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# taz.de -- SPD-Familienministerin im Wahlkampf: Das Lächeln der Katarina B.
> Katarina Barley wurde Familienministerin wider Willen. Auf Wahltour mit
> einer, deren Vorgängerin alles abgeräumt hat.
Bild: Sie nennt es Sommertour, doch es ist knallharter Wahlkampf
BERLIN/HALLE/ERFURT taz | Sie weiß es nicht. Das sagt Katarina Barley pur
und unverstellt: „Ich habe wirklich keine Ahnung, was ich dann mache.“ Die
SPD-Frau und Familienministerin lacht, streift ihre blauen Pumps ab und
schwingt ihre Beine auf den Ledersitz eines schwarzen Kleinbusses, mit dem
sie in diesen Wochen unterwegs ist. Sie sagt: „Ich gehe immer vom Positiven
aus.“
Das Positive, das wäre in diesem Fall eine weitere Auflage der Großen
Koalition aus Union und SPD. Und sie, Barley, würde Familienministerin
bleiben. Gut möglich, dass das passiert nach dem 24. September, wenn das
Land einen neuen Bundestag gewählt hat. Es könnte aber auch ganz anders
kommen, wenn sich die Union mit der FDP zusammentut. Oder mit der FDP und
den Grünen. Wie auch immer, die SPD wäre raus der Regierung – und damit
auch die Ministerin. Was macht Barley dann?
Darüber denkt die 48-Jährige jetzt nicht nach. Das „Positive“, das geht ja
anders.
„Wir brauchen noch einen Müllbeutel“, sagt sie und klemmt eine Plastiktüte
unter den Autositz. „Ein bisschen Zeltplatzfeeling muss schon sein.“ In
einem ärmellosen weißen Kleid hockt sie mit angezogenen Beinen auf dem Sitz
und knabbert an einem Schokokuchen. Vormittags, sagt sie, muss immer genug
zu essen da sein. Dann läuft das. Und schon lacht sie wieder.
Barley und der Optimismus, das scheint ein Paar zu sein wie Pat und
Patachon, Dick und Doof, Blom und Donner-Karlsson. Das erleben derzeit
viele Menschen, die die Familienministerin überall im Land trifft. In
Unternehmen, Krankenhäusern, Kitas, in Gründerinnenzentren und
Mehrgenerationenhäusern.
## „Die hat ja gute Laune“
Im politischen Berlin kennt man die 48-Jährige, Deutsch-Britin, Juristin,
geschieden, Mutter zweier Söhne – und SPD-Blitzaufsteigerin: seit 2013 im
Bundestag, Ende 2015 Generalsekretärin ihrer Partei, und nun, seit Juni
dieses Jahres, Familienministerin. Bis tief in die Republik aber, in die
Provinz, hat sich der Name Barley nicht unbedingt herumgesprochen.
Deshalb stellt sie sich in diesen Wochen den Leuten vor, in Sachsen-Anhalt,
in Thüringen, Hessen, Rheinland-Pfalz. Sie nennt es Sommertour, aber es ist
knallharter Wahlkampf, sie will Ministerin bleiben. Sie erzählt den
Menschen, was sie vorhat, wenn die SPD weiter regiert. Sie preist die
Familienarbeitszeit, mit der die SPD Müttern und Vätern die Kombination aus
Job und Familie erleichtern will. Sie ärgert sich laut über ungleiche Löhne
zwischen Frauen und Männern und widmet sich den Sorgen Alleinerziehender.
„Ich mache das wahnsinnig gern“, sagt sie. Und strahlt.
