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# taz.de -- CDU-Nachwuchs über Engagement: „So liebe ich Politik“
> Diana Kinnert ist 26, internetaffin, lebensfroh, liberal und lesbisch.
> Zuletzt leitete sie das Büro von Peter Hintze. Ein Gespräch mit dem
> It-Girl der CDU.
Bild: „Was Gesellschaftspolitik angeht, bin ich superliberal“, sagt Diana K…
taz.am wochenende: Frau Kinnert, wer sind Sie?
Diana Kinnert: Also ich bin ich – Diana Kinnert aus Wuppertal. 26 Jahre
alt, in Berlin lebend.
Sind Sie nicht CDU-Politikerin?
Politiker ist man, wenn man ein Mandat besitzt, Parlamentarier ist. Das ist
bei mir nicht der Fall. Ich habe auch kein hauptamtliches Parteiamt oder
so was. Von daher: nein.
Ihr Markenzeichen ist Ihre Mütze. Warum tragen Sie die?
Ich war Juniordetektiv. Mein Papa, der ist bei der Polizei, Justizbeamter.
Ich habe deshalb sehr früh angefangen, Krimis zu lesen. TKKG, die
Knickerbocker-Bande, Die drei Fragezeichen, so was. Mein Papa hatte mir
einen Detektivkoffer gekauft und gesagt, er geht jetzt ins Gefängnis und
bewacht Verbrecher. Und ich habe gesagt, ich gehe jetzt in den Wald und
suche Verbrecher. Ich bin damals SherlockHolmes-Fan geworden – und mit elf
Jahren habe ich dann angefangen, Schirmmützen zu tragen.
Sie sind erst 26 Jahre alt, haben bis zu dessen Tod das Büro des
CDU-Abgeordneten Peter Hintze geleitet, sind in Parteikommissionen und
Thinktanks unterwegs. Wundert Sie das nicht manchmal selbst?
Wenn mich etwas wundert, dann, wie einfach das war.
Wie einfach war es denn?
Schon sehr einfach, ehrlich gesagt. Ich habe mich ja nirgendwo beworben.
Ich engagiere mich in der CDU, seit ich 16 Jahre alt bin. Noch während der
Schulzeit habe ich bei einem Journalistenwettbewerb des Axel Springer
Verlags mitgemacht, gleich nach dem Abi boten sie mir eine Hospitanz an.
Das war für mich das erste Mal die Erfahrung: Wenn du mehr machst als nur
Hausaufgaben, dann kommst du auch irgendwohin. Später habe ich zu Politik
gebloggt, unter anderem darüber, dass Parteien strukturell hinten sind.
Daraufhin kam die Konrad-Adenauer-Stiftung auf mich zu und sagte: Wir
wollen einen Jugendbeirat, gründe den doch mit uns. Daraufhin kam die
Bundes-CDU auf mich zu.
Würden Sie zustimmen, dass Sie ein sehr interessantes Leben führen?
Na ja, das letzte Jahr war doch eher traurig für mich. Meine Mama ist vor
einem Jahr gestorben. Kurz darauf starb mein Ratgeber Rupert Neudeck und
Ende November schließlich Peter Hintze. Das war schwer. Und vielleicht
leide ich ein bisschen unter Stress, weil ich gerade ein Buch geschrieben
habe, was schon auch mit Blockaden verbunden war. Aber ja, ansonsten geht
es mir gut. Ich reise viel, treffe interessante Menschen, meine Aufgaben
sind spannend.
Sie haben da eine Verletzung an der Hand. Woher kommt die?
Die Verletzung habe ich aus den USA, da war ich beim Spring Break. Ich habe
nach etwas gegriffen, dabei ist mir jemand mit einem Messer in die Quere
gekommen.
Beim Spring Break, dieser Saufveranstaltung mit Alkoholeintrichtern?
Grauenhaft.
Genau das habe ich nicht gemacht. Ich war beim Gay Spring Break. Letztes
Jahr hatte ich mit zwei lesbischen Freundinnen beschlossen, einmal im Leben
zum legendären Dinah-Shore-Wochenende nach Kalifornien zu fliegen. Seit nun
schon über 25 Jahren kommen für fünf Tage im Jahr über 20.000 Frauen im
Hard-Rock-Café und Hilton Hotel in Palm Springs zusammen.
