# taz.de -- Wahlbetrugsvorwürfe gegen AfD Bremen: Anzeige ist raus | |
> Vor allem gegen sich selbst ist die AfD Bremen sehr klagelustig. Mehrere | |
> Mitglieder zeigten sich gegenseitig an – auch wegen Wahlbetrugs und | |
> Körperverletzung. | |
Bild: Viele kaputte Flaschen sind noch keine Partei. Die AfD schon | |
BREMEN taz | Während die SpitzenkandidatInnen der AfD mit rassistischen | |
E-Mails und geschichtsklitternden Reden ihre Partei inhaltlich weiter | |
demaskieren, zeigt ihr Bremer Landesverband, dass man auch im Kleinen | |
undemokratisch sein kann. Seit Jahren werden parteiintern Kleinkriege | |
ausgetragen. Gleich mehrere AfD-Mitglieder klagten gegen ihre Partei: Die | |
taz berichtete bereits über ein [1][Verfahren wegen eines geplatzten | |
Mietvertrages] vor dem Amtsgericht Blumenthal. Nun liegen der taz Dokumente | |
vor, die zahlreiche weitere Streitigkeiten belegen. | |
Allein ein Mitglied aus Bremen-Nord, Michael Krieger, stellte mehrfach | |
Strafanzeige gegen ParteikollegInnen wie etwa den Bürgerschaftsabgeordneten | |
Alexander Tassis (AfD). Der wiederum zeigte Krieger an. Mehrere | |
Ermittlungsverfahren bei der Staatsanwaltschaft wegen Körperverletzung und | |
weiterem sind zwar inzwischen eingestellt. Aber die Auseinandersetzung | |
zwischen den Beteiligten ging parteiintern weiter: Dabei geht es auch um | |
Vorwürfe wie Wahl- und Urkundenfälschung sowie Verleumdung. | |
Krieger besteht unter anderem darauf, beim Landesparteitag im November 2014 | |
als Kandidat für den Beirat Vegesack gewählt worden zu sein. Im Protokoll | |
der Veranstaltung ist jedoch festgehalten, dass er als Kandidat für den | |
Beirat Burglesum aufgestellt wurde. Eine Fälschung, behauptet Krieger. | |
Alles rechtmäßig, sagt Alexander Tassis, der damals als Vorstandsmitglied | |
verantwortlich war. | |
„Die Prüfung, ob parteiinterne Protokolle fehlerhaft sind, ist nicht | |
Aufgabe des Wahlbereichsausschusses“, teilt Carola Jansen vom Wahlamt mit, | |
das sich 2015 ausführlich mit dem Fall befasste. Das Wahlamt strich Krieger | |
letztlich von der Liste, weil für Burglesum seine Zustimmungserklärung | |
fehlte. | |
## Parteiausschluss für Transparenz | |
Krieger focht daraufhin parteiintern die Wahl an. Er schickte ein | |
26-seitiges Schreiben herum, dem er 19 Dokumente als Belege anfügte. Es | |
beinhaltet Fotos von Umschlägen mit Stimmzetteln, E-Mail-Wechsel, | |
Vorstandsprotokolle, sogar eine Versicherung an Eides statt, dass er für | |
Vegesack gewählt wurde. Der Landesvorstand der AfD Bremen überzog ihn | |
daraufhin mit einem Parteiausschlussverfahren. | |
Anwaltlich erzwingt Krieger unter anderem die Öffnung der Wahlunterlagen | |
des umstrittenen Parteitags. Auch Tassis ist anwesend. Ebenso Krieger sowie | |
dessen damaliger Rechtsanwalt Reich. Festgehalten ist der Vorgang in einem | |
Protokoll. Darin steht: „Alle Umschläge sind braun, der Umschlag für | |
Vegesack ist weiß.“ Die entscheidenden Umschläge, jene für Vegesack und | |
Burglesum, sind „geöffnet und nicht ordnungsgemäß zugeklebt“. | |
Die Öffnung ergibt, dass Krieger für Vegesack gewählt wurde und nicht für | |
Burglesum. Danach muss die offizielle Darstellung vom Landesparteitag | |
falsch sein, ebenso die Wahlvorschläge des Parteivorstands an das Wahlamt | |
nebst der Versicherung an Eides statt der AfD-Verantwortlichen. | |
Umso erstaunlicher: Die geöffneten Wahlunterlagen hatten sich zuvor mehrere | |
Wochen im Besitz von Tassis befunden. Es gibt sogar ein weiteres | |
Übergabeprotokoll, das die Rückgabe der Wahlunterlagen durch Tassis nebst | |
deren Ergebnis festhielt, darunter Tassis’ Unterschrift. | |
## Handgreiflichkeiten um die Aktentasche | |
Nach der Unterzeichnung dieser Unterlagen soll es sogar zu einer | |
körperlichen Auseinandersetzung zwischen Tassis, Krieger und dem damaligen | |
Schatzmeister gekommen sein. Letztere waren bei Tassis zu Hause, um sich | |
dessen Unterschrift für das Übergabeprotokoll der Wahlunterlagen geben zu | |
lassen. | |
Der genaue Ablauf ist strittig: Nach der Unterschrift rangeln die drei wohl | |
um eine Aktentasche. Es folgen gegenseitige Anzeigen wegen Körperverletzung | |
und Raubüberfalls. Die staatsanwaltlichen Ermittlungen wurden später wegen | |
Geringfügigkeit wieder eingestellt, wie Oberstaatsanwalt Frank Passade der | |
taz sagt. | |
Krieger, auf den Konflikt und seine Klagen angesprochen, sagt: „Ich bleibe | |
so lange AfD-Mitglied, bis die anhängigen innerparteilichen, | |
zivilrechtlichen und strafrechtlichen Verfahren gegen die AfD entschieden | |
worden sind.“ Die AfD trete „das demokratische Recht brutal mit Füßen“, | |
weil sie mit einem seit über zwei Jahren anhängigen | |
AfD-Schiedsgerichtsverfahren „die Willkür innerparteilicher | |
Schiedsgerichtsverfahren zu verschleiern“ versuche. | |
Die Gewalt sei von Tassis ausgegangen, so Krieger. Er habe eingegriffen, | |
damit er sich nicht den Vorwurf der unterlassenen Hilfeleistung gefallen | |
lassen musste: „Alexander Tassis hat mit seinen 45 Jahren einen 75-Jährigen | |
überfallen, der am Herzen operiert ist.“ | |
Tassis wiederum hat von der Rangelei eine andere Version: „Die wollten noch | |
vieles anderes unterschrieben haben.“ Infolge sei eine Auseinandersetzung | |
entbrannt, die Herr Krieger „sehr exaltiert“ geführt habe. Tassis habe eine | |
Wunde am Hals davongetragen. „Krieger behauptete unter anderem, die | |
Halswunde hätte ich mir angeschminkt, weil ich als Homosexueller so etwas | |
gerne tue.“ Herr Krieger sei eben „Berufsquerulant, der seit zwei Jahren | |
nichts anderes macht, als uns Ärger zu machen“. | |
Aber das können dann ja die Anwälte klären. | |
20 Sep 2017 | |
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[1] /AfD-Bremen-droht-Zwangsvollstreckung/!5442766 | |
## AUTOREN | |
Gareth Joswig | |
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