# taz.de -- Nach dem Großbrand im Grenfell Tower: Zwischen den Welten | |
> Das Londoner Hochhaus, in dem am 14. Juni 80 Menschen verbrannten, | |
> gleicht einem Grabstein. Ein Besuch bei den Überlebenden und | |
> Geschädigten. | |
Bild: Der Horror: Die Ruine des Grenfell Towers, wo mindestens 80 Menschen verb… | |
Unweit der Londoner U-Bahn-Station Latimer Road steht der Grenfell Tower, | |
dieser schwarz verkohlte, fast 70 Meter hohe, den Stadtteil Nordkensington | |
überragende Betonklotz, in dem am 14. Juni dieses Jahres 80 Menschen | |
verbrannten. Viele sagen, es waren mehr. Bevor das Hochhaus zur Ruine | |
wurde, ein gigantischer Grabstein inmitten der Stadt, war es ein | |
24-stöckiger Sozialwohnungsbau, erbaut 1974, den die Stadtverwaltung des | |
eher nobleren Bezirks Kensington & Chelsea als Schandfleck empfand. | |
Bis heute werden Blumen rund um den U-Bahnhof bis hin zur 300 Meter | |
entfernten Hochstraße Westway abgelegt. Überall hängen Transparente und | |
Bilder, liegen Plüschtiere oder brennen Kerzen. Fotos oder Zeichnungen von | |
Umgekommenen sind aufgestellt: Jessica, Moses, Kadija, Zainab und ihr Sohn, | |
auch ganze Familien. Daneben hängen Zeitungsausschnitte über die | |
Machenschaften der Stadtregierung, Termine von Lobbygruppen, Angaben zu | |
Hilfen für Überlebende. | |
Im nahen Portobello Park bieten Freiwillige umsonst Therapien an, in einem | |
anderen rauchen junge Männer Joints und sprechen über das Leben. Eine | |
ältere Frau bündelt jeden Abend neue Blumen auf einem Tisch. Trotz allem | |
aber geht das Leben weiter. Irgendwie. Auch für den Vater eines im Feuer | |
verstorbenen Kindes. Stoisch sitzt er im Pub gegenüber der Ruine, wo | |
Fußball- und Pferderennen auf den Bildschirmen laufen. | |
Seit dem Hochhausinferno gab es drei Treffen zwischen Vertretern der | |
Stadtbehörde und den Betroffenen. Das erste fand noch im Rathaus statt, die | |
anderen in der Methodistenkirche in unmittelbarer Nähe der Ruine. Sie | |
führten zu nichts. Die Verantwortlichen zählen auf, was sie für die Opfer | |
tun wollen. Die Opfer beklagen, dass nichts getan wird. Welten treffen | |
aufeinander: Auf der einen Seite der Bezirk Kensington & Chelsea, der | |
reichste Englands, wenn nicht Europas, der sich bis in die | |
Goldpflastergegenden von Südkensington, Chelsea und Kinghtsbridge | |
erstreckt, wo Geld keine Rolle spielt und Villen für viele Millionen den | |
Besitzer wechseln. Auf der anderen die Bewohner des ärmeren Nordens des | |
Bezirks. | |
Sie sind auf sich selbst gestellt. Bei den Treffen machten die Betroffenen | |
klar: „Charity is not justice:“ Es geht nicht um wohltätige Hilfe, es geht | |
um Recht und Gerechtigkeit. „Wir wollen nur das, was uns, wie allen | |
zusteht: ein Recht auf sicheres Wohnen, qualitative Bildung, ein gutes | |
Leben und eine würdevolle Behandlung.“ | |
Der Kiez Notting Dale rund um Latimer Road, wo der Grenfell Tower steht, | |
hat eine besondere Geschichte, die „weniger aus seinen Gebäuden hervorgeht, | |
sondern vor allem aus den Erinnerungen seiner kosmopolitische Bevölkerung“, | |
wie die Autorin Sharon Whetlor in ihrem Buch zur Geschichte der Gegend | |
schreibt. In der abgrundtiefen Armut des 19. und frühen 20. Jahrhunderts | |
wurden hier Ziegel gebrannt, hier lebten die Waschfrauen der Reichen, es | |
gab stinkende Schweinefarmen in der Gegend, durchs Land streifende irische | |
Traveller, Nomaden, die hier campierten. | |
Arme Engländer und Iren, verzweifelte Einwanderer, Deutsche, Juden aus | |
Polen, Flüchtlinge aus Spanien, Italiener, Migranten aus der Karibik, | |
Marokkaner, Westafrikaner, Somalier, Sudanesen und Osteuropäer lebten | |