Klingt ziemlich nobel.
Ja. Darin liegt meine einzige Kritik: Ganz so divers konnte das Festival
nicht gewesen sein, wo das Preisniveau schon eindeutig separierte. Das
Wochenende war aber vor allem ein Erkenntnisgewinn: Normalerweise bin ich
nicht der Mensch, der Geschlecht und Sexualität lifestylemäßig ausstellen
muss. Ich gehe nicht auf ausschließliche Frauenpartys oder so was, das
mache ich einfach nicht, weil offene, liberale, diverse Veranstaltungen
doch am angenehmsten und spannendsten sind. Beim Dinah Shore bin ich das
erste Mal sehr bewusst in eine ausschließlich weibliche, feministische,
lesbische Ecke gegangen.
Waren Sie stolz, dazuzugehören?
Ja, mich hat gerührt, wie die Leute aus sich herausgehen, weil sie sich auf
ihren Schutzraum verlassen konnten. Es gab da diese Poolparty, den ganzen
Tag mit HipHop-Bands, Alkohol und Tanz. Auf einmal stoppte die Musik, eine
Frau stand auf der Bühne und sagte ins Mikrofon: Wir sind hier nicht nur
zum Spaß, wir sind eine politische Gemeinschaft. Ich möchte, dass jede von
euch genau jetzt ihr Handy rausholt, in ihrem Wahlkreisbüro anruft und sich
wünscht, dass man sich dort mehr für Gay-Rechte einsetzt. Und alle machten
das – mitten auf der Party, alle halbnackt, alle betrunken, gerade
geflirtet oder geknutscht, aber sie machten es. Und das hat mich gerührt.
Warum?
So liebe ich Politik. Wenn Politik kein professionalisierter
Geschäftsbetrieb ist, bei dem man wegen irgendeines Karriereziels dabei
ist. Ich will, dass jeder, der irgendwie mit betroffen ist, mitmacht. Und
das fand ich bei diesem Spring Break so sehr schön. Es war natürlich auch
banal, Alkohol und Sex, es ging aber eben auch um Identität und Intimität,
um Politik und Kampf.
Um ehrlich zu sein, wollte ich Sie gar nicht zu Ihrer sexuellen
Orientierung befragen. Das empfinde ich als privat. Aber so, wie Sie es
gerade schildern, ist es natürlich auch wieder politisch.
Genau. Ich stelle es eigentlich auch ungern aus, weil ich nicht nur unter
„jung, bunt, weiblich, gay“ abgebucht werden will. Ich bin schon einfach
mehr als ein Sammelsurium von Minderheitenattributen. Ich will, dass man
über meine Meinung spricht. Über meine Inhalte.
Okay, was sind das für Inhalte?
Also, ich wünsche mir einen öffentlichen Diskurs über digitale Kultur, weil
ich finde, dass im Digitalen sehr viele Grundrechte angefasst werden.
Gerade an der Datenschutzfrage wird sich entscheiden, was es für
Geschäftsmodelle auch in Deutschland geben kann. Dann denke ich viel über
den konservativen Grundwert der Souveränität nach. Der ist mit dem
Hochziehen von Stacheldrahtzäunen einfach nicht mehr einlösbar. Da verlangt
es globale Abkommen, die eventuell auch manchmal unfein sind.
Das klingt verdammt nach CDU.
Nicht so schnell. Was Gesellschaftspolitik angeht, bin ich superliberal.
Ich habe gar kein Problem damit, wenn Schwule und Lesben heiraten und das
auch so genannt wird. Und ich finde Adoption total vorbildlich. Kein Mensch
hat ein Recht auf ein Adoptivkind, aber jeder hat das Recht auf eine
Bewerbung darauf. Dann soll das Jugendamt eben prüfen: Sind das jetzt zwei
Männer hassende Lesben? Dann würde ich denen das Kind auch nicht geben,
denn dann bereiten sie es nicht auf die Hälfte der Welt vor. Aber das kann
man doch im Einzelfall klären, ohne Geschlechtlichkeit pauschal zu
beurteilen.
Würden Sie gern ein Kind adoptieren?
Ich will schon Kinder haben. Aber ich weiß nicht, ob ich die kriege, ob die
vielleicht meine Partnerin irgendwann kriegt oder ob wir adoptieren. Das
weiß ich alles nicht.
