# taz.de -- Opposition in Italien: Neuer Stern bei den 5 Sternen | |
> Die Bewegung kürt per Internet-Votum den 31-jährigen Luigi Di Maio zum | |
> neuen Vorsitzenden. Damit ist ein Generationswechsel vollzogen. | |
Bild: Sieger der Abstimmung: Luigi Di Maio | |
Rom taz | Luigi Di Maio ist der neue Chef des italienischen Movimento 5 | |
Stelle (M5S – 5-Sterne-Bewegung). Per Internet-Abstimmung kürten ihn die | |
Mitglieder zum Spitzenkandidaten bei den nächsten Parlamentswahlen und | |
zugleich zum „Capo politico“ der Protestbewegung. | |
Es oblag dem Komiker Beppe Grillo, der vor zehn Jahren das M5S aus der | |
Taufe gehoben hatte, am Samstagabend auf dem Parteifest in Rimini ganz | |
offiziell seinen Nachfolger zu küren. Die im Protest gegen die | |
traditionellen Parteien entstandene Formation vollzieht damit einen | |
radikalen Generationenwechsel. Grillo, 69 Jahre alt, gibt das Zepter an den | |
erst 31-jährigen Vizepräsidenten des Abgeordnetenhauses ab. | |
Doch auch im Habitus könnten der Alte und Neue kaum unterschiedlicher sein. | |
Grillo fällt durch seinen wüsten, grauen Schopf auf, und seine liebste | |
Tonlage auf Kundgebungen ist das Wettern und Poltern gegen die korrupte | |
Politik in Rom. Di Maio, immer glattrasiert und in seinem stets adretten, | |
auf Figur geschneiderten grauen Anzug, zieht die leisen Töne vor. | |
Auch deshalb wurde er in den letzten Monaten von Grillo selbst systematisch | |
zum Nachfolger aufgebaut. Ein neuer Stil, der brave Bürger nicht | |
verschreckt, bei deckungsgleicher Fortsetzung der Grillo-Politik. Auf | |
diesem Weg hofft das M5S bei den spätestens im April 2018 anstehenden | |
Parlamentswahlen ein Ergebnis von über 30 Prozent zu erreichen und zur | |
stärksten Partei zu werden. | |
## „Italiener zuerst!“ | |
Dass Di Maio weit in bürgerliche und auch rechte Wählerschichten vorstoßen | |
will, machte er in den letzten Monaten deutlich. So positionierte er sich | |
eindeutig gegen die NGOs, die mit ihren Schiffen im Mittelmeer Flüchtlinge | |
retten. | |
Und so bezog er auch mit „Italiener zuerst!“-Tönen gegen die Gewährung der | |
Staatsbürgerschaft an in Italien geborene Kinder von Immigranten Stellung. | |
Zugleich schwächte er die Anti-Euro-Rhetorik des M5S ab, um Wählern die | |
Angst davor zu nehmen, ein Wahlsieg des M5S könne zum unkalkulierbaren | |
Risiko für Italien werden. | |
Einen ernst zu nehmenden Gegenkandidaten hatte Di Maio bei der Urwahl | |
nicht. Der ursprüngliche Favorit des eher linksorientierten Flügels der | |
„Orthodoxen“, Roberto Fico, trat gar nicht an. | |
Fico, der sich in direkter Polemik gegen Di Maio an die Seite der im | |
Mittelmeer aktiven NGOs gestellt und auch die Reform des Staatsbürgerrechts | |
befürwortet hatte, rechnete sich offenkundig keine Chancen aus und wollte | |
sich nicht als Zählkandidat verschleißen lassen. | |
## Keine Debatten | |
Im M5S selbst und erst recht unter externen Beobachtern wurden große | |
Zweifel an der vorgeblich basisdemokratischen Kandidatenkür laut. Di Maio | |
war am Ende der einzige ernsthafte Kandidat, gegen den in letzter Minute | |
benannte sieben Gegner antraten, alle völlig unbekannte Lokalpolitiker aus | |
der Provinz. | |
Debatten zwischen den Kandidaten, aus denen man ihre politischen | |
Vorstellungen hätte entnehmen können, gab es nicht. So war am Ende die | |
geringe Wahlbeteiligung wenig überraschend. Mit 37.000 beteiligten sich nur | |
etwa ein Viertel der etwa 140.000 registrierten Blog-Mitglieder, die | |
wahlberechtigt waren. | |
Für Kontroversen sorgte die Tatsache, dass erst unmittelbar vor dem Votum | |
dessen Inhalt neu definiert wurde: Nicht bloß der Spitzenkandidat, sondern | |
auch der Parteichef sollte gewählt werden. | |
Das ist bei den Fünf Sternen keine Kleinigkeit, der Capo politico hat fast | |
diktatorische Vollmachten. Er hat das letzte Wort bei der Aufstellung der | |
Kandidatenlisten bei den Parlamentswahlen und den Ausschlüssen von | |
Dissidenten. | |
25 Sep 2017 | |
## AUTOREN | |
Michael Braun | |
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