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# taz.de -- Skurriles Video zur Bundestagswahl: Auf verlorenem Posten
> Melda Hund tritt auf Listenplatz 17 einer Ein-Themen-Partei in
> Nordrhein-Westfalen zur Bundestagswahl an. Sie will aber gar nicht
> gewählt werden.
Bild: Melda Hund möchte hier gar keinen Sitz erhalten
BERLIN taz | Ihre Bücher haben das Zeug, echte Leckerbissen zu werden. „Ich
arbeite“, sagt Melda Hundt, „an ungefähr 14 Themengebieten zur Zeit und
einige davon werden auch Bücher.“
Was die Bundestagskandidatin (23) aus Reichshof-Eckenhagen vorschlägt, ist
eine wirkliche Alternative: Sich selbst. Das gute daran ist: Man kann Melda
Hund quasi bekommen, ohne sie wählen zu müssen. Und man muss sie nicht erst
verstehen, um sie lieben zu dürfen.
Es wäre auch relativ aussichtslos, Melda Hund zu wählen. Denn mit dem
Listenplatz 17 auf der nordrhein-westfälischen Landesliste der
Grundeinkommenspartei (BEG) würde die 23-Jährige („Ich verabschiede mich
vorläufig aus der Politik“) ja auch dann kein Bundestagsmandat erhalten,
wenn sie überhaupt wollte.
Und so ist die Bundestagskandidatin eine der wenigen in der Republik, die
offen bekundet: „Ich möchte gar nicht mehr in den Bundestag gewählt
werden.“ Es gibt jedoch einen Unterschied zu Spaßparteien wie der
„[1][Partei]“, die für sich offen reklamiert, von morgens bis abends Unsinn
erzählen zu dürfen: Melda Hund tritt für die [2][Grundeinkommenspartei] an,
die die Hartz-IV-Sanktionen abschaffen und im Parlament für das
Bedingungslose Grundeinkommen kämpfen will.
Die Idee eines Bedingungslosen Grundeinkommens wird parteiübergreifend von
durchaus vielen Menschen unterstützt und findet sowohl in der Linkspartei
bis hinein in die FDP Anhänger. Deshalb war es in der Szene auch
umstritten, ob eine aussichtslose Ein-Themen-Partei dem Anliegen wohl er
schadet oder wirklich nützt.
Weil der Westdeutsche Rundfunk [3][auf dieser Seite] einen wirklich
großartigen „Kandidatencheck“ anbietet, bei dem nahezu sämtliche
nordrhein-westfälische Bundestagskandidaten, auch die vermeintlich
aussichtslosen, in kurzen Videos nach ihren Positionen befragt werden, kann
[4][hier] jeder für sich selbst beantworten, ob Melda Hund ernst meint was
sie sagt (und was zu befürchten steht).
Die resolute und ruhige junge Frau, die ihre Fragenstellerin zurecht weist,
wann diese welche Fragen stellen darf, wirbt im Kern für eine große Politik
im Kleinen: Es ist letztlich ein radikales Plädoyer für die Selbstachtung,
das Respekt verdient.
„Ich denke, die Friedensschaffung vollzieht sich jeden Tag in jeder
Handlung und in Situationen, wie ich den Situationen begegne und in meinen
Gedanken.“
## Ordnung ins Universum bringen
„Wenn ich Ordnung in mein kleines Universum bringe, dann habe ich damit
schon etwas sehr wichtiges getan.“
Befragt nach Terror und innerer Sicherheit sagt sie: „Meine persönliche
Lösung ist es, die Menschen an die Selbstliebe zu erinnern, in die
Selbstliebe zu gehen und die Selbstliebe für sich zu entdecken.“
Befragt nach der Kluft zwischen Reichen und Armen, fragt sie (sich): „Wie
ist mein Konsumverhalten? Welche Einstellung habe ich zu Reichtum?“
Und danach gefragt, wie die Grundeinkommenspolitikerin sich die Rente der
Zukunft vorstellt, sagt sie: „Ich glaube nicht an die Rente.“ Sie habe gut
zu tun. Allein schon: die Buchprojekte.
Nun freut sich Melda Hund auf das Eye-Contact-Experiment am 23. September,
einen Tag vor der Bundestagswahl. An diesem Tag sollen sich rund um die
Welt Menschen in der Öffentlichkeit lange in die Augen schauen, um sich
besser zu erkennen. Außerdem schlägt ihr Herz, so steht es auch auf der
Homepage, für ihre „[voraussichtlich in den nächsten Jahren entstehende]
autofiktionale Biographie“.
Das Projekt mit der Autofiktion
Bei Autofiktion handelt es sich laut dem [5][Lexikon der Filmbegriffe] um
ein Genre, „das eine spezifische skeptische, auf der Entzifferung des
Zusammens von Wissens, Aufrichtigkeit basierende Lektürehaltung gestattet.“
Es geht dabei um ein Spiel mit Authentizität und Wahrheit.
Und so stellt sich ganz einfach die Frage: Wer ist Melda Hund? Wer wird sie
sein? Und ist Melda Hund überhaupt echt?
Es mangelt in der Geschichte des deutschen Parlamentarismus schließlich
nicht an Vorlagen. Der SPD-Abgeordnete [6][Jakob Maria Mierscheid] zum
Beispiel ist eine Figur, von der viele bis heute noch (nicht) glauben, dass
sie seit 1979 im Deutschen Bundestag sitzt, obwohl dort sogar eine Brücke
nach ihm benannt ist.
Und man muss anerkennen, was anzuerkennen ist – dieser Hund-Satz könnte ein
Mierscheid-Satz sein: „Ich möchte mich vorläufig aus der Politik
verabschieden und werde vielleicht am Rande noch als Informationsträger
vorhanden sein.“
Das ist ehrlich, sympathisch – und auch irgendwie: wahr.
24 Aug 2017
## LINKS
[1] https://www.die-partei.de/
[2] https://www.buendnis-grundeinkommen.de/
[3] http://kandidatencheck.wdr.de
[4] http://kandidatencheck.wdr.de/bundestagswahl/kandidat/Melda_Hund/687839
[5] http://filmlexikon.uni-kiel.de/index.php?action=lexikon&tag=det&id=…
[6] https://de.wikipedia.org/wiki/Jakob_Maria_Mierscheid
## AUTOREN
Martin Kaul
## TAGS
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