Ihr Vater ist Spätaussiedler aus Schlesien, Ihre Mutter stammte von den
Philippinen. Sie sind in Wuppertal geboren und pendeln aktuell zwischen
Jerusalem, Palm Springs, Seattle und Berlin. Könnte man sagen, dass Ihnen
eine gewisse Ruhelosigkeit innewohnt?
Ich finde, Ruhelosigkeit klingt negativ. Als wüsste ich nicht, wo ich zu
Hause bin. Ich glaube schon, dass ich in meinen Grundfesten weiß, wo ich
hingehöre, aber ich bin ein Freund von Ausflügen. Ich habe zwei Jahre lang
Peter Hintzes Büro geleitet, von 8 bis 18 Uhr. Nun genieße ich, tagtäglich
neu irgendwo hinzukommen und noch nicht zu wissen, was da so los ist.
Sie gelten als politisches It-Girl. Politiker und Meinungsmacher schmücken
sich gern mit Ihrer Expertise, mit Ihnen als Person. Warum ist das so?
Sagen wir mal so: Als ich Ende 2014 angefangen habe, mich als Jugendbeirat
der Konrad-Adenauer-Stiftung zu engagieren und in Peter Taubers
Parteireform-Kommission mitzumachen, lag sehr schnell ein öffentlicher
Fokus auf mir. Das war seltsam, weil ich zuvor schon verdammt lange
Parteiarbeit gemacht hatte. Ich bin aus echtem Interesse zu den
Veranstaltungen der Konrad-Adenauer-Stiftung gelatscht, auch wenn ich da
meist die einzige Junge war. Trotzdem wusste am ersten Kommissionstag
niemand, wer ich bin. Peter Tauber sagte bloß: witzige Mütze. Es ist mir
wichtig, dass die Leute erfahren, ich wurde nicht ernannt, weil ich gut
vorzeigbar bin, sondern weil ich mich jahrelang über inhaltliche Arbeit
ausgezeichnet hatte. Dann erst – Ende 2014 – wurde ich ein bisschen
vorgezeigt.
Das war ja auch verlockend. Frau, jung, migrantisch – alles, wofür sich die
CDU nach der letzten Wahl öffnen wollte.
Ja. Die haben sich natürlich erst einmal gefreut, mich als
Jungfernblättchen da so vorzuzeigen. Aber ich halte ja nicht meinen Mund.
Ich habe zum Beispiel gesagt, wie rückständig ich die Haltung der CDU zur
Öffnung der Ehe finde. Ich habe gesagt, dass das ein verschlafener
Kultursieg ist und ich mich dafür schäme, der Partei anzugehören, die
niemals von sich aus dafür gewesen sein wird – wie es heute scheint. Da
habe ich gemerkt, die Leute, die am Anfang misstrauisch waren, die fanden
mich auf einmal gut, weil sie gemerkt haben, ich habe wirklich etwas zu
sagen.
Sind Sie mit Peter Tauber per du oder per Sie?
Per du.
Und mit Angela Merkel?
Per Sie. Ich rede aber auch nicht so häufig mit ihr.
In Ihrem Buch steht geradezu Hymnisches über Parteien. Aber auch
Frustrierendes über die Mühen der Ebene, über den lauen Kompromiss und die
stickigen Hinterzimmer. Was findet jemand wie Sie attraktiv an Parteien?
Grundsätzlich finde ich, wir haben ein richtig starkes Parlamentssystem,
das eben über Parteien funktioniert. Die sind nichts anderes als
parlamentarische Gruppen, die sich nach Werten und Programmatik sortieren.
Und wenn in einem Parlament Urentscheidungen über das Gemeinwesen gefällt
werden, empfinde ich es als demokratische Pflicht, dass da möglichst alle
mitmachen.
Woher rührt dieses Pflichtgefühl?
Ich reagiere schon immer stark auf Kategorien wie Schuld und Gewissen. Als
Juniordetektiv hatte ich mal einen schwachen Moment. Der Kaugummiautomat
war kaputt, und ich drehte so lange dran rum, bis alle Kaugummis
herausgefallen waren. Da habe ich tagelang mit mir gehadert, weil ich den
Kaugummiautomaten bestohlen hatte.
Weil Ihr Vater Polizist ist?
