem musikalischen Kabarett immer
noch unterhalten. „Ohne Unterhaltung wären wir Politiker“, sagt Hans Well,
„und das wollen wir überhaupt nicht. Wir stehen ja nicht auf der Bühne und
verkünden Wahrheiten. Wir wollen allenfalls Denkanstöße geben.“ Eigentlich,
erklärt er noch, beschreibe man nicht das, was unten rauskomme, sondern die
Ingredienzien, die der Mensch zu sich nehme. „Die muss man beschreiben.
Weil die Wahrheit, die unten rauskommt, die riecht und sieht jeder. Aber
das, was zur Scheiße führt, das ist doch viel interessanter.“ Eine
Metapher, die es verdient, dass man sie erst mal sacken lässt.
26 Dec 2019
## LINKS
[1] /100-Jahre-Freistaat-Bayern/!5544530
[2] /Neue-Volksmusik-von-Kofelgschroa/!5354812
[3] /Bayrische-Kultband-Biermoesl-Blosn/!5113286
[4] /Rechte-Szene-in-Wurzen-bei-Leipzig/!5620552
## AUTOREN
Dominik Baur
## TAGS
Biermösl Blosn
Hans Well
Wellbappn
Volksmusik
Imaginäre Folklore
München
München
## ARTIKEL ZUM THEMA
Folkmusik aus Bayern: Die Welt ist voller seltsamer Songs
In der Hochzeitskapelle frönen Markus und Micha Acher der Blasmusik.
Bratschistin Evi Keglmaier hat ein Soloalbum veröffentlicht.
Hörspiel aus München: Anarchie in Hinterwieselharing
Ein neues Hörspiel von „Dr. Döblingers geschmackvollem Kasperltheater“ aus
München ist erhältlich. Als Weissager ist diesmal Gerhard Polt mit dabei.
Musik für Kinder: Ungesüßt und unversäuert
Das Münchner Café Unterzucker belebt mit Songs für Kinder anarchische
Kasperletheatertraditionen mit neuem Pop und Jazz.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.