nebeneinander, viel früher als anderswo in London, in mitunter winzigen, | |
überfüllten Wohnparzellen fanden sie eine Bleibe. | |
Früh gab es auch Konflikte mit der Aristokratie, der das Land gehörte. Als | |
der Unternehmer John Whyte 1837 eine Pferderennbahn mitten durch die Gegend | |
bauen ließ, wehrten sich die Menschen. Die Rennbahn wurde 1841 wieder | |
dichtgemacht. Whyte verkaufte das Land, was zum Bau der ersten staatlichen | |
Häuser führte. Allerdings gab es auch unter den Bewohnern mal Ärger. | |
So wurden im Jahr 1914 deutsche Migranten schikaniert, genauso wie in den | |
1950er Jahren Einwanderer aus der Karibik – immer galten Letztere als | |
Bedränger derer, die ohnehin schon unter erbärmlichen Wohnverhältnissen | |
lebten. | |
1958 kam es zu Straßenkämpfen, britische Faschisten tauchten auf, ein | |
Schwarzer wurde von weißem Mob ermordet: der 32jährige Kelcho Cochrane aus | |
der Karibikinsel Antigua. Sein Tod zeigte den Bewohnern, wie sinnlos es | |
ist, sich gegenseitig zu bekriegen, anstatt etwas gemeinsam zu gestalten. | |
Schon ein Jahr später, 1959, wurde der erste Notting Hill Carnival | |
gefeiert, heute Europas größtes Straßenfest. Der Carnival sei „kulturelle | |
Affirmation“, sagt Francis Pepe, der heutige Vorsitzende des | |
Organisationskomitees, ein anderer sagt, es sei „eine politische, stolze | |
Manifestation“. | |
In einem Tower nicht weit von Grenfell lebt Shirvin Best, der 1954 in | |
Barbados auf die Welt kam und 1964 nach London zog. In seiner Jugend, | |
erzählt er, war North Kensington eine Gegend, wo Menschen wie er mit | |
afro-karibischem Hintergrund sich sicher fühlen konnten. Zwar habe die | |
Polizei junge Männer wie ihn oft wahllos verfolgt, aber seine Großmutter | |
habe ihm eingeschärft, nie die Würde aufzugeben und sich nicht unterkriegen | |
zu lassen. | |
Als die Londoner Stadtverwaltung in den 1970er Jahren mitten durch die | |
Gegend die Stadtautobahn Westway zog, eine Hochstraße, für die viele | |
Wohnhäuser weichen sollte, wurde das als Aggression wahrgenommen, die die | |
Bewohner des Kiezes weiter einte. Zwar konnten sie den Westway, der hier | |
massiv die Luft verdreckt, nicht verhindern, aber immerhin die Parkplätze, | |
die unter der Hochstraße gebaut werden sollten. Stattdessen ging das Land | |
mit fast 10 Hektar in kommunalen Besitz über, ein Park entstand, dessen | |
Gemeinnützigkeit von der Gemeinschaft bewacht wird. | |
Unter der Straße, von den Arkaden der Betonautobahn vor dem Wetter | |
geschützt und durch die Straßenbeleuchtung vor der Dunkelheit, spielt man | |
Schach und trifft sich. Hier versammelten sich die Menschen auch nach der | |
Brandkatastrophe, es entstandan auf dem Beton Wandgemälde, die an die Toten | |
erinnern oder soziales Wohnen fordern. Hier fanden neulich einige der | |
Bestattungsfeiern für Opfer des Brandes im Grenfell Tower statt. | |
Grenfell Tower entstand ebenfalls in dieser Zeit, und der Bau des Westway | |
und weiterer Sozialsiedlungen erzeugte auch eine Gegend leerstehender | |
Altbauten, in die Wohnungssuchende einzogen. Als Londons Stadtverwaltung | |
sei 1977 räumen wollte, erklärten die Hausbesetzer sich selber zur | |
„Unabhängigen Republik Frestonia“, benannt nach einer der Straßen. Der | |
Konflikt endete mit der Gründung einer Wohnkooperative, die bis heute | |
besteht. | |
Die Mittsechzigerin Lizzie Spring erinnert sich, wie experimentell und | |
radikal das Leben dort damals war. Man stritt sich mit den staatlichen | |
Behörden um den Erhalt der öffentlichen Badeanstalt und des Waschhauses und | |
diskutierte über militanten Feminismus. Heute ist sie in Gesprächen mit dem | |
