# taz.de -- Wegen Zensus verliert Hamburg Mandate: Weniger Hamburg in Berlin | |
> Hamburg verliert einen Abgeordneten, weil der Bund mit niedrigen | |
> Einwohnerzahlen hantiert. Verfassungsgericht verhandelt das im Oktober. | |
Bild: EinE einsamer Hamburger*in darf leider nicht in den Bundestag | |
Hamburg taz | Hamburg wächst – aber der Bund will das nicht glauben. Bei | |
der Bundestagswahl am Sonntag soll die Hansestadt eines ihrer zurzeit 13 | |
Mandate im Berliner Reichstag verlieren, weil das Bundeswahlamt mit | |
veralteten und zu niedrigen Einwohnerzahlen rechnet – mit denen vom 31. Mai | |
2016. Und selbst die beruhen auf fragwürdigen Schätzungen: Am 24. Oktober | |
will das Bundesverfassungsgericht über eine Klage von Hamburg und Berlin | |
verhandeln, die sich bei der Berechnung ihrer Einwohnerzahlen kleingemacht | |
fühlen – und deshalb bereits mehrere Hundert Millionen Euro beim | |
Länderfinanzausgleich verloren haben. | |
Berechnungsgrundlage für den Bund ist der Zensus von 2011, dessen | |
Ergebnisse seitdem von den Statistikern fortgeschrieben werden. Danach | |
wohnten in der Hansestadt Ende Mai vorigen Jahres 1.524.458 Menschen mit | |
deutscher Staatsangehörigkeit, Babys, Kinder und Jugendliche eingerechnet. | |
Neuere Zahlen liegen dem Bundeswahlamt nicht vor. Danach hat die Zahl der | |
Deutschen in der Hansestadt im Vergleich zur Bundestagswahl 2013 um etwa | |
35.237 abgenommen. Und schon verliert Hamburg bei der Verteilung der 598 | |
Mandate im Bundestag auf die Länder einen Sitz, ausgerechnet an Bayern. | |
Nach Angaben des Hamburger Landeswahlamts indes wurden Benachrichtigungen | |
an 1.296.548 Wahlberechtigte verschickt, das sind 12.630 Menschen mehr als | |
vor vier Jahren. Die Einwohnerzahl wird mit 1,86 Millionen am Jahresende | |
2016 angegeben. Abzüglich der 309.944 nicht wahlberechtigten Einwohner ohne | |
deutschen Pass hätte die deutsche Bevölkerung somit um fast 30.000 Personen | |
zugenommen, nicht um rund 35.000 abgenommen. Und diese Differenz schmälert | |
Hamburgs Einfluss im Bund. | |
Dagegen sei zunächst nichts zu machen, lautet die Einschätzung im Rathaus. | |
Sollte aber das Bundesverfassungsgericht der Klage von Hamburg und Berlin | |
stattgeben, beide im Länderfinanzausgleich besser stellen und ihre | |
Einwohnerzahl nach oben korrigieren, „dann müsste man eine | |
Wahlprüfungsbeschwerde überlegen“, sagt Farid Müller, Verfassungspolitiker | |
der Grünen. Eine Anfechtung der Mandatsverteilung im Bundestag wäre die | |
Konsequenz. | |
An deren Legitimität indes zweifelt der rot-grüne Senat. Nach dem | |
Wahlprüfungsgesetz gehörten „weder Hamburg als Bundesland noch die | |
Staatsorgane Senat und Bürgerschaft zum Kreis der | |
Wahlanfechtungsberechtigten“, teilte Senatssprecher Sebastian Schaffer mit. | |
„Hamburg ist daher rechtlich nicht in der Lage, die Bundestagswahl | |
anzufechten.“ Und somit den Rechenkünsten des Bundeswahlamts offenbar | |
hilflos ausgesetzt. | |
22 Sep 2017 | |
## AUTOREN | |
Sven-Michael Veit | |
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