Das kommt von beiden Eltern. Meine Mama war so eine leidenschaftliche
Gerechtigkeitsfanatikerin. Mein Vater ist ein eher ruhiger, nüchterner,
aber sehr rechtschaffener Typ. So bin ich aufgewachsen: Zwischen diesem
sehr Passionierten und dem sehr Vernünftigen. Auf dieser Doppelschiene bin
ich der Frage nachgegangen, wo Gerechtigkeit überhaupt anfängt. Nicht jedes
Gesetz ist ja gerecht. Es muss zuerst gemacht werden. Dadurch kam ich auf
und zu den Parteien.
Aber warum dann ausgerechnet die CDU?
Weil ich alles andere irgendwann für mich ausgeschlossen hatte. Ich war nie
Sozialist, Kommunist oder so was, das ist nicht meine Gedankenwelt. Bei der
CDU habe ich eine von den Grundwerten her komplexe Gesellschaftstheorie
erkannt, zu der meine eigene Programmatik gepasst hat. Die Grundfrage zum
Beispiel – wo fängt es denn an? – stellt die CDU schon beim Geldverdienen,
nicht erst beim Geldverteilen. Deswegen war ich auch immer
Unternehmerfreund und Infrastrukturfreund. Die Gelder müssen doch erst
einmal reinkommen. Dann die Marktwirtschaft an sich, die erst einmal
bedeutet: kein Zwang, kein Konformismus. Du kannst mehr machen, du kannst
weniger machen. Das ist Freiheit.
Also das Prinzip Volkspartei, auf das sich die CDU viel zugutehält.
Ja. Und auch die liberale Bürgerlichkeit, die Freiheit der Lebensführung:
Als Staat ist mir egal, ob du rauchst, ob du Auto fährst, ob du dein Kind
zu Hause erziehen willst oder nicht, das entscheidest du. Ich finde bei der
CDU überzeugend, dass der Mensch erst einmal komplett Mensch und Bürger ist
und nichts weiter. Ich kenne dieses Gefühl, dass du als Migrant immer
Migrant bleibst, ein Opfertyp, der bemuttert werden muss. In der CDU bist
du als Imbissbesitzer aber erst mal Unternehmer. Und als Frau zum Beispiel
Arbeitnehmerin, Verbraucherin. Das finde ich gut, dieses liberale Mindset.
Diese Mitte-CDU vollzieht gerade ein gesellschaftliches Rollback: das Ende
des Doppelpasses. Leitkultur-Gebote. Enttäuscht Sie das nicht?
Ich finde das traurig. Aber dass sich in der CDU die gesamte Gesellschaft
widerspiegelt, ist für mich ihre große Stärke und zugleich natürlich auch
ein Unheil. In meinen Berliner elitären urbanen Kreisen muss ich mich
gelegentlich selbst daran erinnern, dass ganz viele Deutsche Gartenzwerge
vor der Haustür stehen haben. So ist Deutschland und nicht, wie ich es beim
Flanieren durch Berlin-Mitte erlebe. Die CDU spiegelt Deutschland wider.
Zweifelt die Gesamtgesellschaft, hadert sie mit etwas, fürchtet sie sich,
sucht sie ein Gestern, tut es die CDU eben auch. Gerade deswegen finde ich
es umso wichtiger, mich da einzubringen.
Verzeihen Sie Ihrer Partei eigentlich alles?
Es gibt diesen Adenauer-Satz: Nehmen Sie die Menschen, wie sie sind; andere
gibt’s nicht. So. Ich kann mich drüber ärgern, dass es den Brexit gibt,
dass es Trump gibt. Ja, aber was hilft das? Ich kann doch nur konstruktiv
und integrativ mitarbeiten.
Heißt das, Sie sind in die CDU eingetreten, um sie zu verändern?
Um mich geltend zu machen. Ich will sie nicht auf den Kopf stellen. Aber
ich habe meine Position und weiß ganz genau, wo die Mainstream-Meinung der
CDU noch von mir entfernt bleibt. Und ich kann nichts anderes machen außer
argumentieren.
Sie sagten anfangs, dass Ihre Mutter vor einem Jahr verstorben ist. Darf
ich fragen, was ihr passiert ist?
Meine Mama hatte – ich weiß gar nicht, ob das medizinisch korrekt ist –
aber sozusagen ein Gefäßaneurysma. Sie hatte Schmerzen bei der
Gartenarbeit. Augenblicke später hatte sie uns schon verlassen.
