# taz.de -- Kommentar Martin Schulz und TV-Duelle: Frau Wagenknecht, übernehme… | |
> Merkel hat ein zweites TV-Duell mit ihrem Herausforderer abgesagt. Martin | |
> Schulz wäre dafür ohnehin die falsche Wahl gewesen. | |
Bild: Martin Schulz und Angela Merkel: Nebeneinander nur noch auf Bildern, nich… | |
Ganz schön dreist: Erst vergeigt Martin Schulz grandios sein TV-Duell mit | |
Angela Merkel – und [1][dann fordert er großmäulig eine Wiederholung]. Das | |
könnte man für mutig halten. Oder für masochistisch. Beides wäre falsch. | |
Schließlich wusste der SPD-Kanzlerkandidat von vornherein, dass sich die | |
Kanzlerin darauf nicht einlassen würde. Warum auch? Schulz ging also, wie | |
gewohnt, kein Risiko ein. Es ist einfach nur ein Wahlkampfgag. Entsprechend | |
gespielt wirkt jetzt die Empörung über Merkels Absage. Was man halt so | |
macht, um Gratisapplaus auf Wahlkampfveranstaltungen zu erhaschen. | |
Der Haken: Die Forderung von Schulz nach einem zweiten TV-Duell mit Merkel | |
ist nicht nur wohlfeil, sondern grundsätzlich falsch. Denn | |
demokratietheoretisch war schon der erste gemeinsame Fernsehauftritt | |
problematisch. Was ist da am 3. September geschehen? | |
Da haben sich die öffentlich-rechtlichen ARD und ZDF mit der privaten | |
Konkurrenz von RTL und SAT.1 freiwillig für 90 Minuten zu einer Art | |
Staatssender zusammengeschlossen, um parallel live und in Farbe die | |
Vorsitzende der einen Regierungspartei mit dem Vorsitzenden der anderen | |
sprechen zu lassen – unter Ausschluss jeglicher oppositionellen Stimmen. | |
Wie würden wir wohl ein solches Vorgehen in anderen Ländern bezeichnen? | |
Ganz böse gesprochen: als gleichgeschaltete Regierungspropaganda. Und das | |
war es ja auch. Eine Sternstunde der Demokratie sieht anders aus. | |
Im Frühjahr dieses Jahres hat es ein kleines Zeitfenster gegeben, in der | |
ein solches TV-Duell zwischen den beiden Koalitionspartnern trotzdem seine | |
Berechtigung gehabt hätte. Das war die Zeit, in der die Umfragewerte für | |
die SPD in die Höhe schnellten, weil Martin Schulz den Eindruck | |
vermittelte, er und seine Partei wollten wirklich einen Macht- und | |
Politikwechsel. Doch das währte nicht lange. | |
Bereits zu Beginn dieses kurzzeitigen Schulz-Hypes warnte Matthias Jung von | |
der Forschungsgruppe Wahlen [2][im taz-Interview]: „Wenn Martin Schulz | |
Kanzler werden will, wird die SPD Rot-Rot-Grün als realistische Option in | |
den Blick nehmen müssen.“ Tatsächlich hätte seine Kanzlerkandidatur nur | |
dann den Hauch einer Chance gehabt, wenn er bereit dazu gewesen wäre, | |
keinen Zweifel aufkommen zu lassen, dass die SPD nicht letztlich doch nur | |
wieder in der Großen Koalition mit einer Unionskanzlerin landet. Genau dazu | |
war Schulz jedoch nicht bereit. | |
Ein rot-rot-grüner Lagerwahlkampf wäre ein Risiko für die SPD gewesen, aber | |
gleichzeitig ihre einzig realistische Chance. Schulz hat nicht einmal | |
versucht, sie zu nutzen. Damit gibt es allerdings auch keine Rechtfertigung | |
mehr für ein alleiniges TV-Duell von ihm mit Merkel. Aufgrund seiner | |
fehlenden Risikobereitschaft ist er eben kein Herausforderer, sondern nur | |
noch ein Herausforderer-Darsteller. Schon länger wirkt es nur noch | |
lächerlich, wenn Schulz so tut, als glaube er ernsthaft weiterhin selbst | |
daran, noch Bundeskanzler werden zu können. | |
## Das „Duell“ war eher eine Duett | |
Was folgt daraus? Wenn schon ein TV-Duell, dann wäre ein anderes | |
angemessen. Denn Demokratie lebt von Alternativen. Es ist eigentlich ganz | |
einfach: In der jetzt zu Ende gehenden Legislaturperiode gab es zwei | |
Parteien, die in Opposition zur Regierung von Angela Merkel standen – die | |
SPD gehörte bekanntlich nicht dazu. Weil sie bei vergangenen Wahl etwas | |
mehr Stimmen als die Grünen bekam, durfte die Linkspartei für sich in | |
Anspruch nehmen, die Oppositionsführerin zu sein – und das war sie auch | |
tatsächlich. Alleine deswegen schon wäre die | |
Linkspartei-Fraktionsvorsitzende Sahra Wagenknecht der weitaus bessere | |
Widerpart – und zwar ganz unabhängig davon, wie man im Einzelnen zu ihren | |
inhaltlichen Positionen steht. | |
Egal wie man die Linkspartei und ihre Spitzenkandidatin beurteilt: Sie | |
repräsentiert eine wirkliche politische Alternative. Denn anders als Schulz | |
hat Wagenknecht ausgeschlossen, Merkel erneut zur Kanzlerin zu wählen. Es | |
ist ebenso davon auszugehen, dass es sowohl Merkel als auch Wagenknecht mit | |
dem gegenseitigen Ausschluss einer Koalition ihrer beiden Parteien ernst | |
meinen. Sie sind die Antipoden. Wagenknecht dürfte für Merkel die | |
Herausforderung sein, die Schulz nicht ist. Auch intellektuell. | |
Das „Duell“ von Merkel und Schulz erinnerte eher an ein Duett. Diese Gefahr | |
hätte bei einer gemeinsamen Fernsehrunde von Merkel und Wagenknecht nicht | |
bestanden. Man muss weder Sympathisant der einen noch der anderen sein, um | |
eine Diskussion zwischen diesen beiden so unterschiedlichen Frauen schlicht | |
spannend zu finden. | |
Der Demokratie in der Bundesrepublik würde diese Konfrontation jedenfalls | |
gut anstehen. Dann ließe sich auch nichts mehr dagegen einwenden, wenn ARD, | |
ZDF, RTL und SAT.1 gleichzeitig dieses Event übertrugen. Die | |
Einschaltquoten dürften bei so einem Duell sicherlich nichts zu wünschen | |
übriglassen – für keinen der Sender. Noch ist mehr als eine Woche Zeit bis | |
zur Bundestagswahl: Traut euch, öffentlich-rechtliche und private Sender! | |
Trauen Sie sich, Frau Merkel! Frau Wagenknecht stünde bestimmt sofort | |
bereit. | |
Und was wird mit dem SPD-Kanzlerkandidaten? Kein Problem: Vor oder nach dem | |
Merkel-Wagenknecht-Duell gibt es am besten noch eine weitere – | |
selbstverständlich ebenfalls von allen großen Fernsehsendern übertragene – | |
TV-Runde. In der darf dann Martin Schulz mit Cem Özdemir und Christian | |
Lindner darüber streiten, wer der bessere Juniorpartner der Union ist. Was | |
ganz bestimmt auch nicht ganz uninteressant wäre. | |
14 Sep 2017 | |
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## AUTOREN | |
Pascal Beucker | |
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