Londoner Bürgermeisteramt verwickelt, um Menschen in Sozialwohnung mehr | |
Mitverantwortung zuzugestehen, statt sie alle als hilflose Personen mit | |
Problemen zu behandeln, wie es eben auch mit den Überlebenden von Grenfell | |
geschieht. | |
Meg McDonald ist 75. 1967 zog sie aus Nottingham in die Gegend. Seit sie | |
hier lebe, meint sie, stehe man in Auseinandersetzungen mit den städtischen | |
Behörden, die keinerlei Verständnis aufbrächten für das, was die Menschen | |
hier bräuchten. Einmal, erzählt sie, schaffte es die Community, ein | |
Gebäude, das die Bezirksverwaltung abreißen wollte, beim Denkmalschutz | |
anzumelden, „aber in der Nacht, bevor der Denkmalschutz gegolten hätte, | |
ließ der Beziek es zerstören“. Auch eine berühmte gesamtschule von Holland | |
Park konnte nicht gerettet werden. | |
Es überrascht Aktivistinnen wie Meg nicht, dass die neue | |
Bezirksbürgermeisterin Elizabeth Campbell zugeben musste, in all ihren | |
Jahren im Bezirksrat noch nie eine Wohnung in einem Bau wie Grenfell Tower | |
betreten zu haben. Erfolge gibt es aber auch: Den Tabernakel, ein | |
Kulturzentrum, konnten sie retten. | |
Im Jahr 2009 gab die Bezirksbehörde dann Pläne bekannt, dass Notting Dale, | |
die Gegend um den Grenfell Tower bis zum Westway, vollkommen umgebaut | |
werden sollte. Warum? Weil der „Grenfell Tower die Sicht nach Osten | |
verdeckt“, war eine Begründung. Zudem sei „die „Straßenführung der soz… | |
Wohnbauten im Viertel aus den 1960ern und 1970ern irrational“ und die | |
fälligen Reparaturen an den Sozialbauten zu aufwendig. Auch wurde | |
Kriminalität angesprochen, obwohl die Kriminalitätsrate durchschnittlich | |
ist in der Gegend, während sie im reichen Süden des Bezirks viel höher ist. | |
Dass die Umbaupläne auf Ignoranz basieren, entnahmen die Bewohner der | |
Tatsache, dass selbst die von ihnen erkämpften Gemeinschaftszonen entlang | |
des Westway nun bebaut werden sollten. Aber der Bezirk sprach darüber nicht | |
mit dem zuständigen Westway-Verein, er wurde verklagt, immer wieder mussten | |
die Pläne umgeschrieben werden. „Im Grunde machte die Behörde so viele | |
Fehler, dass wir optimistisch waren, dass aus den Umbauplänen nichts wird“, | |
sagt Michael Jardine, ein Aktivist, der kurz zuvor in die Gegend gezogen | |
war. | |
Und Piers Thompson, DJ mit Oxford-Diplom, der sich „ein aus dem Punk | |
gwachsener Rebell“ nennt und gegenüber dem Grenfell Tower eine Wohnung | |
besitzt, erzählt, dass bis Anfang des Jahres 22 Prozent des Gebiets, das | |
umgebaut werden sollte, aus den Umbauplänen herausgenommen wurde. Gerade | |
jene Häuser von Störenfrieden wie Thompson. | |
Auch im Grenfell Tower und bei dessen Aktivistengruppe „Grenfell Action | |
Group“ gibt es Menschen mit rebellischer Einstellung, wie Thompson sie hat. | |
Dass die Grenfell Action Group immer wieder darauf hingewiesen hatte, dass | |
die Sicherheit des Wohnblocks bei einem Feuer nicht gewährleistet werden | |
könne, ist mittlerweile bekannt. Auch, dass man der Gruppe mit rechtlichen | |
Schritten drohte, sollten sie weiter mahnen, und sie als Verlierer | |
hinstellte, die nur Probleme machten. | |
Hätte man auf sie gehört, hätten die Menschen in Grenfell Tower ihr Leben | |
nicht verloren. Bis heute stehen die Leute von der Grenfell Action Group | |
unter Schock. Sie sind nicht die Einzigen. Piers Thompson, der DJ, | |
berichtet von seiner Tochter, die mit einer Freundin den Tod eines | |
Mädchens, das im Feuer umkam, auf Snapchat verfolgte. | |
Piers Thompson weiß, dass es den Bewohnern des Towers bei der Renovierung | |
gar nicht so sehr um die neue Fassade ging. Sie wollten vielmehr endlich | |
