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# taz.de -- Unerwartete Begegnung in Bremen: Das Baby von damals
> Mit Nomazulu Thata wollte unser Autor über eine Radiostation in Simbabwe
> sprechen. Doch merkten sie, dass sich ihre Wege schonmal kreuzten.
Bild: Hintendran: Mädchen in Simbabwe müssen für Gleichstellung kämpfen.
Bremen taz | Als ich das Restaurant im Bremer Übersee-Museum betrete, sitzt
sie in der hinteren Ecke und strickt. Den Treffpunkt hatte ich
vorgeschlagen, weil er leicht vom Hauptbahnhof zu erreichen ist. Sie kam
mit dem Zug aus Bremen-Nord. Von dort hatte sie mir eine Mail geschickt.
Beim Bremer Bürger-Radio habe sie erfahren, dass ich geholfen hätte, in
Simbabwe eine Radiostation aufzubauen, das wolle sie jetzt auch.
Sie schrieb auf Englisch und den Namen des Landes mit „Z“. Deutsche
schreiben ihn mit „S“ – „Simbabwe“, auch die Deutschen seinerzeit in …
DDR. Dorthin war Nomazulu Thata 1978 im Alter von 17 Jahren gebracht
worden. Nach Peinigungen als kleines Mädchen in der Heimat Simbabwe hatte
sie es mit Fluchthelfern bis ins benachbarte Sambia geschafft, ermutigt
durch ihre Mutter, die das intellektuelle Potenzial ihrer Tochter erkannte.
Die DDR bot damals jungen Afrikanerinnen und Afrikanern die Möglichkeit, zu
studieren. Einer Bremer Tageszeitung hatte sie erzählt: Sie selbst habe in
Leipzig innerhalb eines Jahres Deutsch gelernt und danach im thüringischen
Nordhausen ihr Abitur mit den Schwerpunkten Mathematik, Chemie und Physik
nachgeholt.
Es folgte der Abschluss in Metallhüttenkunde an der Fachhochschule
Hennigsdorf. „Und 1984 habe ich mich in Westberlin an der Technischen
Universität immatrikuliert, weil ich noch auf Hochschulniveau studieren
wollte.“
Unter jeder ihrer Mails, die ich von ihr erhalte, steht aber etwas, das
nichts mit dem zu tun hat, was sie in der DDR gelernt hat. Es hat mit dem
zu tun, was ihr als kleines Mädchen in ihrer afrikanischen Heimat
widerfahren war: „Mein Dienst für Frauen und Mädchen ist mir das Wichtigste
im Leben!“, schreibt Nomazulu Thata unter jede ihrer Mails. In Simbabwe ist
sie eine bekannte Stimme der Opposition, die sich regelmäßig in
Onlinemedien meldet.
Das Berliner Auswärtige Amt hat ihr davon abgeraten, ihr Heimatland zu
besuchen. Zu gefährlich sei die Situation für Aktivisten, die die Politik
des Präsidenten Robert Mugabe offen kritisieren; auch ein deutscher Pass
könne da vielleicht nicht schützen.
Sie erzählt mir von ihrem Plan, für Frauen und Mädchen in Simbabwe ein
Radioprogramm zu konzipieren, das diesen helfen soll, überkommene Korsetts
abzuwerfen, miteinander ins Gespräch zu kommen, und das vorbei an
staatlichen und traditionellen Zensuren. Wir reden über Inhalte, über zu
verwendende Technik, über mögliche Partner. In London gebe es eine
staatlich unterstützte Agentur, die möglicherweise an ihrem Projekt
interessiert sei. Ich hätte mir erlaubt, ihr erstes Planungspapier an meine
Tochter in London zu mailen. Conny arbeite dort als Architektin und hat
einen großen Bekanntenkreis, darunter viele, die sie noch aus ihrer Zeit in
Simbabwe kenne.
„Conny? – Conny Schmidt?“ Nomazulu Thata hat ihr Strickzeug fahren lassen.
Ich gerate aus dem Konzept und beobachte eine Weile, wie sie in ihrer
Erinnerung kramt. Sie fragt mich, ob Conny in Berlin an der TU studiert
hat. Ich antworte: „Ja, sie hat Architektur an der Technischen Universität
in Berlin studiert.“
„Aber dann …“ und sie spricht hastig weiter, „dann war es deine Tochter,
die mein Baby auf ihren Armen von Harare nach Berlin zurückgebracht hat!“
Mein Stuhl fällt um. Ich bin aufgesprungen. Sofort steht mir die Situation
vor Augen … das Baby, das, begleitet von einem deutschen Freund, im
Flugzeug aus Berlin nach Simbabwe gebracht worden war, um es bei Verwandten
der Mutter abzuliefern … Der Aufstand am Flughafen, als die von der
simbabwischen Botschaft für das Baby ausgestellten Reisepapiere beim
Einreiseversuch nicht anerkannt wurden.
Das Kind sollte zusammen mit dem Freund nach Deutschland zurückgeschickt
werden … die Verhandlungen des von mir alarmierten deutschen
Botschaftsvertreters, der erklärt, wenn die simbabwischen Botschaftspapiere
in Harare nicht anerkannt würden, dürfe das Baby auch nicht mehr in
Deutschland einreisen, es wäre dann staatenlos … schließlich das Eingreifen
eines von den Verwandten alarmierten Regierungsmitglieds … und dann das
Baby, das schließlich nach einigen Wochen bei den Verwandten wieder zur
Mutter nach Berlin zurückfliegt, diesmal in den Armen unserer Tochter, die
dort studiert …
Nomazulu Thata kramt ein Foto hervor. Das Baby von damals ist heute 29
Jahre alt und macht gerade in Marburg seinen Doktor, erfahre ich. Und mir
fällt ein, wahrscheinlich weiß ich nach 27 Jahren Leben und Arbeiten in
Nomazulus Heimat mehr über die Zustände in Simbabwe als dieser junge Mann,
dessen Heimat Deutschland ist.
Mir kommt wieder in den Sinn, weshalb wir uns eigentlich getroffen haben.
Ich schlage einen weiteren Partner für Nomazulus Radioprojekt vor. Es würde
vielleicht Sinn machen, sage ich, jene mitzunehmen, die schon angefangen
haben, ihre Rolle in den verkrusteten traditionellen Strukturen zu
überdenken: die Männer.
Vor knapp 20 Jahren haben sich ein paar zusammengetan, darunter Eddington,
ein guter Freund und Kollege von mir bei ebenjener Radiostation, die ich
mit aufzubauen halt. Von „Padare“ – so der Name der mittlerweile
etablierten Organisation – hatte ich allerdings erfahren, dass mein Freund
nach London emigriert sei. Aber ich gebe Nomazulu die E-Mail-Adresse des
neuen Padare-Vorsitzenden in Harare.
Nach wenigen Tagen kommt die Antwort: „Liebe Nomazulu, danke für den
Kontakt mit uns. Meine Organisation sucht ständig nach Möglichkeiten,
Geschlechtergerechtigkeit in Simbabwe voranzubringen. Ich möchte gerne mehr
erfahren über das Projekt, und ich bin nur zu gerne bereit, es zu
unterstützen und zum Erfolg beizutragen.“
Und unter der Mail aus Harare steht noch eine Zeile: „Männer von Qualität
haben keine Angst vor Egalität“.
10 Oct 2017
## AUTOREN
Klaus Jürgen Schmidt
## TAGS
Simbabwe
Radiosender
Gleichberechtigung
Begegnungen
Empowerment
Schwerpunkt Europawahl
Simbabwe
Togo
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Afrika
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