# taz.de -- Online-Befragung zum Zensus: Mit Sicherheit unsicher | |
> Der Staat betont, beim Zensus 2011 alles im Griff zu haben - die Daten | |
> seien bestens geschützt. Online ist bereits die erste Sicherheitslücke | |
> aufgetaucht. | |
Bild: Übersicht und Sicherheit sind nicht dasselbe: Zensusfragen am Bildschirm. | |
BERLIN taz | Gefälschte Fragebögen zur Volkszählung gab es schon. Deshalb | |
finden die BürgerInnen, die sich ab dem 9. Mai zählen lassen wollen, | |
[1][auf der offiziellen Website] Muster-Fragebögen, um sich vergewissen zu | |
können, ob sie etwas über ihre sexuellen Vorlieben (nein) oder über die | |
jeweils bevorzugte Art und Weise, höhere Wesen zu verehren (freiwillig), | |
verraten müssen oder nicht. | |
Aber kann man sich gewiss sein, dass die richtigen Leute die Daten | |
abgreifen, die man dort online eingibt? Jan Schejbal, deutscher Computer- | |
und Sicherheitsexperte mit Wohnsitz in Schweden, [2][hat jetzt | |
nachgewiesen], dass die Website zur Volkszählung schwer wiegende Mängel | |
hat. Von ausreichender Sicherheit kann nicht die Rede sein. | |
Personen mit genügend krimineller Energie könnte die online abgegebenen | |
Daten abgreifen, wenn bestimmte Voraussetzungen vorliegen. Sogar die | |
Software für einen Angriff per Internet existiert schon. Die Daten im World | |
Wide Web, dem populärsten Dienst im Internet, werden durch das Hypertext | |
Transfer Protocol (http) gesteuert. Das ist eine genormte Technik, Daten so | |
zu übertragen, dass sie weder verfälscht werden noch verloren gehen. Die | |
Website, die man mit dem Browser ansurft, identifiziert sich in einer Art | |
Frage-und-Antwort-Spiel, vom dem die Nutzer nichts merken und das auch nur | |
Millisekunden dauert. | |
Nichts hindert Kriminelle aber daran, seriöse Websites einfach zu imitieren | |
und die Daten ahnungsloser Nutzer, die sich etwa auf der Internet-Präsenz | |
ihrer Hausbank wähnen, zu stehlen. Um das zu vermeiden, ist das Hypertext | |
Transfer Protocol Secure (https) erfunden worden - eine sicherere Variante | |
des WWW-Protokolls. Einige wichtige Daten werden zusätzlich verschlüsselt. | |
Https verhält sich zu http wie ein Brief zu einer Postkarte. | |
## „SSLstrip - HTTPS Stripping Attack Tool“ | |
Genau hier setzt aber [3][die Software SSLstrip] des kalifornischen Hackers | |
und Profi-Seglers Moxie Marlinspike an. Jan Schejbal benutzte das „SSLstrip | |
- HTTPS Stripping Attack Tool“, um zu überpüfen, ob man die Sicherheit der | |
Volkszählungs-Website aushebeln kann. Ja, man kann, wenn man den Zugriff | |
auf die Datenströme hat. In Frage kommen etwa EDV-Verantwortliche einer | |
Firma mit einem eigenen Intranet oder diejenigen, die Domain Name Server | |
warten, Rechner, die als „Dolmetscher“ die Adresse eine Computers in | |
Buchstabenform in Zahlen - die so genannte IP-Adresse - übersetzen. | |
Besonders gefährlich in diesem Fall wäre ein kostenloser WLAN-Zugang: | |
Jeder, der einen solchen anbietet, etwa der Betreiber eines Cafés, könnte | |
die Nutzer bei der Volkszählung online ausspionieren. Der Datendiebstahl | |
gelänge, wenn die Nutzer von einer unverschlüsselten Website auf eine | |
weitergeleitet werden, die das Hypertext Transfer Protocol Secure benutzt. | |
Genau das geschieht auf zensus2011.de. | |
Der Angreifer kann SSLstrip benutzen, um den Surfern, die ihre sensible | |
Daten online eingeben wollen, vorzugaukeln, ihre Verbindung sei sicher. In | |
Wahrheit wird alles mitgelesen. Das funktioniert selbst dann, wenn die | |
Nutzer mit ihrem Computer und der Software verantwortlich umgehen - also | |
ganz ohne Schadsoftware. Jan Schejbal sagte der taz, die Verantwortlichen | |
des Zensus2011.de hätten sich offenbar beim Thema Sicherheit nicht viel | |
Mühe gegeben. | |
Vermutlich sei man davon ausgegangen, dass Computer- und Internet-Laien das | |
sichere https und das weniger sichere Protokoll http ohnehin nicht | |
unterscheiden könnten und das „s“ bei der Eingabe einfach wegließen. | |
Deshalb habe man bei den papiernen Volkszählungs-Fragebögen auf eine | |
sichere Lösung verzichtet. | |
## Wer ist mein Administrator? | |
Die Website der Volkszählung hat zwar eine barrierfreie Version, verlangt | |
aber dennoch, die Sicherheitseinstellungen des Browsers teilweise zu | |
deaktivieren. Wer aktive Inhalte, die potenziell schädlich sein könnten, | |
verbietet, wird aufgefordert: „Bitte überprüfen Sie Ihre | |
Sicherheitseinstellungen oder wenden Sie sich an Ihren Administrator.“ | |
Nicht jeder wird wissen, wer sein „Administrator“ ist. | |
Warum man als Browser den Internet-Explorer oder Firefox nutzen muss und | |
keinen anderen, wird auch nicht erläutert - als baute man eine Straße, die | |
nur für bestimmte Autotypen zugelassen ist. Beim Zensus2011.de scheint sich | |
eine Redensart unter Geeks und Nerds zu bewahrheiten: Webdesigner haben zum | |
Thema Sicherheit ein Verhältnis wie Klaus Störtebeker zum Handelsrecht. | |
10 May 2011 | |
## LINKS | |
[1] http://www.zensus2011.de/ | |
[2] http://janschejbal.wordpress.com/2011/05/07/volkszahlung-online-ubermittlun… | |
[3] http://www.thoughtcrime.org/software/sslstrip/ | |
## AUTOREN | |
Burkhard Schröder | |
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