# taz.de -- Kolumne Jung und dumm: Was ist was ist was ist was | |
> Wir Deutschen halten nicht mehr den Volkskörper sauber, sondern die | |
> Umwelt. Der bedingungslose Wille zur Angst ist aber geblieben. | |
Bild: Alles schön sicher einlagern! | |
Den Holocaust setzte der Atlantic Monthly nur auf Platz 3 in einer Liste | |
der Verbrechen, die den „Verlauf der Geschichte“ am meisten verändert | |
haben. Knapp dahinter, aber immer noch sehr weltbewegend: die Ausrottung | |
der indigenen Einwohner Amerikas; abgeschlagen auf Platz 5: die Sklaverei. | |
Einfach das bessere Gesamtpaket lieferte die Ermordung von Jesus (Platz 2) | |
ab. Ungeschlagen auf Platz 1: das Attentat auf den österreichischen | |
Thronfolger Franz Ferdinand. | |
Zum Glück wissen wir nicht erst seit dem dummen Trump, dass die Amis | |
einfach zu kulturlos sind, um unsere Verbrechen angemessen wertzuschätzen. | |
Und wir haben ja auch damit abgeschlossen. Ein bisschen zumindest. Immerhin | |
halten wir nicht mehr den Volkskörper sauber, sondern die Umwelt, trennen | |
den Müll: in Altpapier, Atom – und zu entsorgende Mitbürgerinnen falscher | |
Pigmentdichte. | |
Den „bedingungslosen Willen zur Angst“ haben wir nämlich vorerst noch | |
einbehalten, ebenso die „Perspektive, ein Menschenleben vorrangig unter dem | |
Gesichtspunkt seiner Auslöschbarkeit zu betrachten“ (W. Pohrt). | |
Die einige Seiten später in Atlantic Monthly vorgestellte Methode zur | |
Aufbewahrung von Atommüll wäre in Deutschland also völlig undenkbar. Das | |
Problem der „nuklearen Semiotik“: Zukünftige Erdbewohner können womöglich | |
unsere Schrift nicht mehr lesen, sollen aber keinesfalls das Strahlengebräu | |
ausgraben, das da in den Stollen liegt. | |
Weil die deutsche Variante – das Verbotsschild – wohl im Gegenteil eher die | |
Neugierde weckt, dachten Forscher zunächst daran, Katzen in wechselnden | |
Farben an die entsprechenden Stellen zu setzen – you’d be freaked out | |
enough to stop. | |
## Problem mit Überdeterminierung | |
Die Finnen haben indes radikal anders entschieden: Sie machen mit ihrem | |
Endlager Onkalo für hochradioaktive Abfälle einfach gar nichts. Lassen | |
boring bedrock boring bedrock sein. A few hundred years from now, Onkalo | |
may be all but forgotten. | |
Auch Linke haben ja ein Problem mit Überdeterminierung. Da können | |
AfD-Kandidatinnen nicht lesbisch sein oder aber Witze über „Muschis“ nicht | |
sexistisch, nein, ganz ausgeschlossen; andersherum müssen Rassisten arm, | |
ländlich und abhängt sein, ja von irgendeiner Political Correctness zum | |
Heulen und Hassen gebracht, weil, na, sonst wären sie niemals Rassisten | |
geworden; außerdem sind sie in jedem Fall schlimmer dran als ihre Opfer, | |
die sind ja nun mal selber schuld, und das ist ja auch egal jetzt. | |
Wenn sowieso alles sinnlos ist, kann man auch Sport machen. Zum Beispiel | |
bei Paranova N., meiner bewegolomanischen Aerobictrainerin. In der Umkleide | |
hört man Sätze wie „Bruder, ich spür schon den Pump“; in der Halle nimmt | |
einen die Musik in sich auf. | |
Eigentlich gehe ich nur wegen der Musik dahin. Das ist so eine | |
Pow-Pow-Power, die da drinsteckt, ganz unglaublich. Wie Disco in gut. Mein | |
Lieblingslied ist „Swish Swish“ von Katy Perry. Das bedeutet Rascheln. Also | |
Rascheln Rascheln. Es beginnt paradox: „They know what is what / But they | |
don’t know what is what“. | |
Eine schöne Vorweihnachtszeit wünsche ich Ihnen. | |
22 Nov 2017 | |
## AUTOREN | |
Adrian Schulz | |
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