| # taz.de -- Internetzensur in Afrika: Wenn Facebook mal eben aus ist | |
| > Immer mehr Staaten verfügen über die notwendige Technik, um den | |
| > Internetzugang zu blockieren. Sie wollen Kritiker zum Schweigen bringen. | |
| Bild: Während einer Facebook-Einschränkung nahm die Polizei den wichtigsten H… | |
| Kampala ap | Ein mysteriöser Facebook-Nutzer gräbt immer wieder mutmaßliche | |
| Heimlichkeiten der Regierung aus: Mal erzählt er von einer undurchsichtigen | |
| Gruppierung, die Bargeld aus dem ugandischen Präsidentenpalast stiehlt und | |
| ungestraft davonkommt, mal von einer schweren Krankheit, die den | |
| Präsidenten schwächt. Beweise liefert der Mann, der sich Tom Voltaire | |
| Okwalinga nennt, zwar nicht. Die Behörden in Uganda sehen in ihm dennoch | |
| eine Gefahr. | |
| Und nicht nur Uganda fürchtet die Reichweite des Internets. Rund ein | |
| Dutzend afrikanische Staaten haben seit 2015 versucht, regierungskritische | |
| User wie Okwalinga zum Schweigen zu bringen. Dazu schlossen sie | |
| entsprechende Internetplattformen oder kappten gar das gesamte Netz. Oft | |
| passierte das kurz vor oder während entscheidender Wahlen. Aktivisten | |
| kritisieren die Praxis und erklären, sie ermögliche | |
| Menschenrechtsverletzungen. | |
| Aber ein Ausfall des Internets hat auch wirtschaftliche Folgen für die | |
| Länder, wie eine Forschungsarbeit der amerikanischen Denkfabrik Brookings | |
| Institution ergab. Uganda hat genau das erlebt. Im Februar 2016, während | |
| der Präsidentenwahl, blockierten die Behörden fünf Tage lang den Zugang zu | |
| Facebook und Twitter. Zuvor hatte es Beschwerden gegeben, die Wahlzettel | |
| würden in Wahlkreisen mit guten Chancen für die Opposition nur zögerlich | |
| ausgeliefert. | |
| Während der Einschränkung nahm die Polizei den wichtigsten Herausforderer | |
| von Präsident Yoweri Museveni fest. Der Ausfall habe das | |
| Bruttosozialprodukt um zwei Millionen Dollar schrumpfen lassen, berechnete | |
| die Brookings Institution. Die Stiftung Mo Ibrahim verweist noch auf | |
| weitere Folgen einer Internetblockade: Solche Aktionen hätten „potenziell | |
| verheerende Auswirkungen“ auf Bildung und Gesundheit, erklärt die | |
| Organisation, die Trends in afrikanischen Regierungen beobachtet. | |
| ## Gabun, Republik Kongo, Gambia | |
| Während immer mehr Regierungen über die Technologie verfügen, die für eine | |
| Internetblockade notwendig ist, sehen Menschenrechtsorganisationen auch die | |
| Demokratie in Gefahr. Wenn der Zugang zu sozialen Medien um den Wahltag | |
| herum blockiert wird, dann sinken die Chancen auf eine freie und faire | |
| Wahl, wie Maria Burnett erklärt, Direktorin der Afrika-Sektion von Human | |
| Rights Watch. | |
| Im vergangenen Jahr wurden Internetblockaden aus Gabun, der Republik Kongo | |
| und Gambia gemeldet. In Gambia kappte der langjährige Diktator den Zugang | |
| kurz vor der Wahl, die er am Ende verlor. In Uganda, wo die Opposition | |
| wegen eines Gesetzes nur schwer öffentliche Treffen organisieren kann, | |
| befriedigt der Blogger Okwalinga den Hunger nach Informationen, die der | |
| Staat gern geheim halten würde. Allerdings sind seine Anschuldigungen oft | |
| nicht durch Beweise gedeckt. Allgemein wird davon ausgegangen, dass die | |
| ugandische Regierung Millionen bei dem Versuch ausgegeben hat, Okwalinga zu | |
| enttarnen. | |
