# taz.de -- Lohnlücke für Homosexuelle: Spekulationen aus der Klischeekiste | |
> Schwule Männer verdienen weniger als Heteros, sagt eine Studie. Ist das | |
> ein neuer „Pay Gap“? Das ist nicht das einzige Problem. | |
Bild: Schwule Männer wollen mehr: Sie sind laut einer Studie auf dem Arbeitsma… | |
Zur „Gender“ und zur „Racial Pay Gap“ kommt ein dritter: die „Sexuali… | |
Gap“. Im Schnitt verdienen schwule Männer 2,14 Euro weniger | |
Bruttostundenlohn als heterosexuelle. [1][Das will das Deutsche Institut | |
für Wirtschaftsforschung (DIW) herausgefunden haben]. | |
Da kann man sofort losspekulieren: Werden schwule Männer diskriminiert, | |
nicht als richtige Männer wahrgenommen und verdienen deswegen fast so | |
schlecht wie Frauen? Fällt es ihnen vielleicht schwerer, mit den ganzen | |
Heteromännern im Büro klarzukommen? Man kann ja nicht gemeinsam die | |
Kolleginnen sexuell belästigen – und bei Strip-Club-Feiern zum | |
Jahresabschluss stehen die Schwulen gelangweilt in der Ecke. Kommen sie | |
deshalb seltener in Führungspositionen? | |
So ganz will dieser Pay Gap vielen aber auch nicht in das Klischee vom | |
erfolgreichen schwulen Mann passen – der morgens seine | |
Designer-Eigentumswohnung verlässt (vielleicht hat er sogar zwei davon), | |
um, natürlich perfekt gestylt, in seinem Sportwagen zum gut bezahlten Job | |
zu fahren. Abends wird das Geld dann auf Vernissagen gelassen oder in der | |
wilden Partyszene. Man könnte auch spekulieren, [2][wie Zeit Online es | |
tat], dass schwulen Haushalten trotzdem mehr von ihrem Geld bleibt, da | |
öfter beide Partner arbeiten als in heterosexuellen Haushalten. Kurz: Die | |
Klischeeparade ist eröffnet. | |
Eine Erklärung, die allerdings schon plausibel wäre: Homosexuelle Männer | |
machen mehr Überstunden – weil sie seltener Familien haben, häufiger | |
freiberuflich arbeiten und weniger verbeamtet sind. Und mit jeder | |
unbezahlten Überstunde sinkt natürlich der Durchschnittsstundenlohn. | |
Das Problem: Zwar ist der „Sexuality Pay Gap“ wahrscheinlich real – [3][in | |
den USA kamen Studien] auf ähnliche Ergebnisse. Doch die DIW-Zahlen sind | |
nicht zuverlässig genug, um eindeutige Aussagen zu treffen. | |
## Es gibt noch einen „Gap“ | |
Unter den befragten 39.500 Erwachsenen gaben nur 459 ihre sexuelle | |
Orientierung als homo- oder bisexuell an. „Diese Fallzahl reicht, um | |
repräsentative Aussagen zu treffen und Tendenzen festzustellen“, sagte | |
DIW-Vizechef Martin Kroh der taz. „Doch es gibt auch Fehlerquellen.“ | |
Zusatzberechnungen (etwa zum Anteil der Führungskräfte unter Lesben, | |
Schwulen und Bisexuellen) waren nicht möglich, weil die Fallzahlen zu klein | |
sind. „Wenn es mehr Standardbefragungen zu Lesben, Schwulen und Bisexuellen | |
gäbe, könnten wir unsere Ergebnisse auch besser zusammenfassen und | |
vergleichen“, so Kroh. | |
Und damit kommen wir zum eigentlichen Problem, dem „Sexuality Study Gap“. | |
Die Erhebung, die der Pay Gap entdeckt haben will, ist in Deutschland die | |
erste ihrer Art. Keine andere Studie hat bisher repräsentative Daten zu | |
lesbischen, schwulen und bisexuellen Arbeitnehmern in Deutschland gesammelt | |
– nicht einmal der Anteil an der Bevölkerung allgemein ist bekannt. Auch | |
das DIW schätzt hier nur, und zwar 1,9 Prozent – was ihnen selbst ein | |
bisschen wenig vorkommt. Große repräsentative Studien wie der Mikrozensus | |
oder das Sozioökonomische Panel (SOEP), die einer Volkszählung ähneln, | |
verzeichneten lange nur Lesben, Schwule und Bisexuelle, die in | |
Partnerschaften zusammenleben. | |
Erst 2016 führte das SOEP eine Frage zur sexuellen Orientierung ein, die | |
auch schwule, lesbische und bisexuelle Singles erfasst. So kam das DIW | |
überhaupt erst an seine Daten. | |
Heißt: Solange keine aussagekräftigen Zahlen vorliegen, sollte man sich gar | |
nicht Spekulationen hingeben – erst recht nicht aus der Klischeekiste. Es | |
braucht dringend mehr Forschung über Sexualität und Einkommen – im Übrigen | |
könnte man dann ja auch mal die Situation von trans* und inter* Menschen | |
erheben. Das hat nämlich noch überhaupt niemand getan. | |
31 Aug 2017 | |
## LINKS | |
[1] /DIW-Studie-zu-Sexuality-Pay-Gap/!5443932 | |
[2] http://www.zeit.de/gesellschaft/zeitgeschehen/2017-08/diskriminierung-homos… | |
[3] https://qz.com/881303/eight-million-americans-are-affected-by-a-pay-gap-tha… | |
## AUTOREN | |
Tanya Falenczyk | |
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