funktionierende Aufzüge, eine bessere Beleuchtung, solche Dinge eben. Die | |
Fassade war mehr ein Aspekt fürs Verwaltungsprestige, für das äußere | |
Gesicht des Towers. Der Umbau des Kiezes hatte übrigens auch zum Neubau der | |
örtlichen Schule geführt, die der Feuerwehr dann den Rettungsweg verengte. | |
Während der Grenfell Tower renoviert wurde, ließ der Bezirk auf der anderen | |
Seite der U-Bahn eine Zone mit Werkstätten und Kleinindustrie abreißen. | |
Modellsozialwohnungen wurden dort gebaut. Von der U-Bahn Latimer Road sieht | |
man einen modernen Ziegelbau, auf dem Dach ein eigentlich unnötiges | |
Kunstobjekt mit goldenen Kugeln. So soll Wertsteigerung erzeugt werden. In | |
den Umbaudokumenten wird immer wieder das Immobilienpotenzial der Gegend | |
erwähnt. Dass hier aber vor allem ärmere Menschen wohnen, kam den Planern | |
wohl weniger zupass. Sie wollten vorantreiben, was weiter südlich bereits | |
geschah: Normale Mehrfamlienhäuser wurden luxuriöse Einfamilienvillen. | |
Als bei den britischen Parlamentswahlen am 8. Juni, eine Woche vor dem | |
Brand, die Labour-Politikerin Emma Dent-Coad den bislang konservativen | |
Wahlkreis Kensington gewann, erschien es als Überraschungssieg. Viele in | |
der Gegend erzählen, dass sie am 8. Juni nicht für Labour, sondern „für | |
Emma“ stimmten. Die langjährige Gemeinderätin hatte lokale Kampagnen gegen | |
die „Regenerierung“ von Notting Dale unterstützt, ebenso Kampagnen für die | |
Rettung der von Schließung bedrohten Stadtteilbibliothek, eines | |
Gemeinschaftspubs oder einer weiterführenden Schule mit Sprachkursen für | |
Migranten. | |
Doch North Kensington war immer schon Labour-Territorium, die Konservativen | |
dominierten im Süden. Und der Bezirk, der Royal Borough of Kensington and | |
Chelsea, ist fest in konservativer Hand. Es ist der Bezirk, der über | |
Planungsangelegenheiten bestimmt. | |
Erst nach dem Brand wurden von der Bezirksverwaltung einige Konzessionen | |
gemacht. So versprach die Bürgermeisterin Elizabeth Campbell, ebenfalls | |
ehemalige Gemeinderätin, die nach dem Rücktritt von Nicholas Padget-Brown | |
infolge des Grenfell-Infernos das Amt übernahm, dass alle Umbauvorhaben | |
vorerst aufgehoben werden und dass auch die Bibliothek erhalten bleibt. | |
Die direkte Verantwortung für die Verwaltung von Sozialbauten wie Grenfell | |
Tower liegt nicht beim Bezirk, sondern bei der „Kensington and Chelsea | |
Tenant Management Organisation“ (TMO) – ein gemeinschaftliches Konstrukt, | |
welches die Aktivisten in den 80er Jahren lange gefordert hatten, das aber | |
so aufgebaut ist, dass alle wichtigen Entscheidungen dann doch | |
ausschließlich von den Bezirksräten getroffen werden. So auch alle | |
Entscheidungen zur Renovierung von Grenfell Tower. Die traf der | |
konservative Bezirksrat Rock Feilding-Mellen, der nun ebenfalls | |
zurückgetreten ist. Er soll persönlich entschieden haben, für die neue | |
Außenfassade des Towers Billigmaterial zu nutzen, obwohl mehr Geld | |
bereitgestellt war. | |
Als Grenfell Tower brannte, wollte der Bezirk ebenfalls alles alleine | |
bewältigen, kritisiert Yvette Williams, Tochter von Einwanderern aus | |
Antigua, jener Insel, aus der der 1958 ermordete Kelcho Cochrane gekommen | |
war. Sie kommt aus einer politisch engagierten Familie, Teil der | |
Unabhängigkeitsbewegungen in der Karibik, ihr Vater war auf Antigua | |
Polizist, sie selbst arbeitete in Londoner Kampagnen gegen Rassismus und | |
auch im schwarzen Kulturzentrum „Mangrove“, welcher der Gentrifizierung | |
gewichen ist. Sie erinnert sich an eine Maklerwerbung vor drei Jahren, auf | |
der stand, „dass schwarze Menschen zum Tanzen geboren werden, und Weiße zum | |
