# taz.de -- Nachwuchs im Bundestag: Vom Büro ins Parlament | |
> Ein Großteil der möglichen Neuzugänge bei SPD, Grünen und Linken arbeitet | |
> in den politischen Apparaten. Das ergab ein taz-Check. | |
Bild: Von wegen Volksvertreter: Wer hier reinkommt, war oft schon vorher drin | |
Berlin taz | Die künftigen Fraktionen von SPD, Grünen und Linkspartei | |
werden noch mehr als bislang von Berufspolitikern und Mitarbeitern der | |
politischen Apparate dominiert werden. Das ergab ein Check der Landeslisten | |
der Parteien durch die taz. Rund 80 Prozent ihrer Bundestagsabgeordneten | |
kandidieren wieder und stehen auf aussichtsreichen Plätzen. | |
Überraschungsfrei ist der berufliche Hintergrund der möglichen Neuzugänge. | |
Viele arbeiten als Wissenschaftliche Mitarbeiter für einen Abgeordneten, | |
als Büroleiter in einem Ministerium oder hauptberuflich für die Partei. | |
Besonders extrem fällt das Bild bei der SPD aus: Wenn die SPD ihre Anzahl | |
von 193 Abgeordneten ungefähr hält – mögliche Zuwächse müsste sie wohl an | |
AfD und FDP abgeben –, bekommt die Fraktion rund 30 Neuzugänge. Mindestens | |
14 Nachwuchspolitiker, die auf aussichtsreichen Plätzen stehen und | |
nachrücken würden, arbeiten derzeit hauptberuflich für einen Abgeordneten, | |
einen Minister oder eine Partei. Mindestens 24 Neuzugänge auf den vorderen | |
Plätzen arbeiten im öffentlichen Dienst oder in den politischen Apparaten. | |
Nur zwei Arbeiter haben Aussichten, für die ehemalige Arbeiterpartei SPD in | |
den Bundestag einzuziehen: ein Hafenarbeiter und Betriebsrat aus Bremen und | |
eine Altenpflegerin aus Aachen. | |
Anders wird der neue Parlamentariermix bei der Union ausfallen. Hier häufen | |
sich unter den Neuzugängen Freiberufler, Unternehmer, Verbandsfunktionäre | |
und ehemalige Kommunalpolitiker. | |
Zwar setzt sich der Bundestag zur Hälfte aus direkt gewählten Abgeordneten | |
zusammen. Theoretisch können die Wähler also den Kandidaten oder die | |
Kandidatin ihres Vertrauens wählen. Allerdings treten in den jeweils | |
aussichtsreichen Wahlkreisen fast durchgängig Kandidaten an, die auch auf | |
der Landesliste ihrer Partei abgesichert sind. | |
## Nur wenige Tausend in den politischen Apparaten | |
Ähnlich wie bei der SPD ist die Tendenz bei der Linkspartei. In den | |
wichtigen Landesverbänden NRW, Sachsen und Berlin sind die frei werdenden | |
Plätze fast komplett von Genossen besetzt, die hauptberuflich von der | |
Politik leben. Bei den Grünen würden bei gleicher Fraktionsstärke 11 neue | |
MdBs nachrücken. Auf fast jeder Landesliste steht ein Neuzugang auf einem | |
aussichtsreichen Platz, der für einen Abgeordneten, einen Minister oder für | |
die grünennahe Heinrich-Böll-Stiftung arbeitet. | |
Von den knapp 44 Millionen Beschäftigten in Deutschland arbeiten nur wenige | |
Tausend in den politischen Apparaten. Diese werden in der neuen | |
Volksvertretung also absurd überrepräsentiert sein. Ein Grund: Die | |
Zuarbeiter lernen aus der Nähe, wie Politik funktioniert. Über einen | |
anderen Grund reden sie weniger gern: Anders als ein Arbeiter oder ein | |
normaler Büroangestellter können sie die Arbeitszeit für ihre eigene | |
Parteiarbeit nutzen. Wenn im Büro mal Leerlauf herrscht, können sie am | |
Telefon Netzwerke pflegen oder ihre Facebook-Seite auffrischen. Was in der | |
normalen Arbeitswelt ein Abmahngrund ist, wird hier vom Chef meist | |
geduldet. Man arbeitet für dieselbe Partei. | |
## Es klingt nach Phrasenbaukasten | |
Die Dominanz der Funktionäre hat Folgen für die Art, wie ein Parlament | |
Politik betreibt. Der Beruf prägt die Art, wie ein Neupolitiker Politik | |
angeht. Der Typus Büroleiter hat Politik als Aneinanderreihung von | |
planmäßigen Tagesordnungspunkten und Wiedervorlagen kennengelernt – | |
visionäre Ideen oder gar Rebellentum sind nicht gefragt. | |
Dazu passen die glattgebügelten Selbstdarstellungen der KandidatInnen. | |
„Bildung und Chancen dürfen nicht vom Geldbeutel abhängen“, schreibt | |
Isabell Mackensen, Platz 11 der SPD-Liste in Rheinland-Pfalz. Früher hat | |
sie das Büro eines Abgeordneten geleitet, jetzt ist sie bei der Partei | |
beschäftigt. Alexander Wagner, SPD-Platz 7 in Schleswig-Holstein, | |
ehemaliger Büroleiter und jetzt Referent im Kieler Wirtschaftsministerium, | |
textet ähnlich: „Ich will gute Bildung für alle. Unabhängig vom Geldbeutel | |
der Eltern!“ Das klingt nicht nach Lebenserfahrung, sondern nach | |
Phrasenbaukasten. | |
Das sozialdemokratische Internetportal [1][vorwaerts.de] hat die Aachener | |
SPD-Altenpflegerin interviewt. Eine Frage: „Als Altenpflegerin sind Sie | |
eine Ausnahmeerscheinung unter den Kandidaten zum Bundestag. Macht Ihnen | |
das Angst?“ | |
4 Sep 2017 | |
## LINKS | |
[1] https://www.vorwaerts.de/ | |
## AUTOREN | |
Gunnar Hinck | |
## TAGS | |
Schwerpunkt Bundestagswahl 2025 | |
Parteien | |
Abgeordnete | |
Auf verlorenem Posten | |
Bundestag | |
CDU | |
FDP | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Auf verlorenem Posten: Der Shootingstar aus dem Ländle | |
Simon Pschorr hofft in Konstanz auf enttäuschtes grünes Stammklientel. Der | |
Linke hat ambitionierte Ziele – aber im Moment noch keine Chance. | |
Abschiedsdebatte im Bundestag: Schon im Wahlkampfmodus | |
In seiner letzten Sitzung debattiert der alte Bundestag alles – von Trump | |
bis zum Diesel. Manche nutzten die Gelegenheit zum Angriff | |
CDU-Nachwuchs über Engagement: „So liebe ich Politik“ | |
Diana Kinnert ist 26, internetaffin, lebensfroh, liberal und lesbisch. | |
Zuletzt leitete sie das Büro von Peter Hintze. Ein Gespräch mit dem It-Girl | |
der CDU. | |
Chef der Jungen Liberalen über die FDP: „Wir sind die Optimisten“ | |
Der FDP-Nachwuchs trifft sich zum Bundeskongress. JuLi-Chef Konstantin | |
Kuhle über Koalitionsaussagen und Wahlkampffehler. |