| So scheiterte im Januar ein ugandischer Anwalt vor einem irischen Gericht | |
| mit dem Versuch, Facebook zu zwingen, die Identität des Nutzers | |
| preiszugeben. „Was Tom Voltaire Okwalinga veröffentlicht, ist glaubwürdig, | |
| weil die Regierung genug Gründe geschaffen hat, ihr nicht zu trauen“, sagt | |
| Robert Shaka, ein ugandischer Experte für Informationstechnologie. | |
| „Wenn wir eine offene Gesellschaft hätten, mit Transparenz als wichtigem | |
| Pfeiler unserer Demokratie, dann würde es keinen Grund für Leute wie Tom | |
| Voltaire Okwalinga geben.“ Shaka wurde 2015 unter dem Verdacht | |
| festgenommen, selbst der Blogger zu sein. Während seiner Zeit in Haft | |
| wurden jedoch weitere Posts unter dem Pseudonym veröffentlicht. | |
| ## Kamerun und Simbabwe | |
| Die ugandische Regierung sieht ihre Internetblockaden gerechtfertigt. „Wer | |
| ist der Chefredakteur von Facebook? Wer ist der Chefredakteur, der all | |
| diese Dinge in den sozialen Medien postet?“, erklärt Oberst Shaban | |
| Bantariza, ein Regierungssprecher. „Manchmal hat man keine Wahl, wenn es um | |
| etwas geht, muss man den Zugang einschränken.“ Die Regierung blockiere das | |
| Internet nicht gerne, müsse aber handeln, wenn die nationale Sicherheit auf | |
| dem Spiel stehe. | |
| In einigen englischsprachigen Gebieten von Kamerun schaltete die Regierung | |
| das Internet gleich für mehrere Wochen ab. Die Bevölkerung dort wirft den | |
| Behörden vor, ihre Sprache zugunsten des Französischen zu unterdrücken. Die | |
| Organisation Access Now schätzt, dass die Beschränkungen des World Wide Web | |
| die örtliche Wirtschaft mehr als 1,4 Millionen Dollar kosteten. In einem | |
| offenen Brief an die Internetkonzerne in Kamerun schrieb Access Now, solche | |
| Abschaltungen beschnitten den Zugang zu wichtigen Informationen, zu | |
| elektronischen Bankgeschäften und Notdiensten. | |
| In Simbabwe sind die sozialen Medien für die Regierung ein noch relativ | |
| neues Feld, seit im vergangenen Jahr ein Pastor zu Online-Protesten | |
| aufrief. Der Zugang zu sozialen Medien ist immer wieder blockiert, während | |
| die Behörden die Gebühren für die Nutzung des Internets um fast 300 Prozent | |
| angehoben haben. Auch User in Äthiopien bekommen die Restriktionen seit | |
| Monaten zu spüren. Ein Staatsbetrieb verfügt über alle | |
| Telekommunikationsdienste und schaltet immer wieder das Internet zeitweise | |
| ab. Nach schweren Protesten gegen die Regierung im Oktober verhängten die | |
| Behörden den Notstand. Die Brookings Institution schätzt, dass 30 Tage ohne | |
| Internet zwischen Juli 2015 und Juli 2016 die äthiopische Wirtschaft mehr | |
| als acht Millionen Dollar kosteten. | |
| Die Regierung führt an, über die sozialen Medien werde zur Gewalt | |
| aufgerufen. Die Bürger schenken dem aber keinen Glauben: „In Äthiopien | |
| demontieren die Informationen in den sozialen Medien die traditionelle | |
| Propagandamaschine der Regierung “, sagt Seyoum Teshome, Dozent an der | |
| Universität Ambo. „Das gefällt der Regierung nicht.“ Der | |
| Hochschulmitarbeiter saß im vergangenen Jahr wegen seiner Facebook-Posts 82 | |
| Tage in Haft. „Die Regierung will nicht, dass der Informationsfluss außer | |
| Kontrolle gerät und das sind Zeichen einer Diktatur.“ | |
| 16 Mar 2017 | |
| ## AUTOREN | |
| Rodney Muhumuza | |
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