Wohnungsverkauf“, erzählt sie. „Wir haben dem Makler 24 Stundn gegeben, das | |
zu entfernen. Er gehorchte.“ | |
Als einige Tage nach dem Feuer klar wurde, dass die Grenfell Community | |
Unterstützung braucht, gründete Yvette Williams zusammen mit anderen die | |
Gruppe Justice4Grenfell. Poster ihrer Kampagne, die den Rücktritt der | |
Bezirksverwaltung fordern, hängen nun überall. Wegen der unbefriedigenden | |
Unterstützung seitens der Behörden begann Justice4Grenfell selbst Hilfe für | |
die Betroffenen zu organisieren, sei es Trost spenden, Geldspenden | |
verteilen, juristische Hilfe bei Entschädigungen organisieren, die | |
Betroffenen politisch vertreten oder Ersatzwohnungen organisieren. | |
Inzwischen gibt es ein Hilfsprogramm des Bezirks, aber es hat Lücken und | |
das gegenseitige Misstrauen bleibt. Niles Hailstones, Rasta und | |
Vorsitzender der Kampagne „Westway 23“, erzählt bei einem öffentlichen | |
Gespräch, dass Polizisten neulich ihn und seinen Sohn zu Boden warfen und | |
ihnen Handschellen anlegten, wegen Verdachts auf Drogenbesitzes. | |
Die Bezirksverwaltung sagt, es werde bis zu einem Jahr dauern, bis alle | |
durch Grenfell obdachlos gewordenen Bewohner eine neue Bleibe haben. Der | |
Guardian indes recherchierte, dass allein in Kensington 1.652 Häuser und | |
Wohnungen leer stehen. Der neue Bezirksverantwortliche für Sozialwohnungen, | |
mit ausdrücklicher Verantwortung für die Geschädigten von Genfell Tower, | |
ist der konservative Bezirksrat Kim Taylor-Smith, selbst im | |
Immobiliengeschäft tätig. | |
Staatlich ernannte Beraterin an seiner Seite als Chefin eines „Grenfell | |
Fire Response Team“ von Bezirksverwaltern aus ganz London, ist Eleanor | |
Kelly, Leiterin des Labour-Bezirksrats von Southwark – ein Bezirk am | |
Südufer der Themse, dessen Labour-Verwaltung sich in den letzten Jahren | |
einen besonders schlechten Ruf der sozialen „Säuberung“ erstritt, als sie | |
die Sozialsiedlung Heygate abriss, um das Land einem australischen | |
Immobiliengiganten zu verpachten. | |
Weder konservative noch Labour-Politiker wollten für diesen Artikel | |
Stellung zu den Vorwürfen der Geschädigten beziehen. Aber von diesen hoffen | |
einige nun, dass nun vielleicht endlich alle kapieren würden, | |
Alteingesessene und reiche Zugezogene, wie katastrophal das Versagen der | |
Verwaltung sei. | |
„Wissen Sie“, sagt eine „viele der Neuen, die mit viel Geld herkommen, | |
wollen dann doch Teil der stolzen Geschichte der Gegend sein – mit ihren | |
Einwanderern, den portugiesischen Cafés, den marokkanischen Basaren, dem | |
karibischen Flair, der spanischen Schule, den Künstlern, dem Markt und dem | |
Flair. Ich meine, sonst könnten sie ja auch woanders hinziehen. Vielleicht | |
wird Grenfell etwas ändern und den Leuten die Augen öffnen.“ | |
Am Wochenende nun wird der Notting Hill Carnival stattfinden.Die | |
Grenfell-Gemeinschaft beteiligt sich eifrig. Schon letztes Jahr kreierte | |
die Künstlerin Sophie Lodge ein großes Herz, inmitten dessen das Wort | |
„Community“ stand. Einen Tag nach dem Inferno rief sie die Gemeinschaft | |
auf, mit solchen Herzen jeden Tag bis zum Karneval ein Zeichen zu setzen. | |
Jeden Tag fertigt sie zusammen mit anderen nun im Portobello Park solche | |
Herzen an, sie sollen im Umzug getragen werden. | |
Der Karneval „zeigt, dass wir immer noch hier sind“, sagt Francis Pepe. | |
„Allerdings wird es eine Schweigeminute geben sowie religiöse Zeremonien, | |
bevor der Umzug beginnt“, sagt er, „und wenn wir am Tower vorbeiziehen, | |
bleiben wir still.“ | |
26 Aug 2017 | |
## AUTOREN | |
Daniel Zylbersztajn | |
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