# taz.de -- Rechtsextremismus in Marzahn: Merkwürdig aufgelegt | |
> Nicht nur einige Teilnehmer einer eigentlich gegen Rechts gerichteten | |
> Parade in Marzahn waren selbst Rechte: Auch zwei der DJs, die dort | |
> auftraten, gehören zur Szene. | |
Bild: Der Großteil der Teilnehmer an der Space Parade wollte ein Zeichen gegen… | |
Dass es in Marzahn-Hellersdorf ein Problem mit Rechtsextremismus gibt, ist | |
bekannt – dass der Bezirk auf vielfältige Weise versucht, dieses Problem zu | |
bekämpfen, ebenfalls. Nicht immer laufen diese Versuche jedoch störungsfrei | |
ab. Eine Mitte Juli veranstaltete Technoparade gegen rechts führte schon | |
damals zu [1][Irritationen], denn unter [2][den TeilnehmerInnen waren auch | |
Rechtsextreme]. Nun sorgen neue Informationen für weitere Kritik: Auch zwei | |
der DJs, die auf der Veranstaltung auflegten, sind offenbar Angehörige der | |
rechten Szene. | |
Das haben Recherchen einer Antifagruppe ergeben, die ihr Material auch der | |
taz zur Verfügung stellte. Tatsächlich kann zweifelsfrei nachgewiesen | |
werden, dass die beiden DJs an verschiedenen rechtsextremen Veranstaltungen | |
der letzten Jahre teilgenommen haben, darunter ein Neonazi-Aufmarsch im | |
vergangenen Jahr in Hellersdorf, die rechtsextreme „Merkel muss | |
weg“-Demonstration und ein Aufmarsch von Bärgida. Robin P., einer der | |
beiden DJs, posiert auch auf einem Gruppenbild der rechten Gruppe Bündnis | |
Deutscher Hools, Fotos von seinem Facebook-Profil legen ebenfalls seine | |
Zugehörigkeit zur rechten Szene in Marzahn-Hellersdorf nahe. | |
Das Bündnis für Demokratie und Toleranz Marzahn-Hellersdorf, das die | |
Veranstaltung organisiert hatte, zeigt sich in einer Stellungnahme | |
schockiert über diese Erkenntnisse. Der politische Hintergrund der DJs sei | |
dem Bündnis zu keinem Zeitpunkt bekannt gewesen, schreiben die beiden | |
Sprecherinnen. Nun wolle man sich „mit allen Beteiligten zusammensetzen und | |
die Ereignisse selbstkritisch analysieren“. | |
Entsetzt zeigt sich auch Raiko Hannemann, bis Februar dieses Jahres Leiter | |
der bezirklichen Koordinierungsstelle für Demokratieentwicklung. Er hatte | |
auf demselben Wagen aufgelegt wie die beiden fraglichen DJs. „Hätte ich um | |
den Hintergrund dieser DJs gewusst, hätte ich niemals vor ihnen gespielt“, | |
sagt er. An der Organisation der Veranstaltung sei er jedoch nicht | |
beteiligt gewesen. | |
Da die beiden DJs keine exponierte Stellung in der rechtsextremen Szene | |
innehaben, ist es gut möglich, dass die Veranstalter der Parade nichts von | |
ihrem politischen Engagement wussten – wenngleich eine engere | |
Zusammenarbeit mit antifaschistischen Gruppen, die diese im Bezirk schon | |
lange einfordern, hier offenbar weiter geholfen hätte. | |
Wer genau die DJs ausgewählt hat, ist nicht zu ermitteln. Thomas Bryant, | |
Integrationsbeauftragter des Bezirks und nach eigenen Angaben „Ideengeber“ | |
der Space Parade, weist die Verantwortung von sich. Die Organisation habe | |
bei einer Gruppe von Menschen rund um den kurz vor der Parade verstorbenen | |
Gustav Wöhrmann gelegen, der für sein langjähriges antifaschistisches | |
Engagement im Bezirk bekannt ist. Eine Angabe, der durch den Tod Wöhrmanns | |
schwer nachzugehen ist. | |
Ihm sei der Hintergrund der DJs ebenfalls nicht bekannt gewesen, sagt | |
Bryant und ergänzt: „Aber hinterher wissen wir alle mehr – unter anderem | |
auch, dass indymedia seitens des Bundesministers des Innern als | |
‚linksextremistisch‘ eingestuft und verboten wurde.“ Eine Anspielung auf | |
die Tatsache, dass die Recherchen zu den beiden DJs zuerst auf der linken | |
Internetplattform indymedia veröffentlicht wurden – und in diesem | |
Zusammenhang eine interessante politische Schwerpunktsetzung. Bryant | |
betont, die AufdeckerInnen des Skandals hätten womöglich von Methoden | |
Gebrauch gemacht, „deren Rechtskonformität allerdings ganz offenkundig mehr | |
als fragwürdig ist“. Das Ergebnis der Recherche zweifelt jedoch auch er | |
nicht an. | |
Dagmar Pohle (Linke), Bezirksbürgermeisterin von Marzahn-Hellersdorf und | |
Schirmherrin der Space Parade, wollte sich gegenüber der taz nicht zu dem | |
Fall äußern. | |
31 Aug 2017 | |
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## AUTOREN | |
Malene Gürgen | |
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