Wie alt war sie?
49. Das war ein einschneidendes Erlebnis. Es war ein Samstagabend, ich war
gerade in Berlin, in Party-Vorbereitungen, als meine Schwester anrief und
sagte: Mama ist tot. Ich wusste, das ist kein Scherz. Es war alles sehr,
sehr schlimm. Vor allem habe ich unterschätzt, was in der Familie selbst
zurückbleibt: dass wir unsere Beziehungen zueinander neu definieren
mussten. Ich rede heute anders mit meiner Schwester. Mein Papa und ich
haben eine neue Beziehung zueinander.
Wie geht es ihm heute?
Schwer zu sagen, weil er so sehr introvertiert ist. Aber es geht irgendwie
voran.
Bis zu seinem Tod Ende letzten Jahres haben Sie das Büro von Peter Hintze
geleitet. Sie waren Anfang zwanzig, als er Ihnen diesen Job angeboten hat.
Was glauben Sie, warum?
Weil er mir Türen öffnen wollte. Als er mich eingestellt hat, wusste er
schon, wie krank er ist. Und ich gehe davon aus, dass sein Büro auch ohne
meine Expertise gut ausgekommen wäre. Peter Hintze hat mir etwas zugetraut.
Deshalb hat er mir einen Schlüssel geschenkt. Wir waren ein gutes Team.
Ist er in Gedanken noch bei Ihnen?
Ja. Wie nah seine politische Gedankenwelt an meiner ist, habe ich erst im
Nachhinein richtig verstanden. Liberal aus protestantischer Ambition. Er
hat ja unter anderem politisch für die Sterbehilfe gekämpft. Ich fand
menschlich so beeindruckend, wie er dabei seine eigene Begrenztheit
akzeptiert hat. Er wusste: Das kommt vielleicht nicht durch, dieses Gesetz,
aber ich habe einen Referenzpunkt in der Debatte geliefert. Und das ist
meine politische Leistung. Daran nehme ich mir ein Vorbild.
Der dritte Tote Ihres Jahres 2016 war Rupert Neudeck. Neudeck war ein
Linker, er hat Cap Anamur gegründet. Wie haben Sie diesen Abschied erlebt?
Überraschend schlimm. Ich habe ja drei komplett verschiedene Tode
miterlebt. Ich habe jemand ganz Wichtigen ganz plötzlich verloren, Mama,
die niemals meine Kinder kennenlernen wird. Mit Peter Hintze einen Mentor,
dessen sich anbahnender Tod eine Tiefe und Milde hervorrief, die auf andere
Art sehr traurig gemacht hat. Und dann Rupert Neudeck, der Älteste, der
noch Wochen vor seinem Tod lautstark einforderte: Diana, komm mich bald
wieder besuchen und zeig mir, wie Facebook funktioniert; ich will da
mitmachen. Und dann stirbt der auf einmal. Wenn ich mich mit jedem Tod
einzeln auseinandersetze, kann ich jedem einen Sinn zugestehen. Aber es
kostet mich viel.
Was macht Ihnen Hoffnung?
Dass Gesellschaft immer diverser wird. Wenn es etwas gibt, das ich mir
wirklich wünsche, dann ist das politische Repräsentanz. Weil ich das Gefühl
habe, wenn mehr Schwule in der Partei wären, dann wäre Schwulenpolitik
anders, wenn mehr Migranten da wären, wäre Migrantenpolitik anders. Das ist
dieses berühmte Gedicht von Zoe Leonard, das ich so gut finde: „I want a
dyke for president.“ Ich will eine Kampflesbe als Präsident, ich will eine
Schwuchtel als Vizepräsident, ich will jemandem im Parlament, der keine
Versicherung hat und weiß, wie sich das anfühlt. Wenn jede Betroffenheit
repräsentiert wird und Eingang findet in einen Gesamtprozess, dann wird
auch alles miteinander vereinbar. Das ist für mich Demokratie.
Haben Sie nicht das Gefühl, dass es sich politisch gerade in die andere
Richtung entwickelt?
Ja, und zwar aus einer kurzschließenden Angst heraus. Aber ich weiß aus der
Geschichte, dass sich Freiheit immer durchsetzt.
13 May 2017
## AUTOREN
Anja Maier
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CDU
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