Später, in der Uniklinik in Halle in Sachsen-Anhalt, steht Barley in einem
lichtdurchfluteten Raum. Einer der modernsten Kreissäle des Landes, wie die
Familienhebamme Katja Schumann sagt. Die 51-Jährige hilft Eltern, die viele
Kinder haben oder soziale oder finanzielle Sorgen. Familien wie die M.s,
die vor drei Wochen ihr achtes Kind bekommen haben. Jetzt hat die Mutter
ihr siebtes Kind auf dem Schoß, die eineinhalbjährige Emma. Barley schraubt
einen bunten Behälter mit Seifenblasen auf und bläst der kleinen Emma ein
paar davon ins Gesicht. Die patscht mit ihren Händchen nach den
schillernden Blasen und gickert. „Keine Ahnung, ob das hygienisch ist“,
sagt Ministerin Barley. „Geht so“, sagt Hebamme Schumann.
„Die hat ja gute Laune“, sagt ein Mann. So ist das mit Barley. Überall, wo
sie hinkommt, sagen die Leute Sätze wie: „Mann, ist die nett“, oder: „So
eine freundliche Politikerin haben wir schon lange nicht erlebt.“
Optimismus kann Barley.
## Hubertus Heil bescheinigte man mehr Beißreflexe
Das sagt man auch in der SPD, ganz ohne PR-Absicht. „Super umgänglich“ sei
sie, „authentisch, heiter, ungekünstelt“. Selbst aus der Opposition kommen
wohlwollende Worte. „Sie spielt nichts, sondern ist sie selbst, an der
Sache orientiert und hat immer den Menschen im Blick“, sagt die Linke
Halina Wawzyniak, die nach acht Jahren jetzt den Bundestag verlässt. Ulle
Schauws, frauenpolitische Sprecherin der Grünen-Bundestagsfraktion, findet
Barley „sympathisch, aufgeschlossen und echt“.
Authentizität und Frohsinn, Eigenschaften, die bei WählerInnen ankommen,
reichen bei der SPD aber offensichtlich nicht aus, um nicht unvermittelt
von Posten geschubst zu werden. Bei Barley war es der der
Generalsekretärin. Eineinhalb Jahre lang, von Ende 2015 bis Juni 2017, hat
sie die Partei gemanagt, hat Landtagswahlen koordiniert und den
Sozialdemokraten ein heiteres Gesicht gegeben.
Doch dann wurde Barleys Vorgängerin Manuela Schwesig in ihrem Heimatland
Mecklenburg-Vorpommern Ministerpräsidentin – und es musste eine neue
Familienministerin her. Rasch hieß es in der SPD, Barley solle das machen,
die Parteispitze war nicht zufrieden mit ihr. Zu lasch sei sie, nicht
angriffslustig genug, so was. Barley wollte nicht, der Job als
Generalsekretärin gefiel ihr gut. Aber das war der Parteispitze egal, die
Frau musste einem Mann weichen, jetzt ist Hubertus Heil Generalsekretär.
Dem bescheinigt man mehr Beißreflexe.
## Eine schwierige Nachfolge
Bei den Sozialdemokraten ist es kein Geheimnis, dass Barley mit dieser
Personalrochade todunglücklich war. Heute aber lächelt sie das weg und lobt
den „Hubi“ in höchsten Tönen. Dass der das Amt perfekt ausfülle und ein
super Nachfolger für sie sei. Angesichts des desaströsen TV-Duells zwischen
Kanzlerin Angela Merkel und ihrem SPD-Herausforderer Martin Schulz darf man
das bezweifeln. Aber Parteiräson ist eben Parteiräson.
Nun, als Familienministerin, steckt Barley in einem weiteren Dilemma:
Überall, wo sie hinkommt, bei allem, was sie macht, steht jetzt zwar Barley
drauf, aber ist nicht Barley drin.
