# taz.de -- Kolumne Jung und dumm: All die armen Menschen | |
> Geklonte Tiere, Marketing-Zombies, Breakdancer-Mützen, FDP und | |
> Kannibalismus: Die Digitalisierung macht nirgendwo Halt. | |
Bild: Moderne Outdoor-Bekleidung ist nicht nur praktisch, sondern auch schick | |
„Zwei identische Araber aus dem Hause Crestview Genetics“ schauen uns da | |
also an, und blond sind sie auch noch. Die erste Klonung eines Pferdes, | |
erfahren wir in der FAS, gelang 2003. Erwähnte Firma „soll inzwischen 75 | |
Millionen Dollar wert sein. Besonders im Polo-Sport finden die Klone | |
reißenden Absatz. Mitunter tummeln sich gleich mehrere Kopien eines | |
Originals auf dem Spielfeld.“ Truman-Show-Syndrom heißt der Glaube, die | |
Welt bestehe aus einem begrenzten Repertoire an Schauspielern. Was denkt | |
ein Pferd, das seiner Kopie gegenübersteht? Und wer spielt hier Polo? | |
Menschen. Reiche Menschen. Solche, die sich Hartplastik spritzen, um länger | |
zu leben, und zwei Hausnummern haben, sodass man die Klingel nicht findet. | |
Wer das auch will, muss erben, muss: gründen. Das ist voll in grade. | |
Depressive Mittzwanziger twittern den Grind von der Seele und Carsten | |
Maschmeyer ist zu alt im Gesicht für den Enkeltrick. Ein paar Seiten weiter | |
kommt ein älterer Herr namens Titus Dittmann zu Wort, „Pionier der | |
deutschen Skateboard-Szene“, weshalb er die über die Stirn gezogene | |
Breakdancer-Mütze wohl noch bis zum Tod tragen muss: „Meiner Meinung nach | |
sollte jemand, der ins Unternehmertum einsteigt, erst mal gucken, ob er ein | |
guter Skateboarder geworden wäre. Nirgendwo fällt man öfter auf die | |
Schnauze.“ | |
Lévi-Strauss zog zwischen Rinderwahnsinn und der | |
Creutzfeldt-Jacob-Krankheit die Parallele, beides resultiere aus | |
Kannibalismus – die Rinder wurden mit Rindermehl gefüttert, den Menschen | |
menschliche Hormone gespritzt. Analog gilt: So wie ein Skateboard gleicht | |
auch ein Gründer dem anderen. | |
„Als Christian Lindner am 22. September 2013 gegen halb fünf nachmittags | |
unter die Dusche steigt, liegt seine Welt in Trümmern.“ Doch „mit den | |
Mitteln des Marketings“ baute er die „vernichtete“ FDP wieder auf, weiß … | |
Business Punk; mit „Humor“ und „radikaler Personalisierung“. Das ist | |
nämlich ganz was Neues. Was denkt ein Christian-Lindner-Plakat, das seiner | |
Kopie gegenübersteht? | |
Dagegen hält der Autor die etablierte Politik – „alte Männer, müde | |
Gesichter, ritualisierte Abläufe“. Lieber einen starken Mann an der Spitze: | |
„Der öffentlich aufgeführte Streit der Parteien“ funktioniere nun mal nic… | |
mehr, sei „ein falsches Spiel“ und – „langweilig“. | |
Zum Glück stimmt das nicht. Beim „Politiker-Speeddating“ vorm Rewe bittet | |
ein Langhaariger Heiko Maas erregt um Freilassung politischer Gefangener | |
und eine alte Frau klagt, dass nach der neusten Fernsehumstellung Phoenix | |
und Arte nicht mehr gingen, „ARD nur noch ganz, ganz verschwommen.“ Auch | |
Techniker hätten nicht helfen gekonnt. | |
In Kassel, Heimat des Kasseler Sonderbords, eines speziellen Steins zum | |
barrierefreien Einstieg in Busse, kann man sich derweil auf der Documenta | |
umgekippte Kühlschränke und einbetonierte Kleinkinder anschauen; sowie, in | |
einer ehemaligen Tofufabrik, einen Film über einen pflegebedürftigen | |
Kannibalen, der auf dem Sterbebett sagt, er würde sogar seinen Bruder | |
essen. Niemand ist sicher. | |
15 Sep 2017 | |
## AUTOREN | |
Adrian Schulz | |
## TAGS | |
Jung und dumm | |
Digitalisierung | |
Klontiere | |
Jung und dumm | |
Jung und dumm | |
Jung und dumm | |
Jung und dumm | |
Buch | |
Jung und dumm | |
Jung und dumm | |
Jung und dumm | |
Jung und dumm | |
Literarisches Quartett | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Kolumne Jung und dumm: Genug! | |
Das neue Jahr geht gut los. Wie das mit guten Vorsätzen halt so ist. Doch | |
da geht noch mehr: Wer 2018 dann auch bitte endlich schweigen soll. | |
Kolumne Jung und dumm: Was ist was ist was ist was | |
Wir Deutschen halten nicht mehr den Volkskörper sauber, sondern die Umwelt. | |
Der bedingungslose Wille zur Angst ist aber geblieben. | |
Kolumne Jung und dumm: Mit Totschlägern reden | |
Selbst Rechte mögen uns Schwule neuerdings, sie wollen uns vor dem Islam | |
beschützen. Und deshalb müssen wir mit ihnen reden, reden, reden. | |
Kolumne Jung und dumm: Das Ende des Handys | |
Unser Autor hat sein Smartphone entsorgt. Geht das 2017 überhaupt noch? | |
Klar, es gibt ja Emoji-Filme und Telefonzellen. | |
US-Buch zu verkindlichter Gesellschaft: Selbst Alte wollen nur Fun | |
Nebraskas Senator hat ein grauenhaft zu lesendes Buch geschrieben. Und ist | |
im Recht: Wir sind zu kindlich. Das Netz und Hubba Bubba sind schuld. | |
Kolumne „Jung und dumm“: BRD, damals und heute | |
Mundgeruch und Gras und Furz. Stinkend zogen sich die Sommer der Kindheit | |
hin. Heute ist alles komfortabler – dank der Heilkraft der Automobile. | |
Kolumne Jung und dumm: Bullen ficken | |
Die G20-Polizeihelden von Hamburg verdienen nicht nur Respekt, sondern | |
Liebe. Die Ehe für alle bietet dafür neue Möglichkeiten. | |
Kolumne Jung und dumm: Moorleiche, Arschzapfen | |
Der Hass auf die Menschen verdrängt jeden Kummer. Aber was ist aus meinem | |
Kumpel am Kaugummiautomat geworden? | |
Kolumne Jung und dumm: Drehbuch eines Horrorfilms | |
Unser Autor sitzt in seinem Zimmer inmitten benutzter, heiß dampfender | |
Kochtöpfe und lässt uns an seinem Fatalismus teilhaben. | |
Kolumne Jung und dumm: Wenn Weidermann weint | |
„Die Unglückseligen“: Literaturkritiker haben neuerdings auch Gefühle. Und | |
Gedanken. Manchmal sogar zwei auf einmal. |