Sie ist erst seit dreieinhalb Monaten Ministerin, ihre Vorgängerin Schwesig
hat als Frauen- und Familienministerin alles abgeräumt, was abzuräumen war
in den vergangenen Jahren: Frauenquote, den Passus „Nein heißt Nein“ im
Sexualstrafrecht, Prostituiertenschutzgesetz, ausgeweiterter
Unterhaltsvorschuss, Entgelttransparenzgesetz, Elterngeld Plus. Barley weiß
das, sie sagt: „Man kann ja nicht so viel machen in vier Monaten.“
Da ist es vielleicht ganz gut, dass Mütter aus Syrien, Afghanistan und
Albanien, die Barley in Erfurt trifft, von der Ministerin wissen wollen,
wie man die eigenen Männer dazu bringt, mehr im Haushalt zu machen. Barley
lacht – was sonst – und schlägt vor: „Man kann das gut zusammen machen,
einer spült, der andere trocknet ab. Dabei kann man sich gut unterhalten.“
Und schiebt hinterher, dass sie über ein Programm nachdenken könnte, das
Männern zeigt, „dass es Spaß macht, sich um Haushalt und Kinder zu
kümmern.“
## Wie finanziert man so ein Leben?
Die geflüchteten Frauen, die sich in Erfurt zur Altenpflegerin,
Sozialbetreuerin, Schulbegleiterin ausbilden lassen, haben noch ein anderes
Anliegen: Sie würden gern einen Führerschein machen, in Persisch. Menschen
mit Migrationshintergrund, die hierzulande Auto fahren lernen, können das
in Englisch tun, in Russisch, Arabisch, Türkisch. Aber eben nicht in
Persisch. „Ein Problem“, sagt Barley. Sie wirkt erschöpft, der Tag war
lang. Doch dann lächelt sie und wendet sich den Frauen zu: „Geben Sie mir
mal Ihre E-Mail-Adressen, ich frage beim Verkehrsminister nach.“
Später, zurück im Kleinbus, wird sie erzählen, wie beeindruckend und
zuversichtlich sie die migrantischen Mütter fand. Frauen mit einem
sinnbildlichen „Rucksack“, der eine Last ist, den sie aber tragen.
Das Bild gefällt ihr. Das hat auch was mit ihrem eigenen Leben zu tun. Als
sich Barley und ihr Mann trennten, stand sie plötzlich allein da mit den
beiden Söhnen und einer halben Stelle. Wie finanziert man so ein Leben? Wie
kriegt man es hin, als Paar getrennt zu sein, aber gemeinsam Eltern zu
bleiben?
## Wenig Anerkennung
Darüber denkt Barley gerade intensiver nach. Immer mehr Eltern trennen sich
und müssen den Umgang mit den Kindern regeln. Manche kriegen das hin,
andere nicht. „Es müsste mehr Beratungsangebote für Eltern geben, die dabei
sind, sich zu trennen“, sagt sie.
Wie aber will man streitenden ExpartnerInnen erklären, dass sie sich
vertragen sollen, um ihre Kinder zu schützen? Schwierig, das weiß Barley.
Noch komplizierter wird es, wenn Gewalt im Spiel ist, derzeit sorgt das
Umgangsrecht dafür, dass viele Gewalttäter trotzdem ihre Kinder treffen
können. Das kann gefährlich sein für die Mütter. Und für die Kinder.
Seit die SPD-Bundestagsfraktion beschlossen hat, das Wechselmodell zu
pushen, jene Idee, bei der Kinder getrennter Eltern gleichermaßen zwischen
Mutter und Vater pendeln, tobt ein Kampf auf Barleys Facebook-Seite. Mal
ist sie die „Väteraktivistin“, dann wieder die „Mütterlobbyistin“, je…
Sichtweise. Schwesig habe sie gewarnt, das Thema anzufassen, sagt Barley.
Zu viel Sprengkraft, zu wenig Anerkennung.
Barley hält sich nicht an den Rat. „Das Thema ist völlig unter dem Radar.
Das muss man ändern“, sagt sie. Und lacht.
6 Sep 2017
## AUTOREN
Simone Schmollack
## TAGS
Schwerpunkt Bundestagswahl 2025
SPD
Manuela Schwesig
Katarina Barley
Katarina Barley
Privatschule
Schwerpunkt Bundestagswahl 2025
Martin Schulz
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