# taz.de -- Abschiebungen in den USA: Gott hat neue Mitbewohner | |
> Vielen papierlosen Immigranten droht die Abschiebung. Amanda Morales | |
> zieht daher in ein Gotteshaus – das erste Kirchenasyl unter Trump in New | |
> York. | |
Bild: Ungewöhnliches Interieur: Familie Morales in ihrem neuen Heim | |
NEW YORK taz | „Bringen Sie ein Ein-Weg-Flugticket nach Guatemala mit“, | |
lautete die Aufforderung. „Was soll ich mit meinen Kindern machen – sie | |
sind hier geboren und US-Staatsangehörige?“, fragte Amanda Morales. Der | |
Beamte der US-amerikanischen Ausländerpolizei ICE zuckte die Schultern: | |
„Die nehmen Sie mit.“ | |
Die 33-jährige Guatemaltekin ist aufgewühlt, wenn sie über die Szene im | |
ICE-Büro spricht. Seit sie im Jahr 2012 nach einem Autounfall in eine | |
Ausweiskontrolle geriet, muss sie sich dort regelmäßig melden. Doch bislang | |
reichte es, wenn Morales nachweisen konnte, dass sie unbescholten war. | |
Eltern von in den USA geborenen Kindern wurden verschont, so lange sie | |
keine Straftaten begingen. | |
Mit dem Amtsantritt von Präsident Donald Trump hat sich das verändert. | |
Millionen papierlose Immigranten hören jetzt täglich von Razzien in ihren | |
Stadtteilen und davon, dass die ICE auch an Orten zugreift, die zuvor tabu | |
waren. Dazu gehören etwa Schultore, wo Eltern ihre Kinder abliefern. | |
Morales verstand jedenfalls sofort, was Ein-Weg-Flugticket bedeutet: | |
Abschiebung und dass sie nie wieder in die USA kommen darf. | |
## Neues Zuhause Holyrood-Kirche | |
Als 19-Jährige hatte sie Guatemala verlassen, als sie befürchtete, | |
entführt zu werden. Ihre Kinder sind dort nie gewesen. „Guatemala ist zu | |
gefährlich“, sagt sie. Seit 14 Jahren sind die USA ihr Zuhause. Sie hat | |
eine Wohnung, eine Arbeit und Freunde. Sie zahlt Steuern, und ihre Töchter | |
gehen in die Schule. | |
Die junge Mutter kauft kein Flugticket. Und am Donnerstag, dem Tag ihrer | |
angekündigten Abschiebung, geht sie nicht zu dem Termin bei der ICE am | |
Federal Plaza in Downtown New York. Stattdessen fährt Morales mit ihren | |
Kindern und Taschen voller Kleider und Spielzeug an den nördlichsten Zipfel | |
von Manhattan. | |
In der Holyrood-Kirche in Washington Heights begrüßt ein Empfangskomittee | |
aus Priestern, Rabbinern, Stadtteilaktivisten und New Yorker Politikern die | |
Familie. Alle wollen ein Zeichen gegen die Ausländerpolitik von Donald | |
Trump setzen. | |
## David umklammert Mickymaus | |
Die Gemeinde war schon lange auf den Tag vorbereitet, an dem erstmals die | |
Opfer von Trumps Null-Toleranz-Ausländerpolitik in New York an ein | |
Kirchentor klopfen würden. Schließlich haben in anderen Bundesstaaten wie | |
Connecticut und Colorado schon vor Monaten Menschen Zuflucht in Kirchen | |
gesucht. | |
„Danke, Amanda, dass wir Teil deines Kampfes sein dürfen“, sagt Pastor Luis | |
Barrios. Er verspricht „alle erdenkliche Hilfe und ein Bleiberecht in der | |
Kirche, so lange es nötig ist“. Über Trump sagt Barrios: „Er sollte sich | |
schämen, Familien auseinanderzureißen“. | |
Morales steht neben ihm vor der Kirchenorgel im Hauptkirchenschiff, das nun | |
ihr Zuhause ist, ihre drei Kinder ganz nah bei sich. Der zweieinhalbjährige | |
David umklammert eine Mickymaus aus Plüsch. Die zehnjährige Dulce erzählt, | |
dass sie und ihre achtjährige Schwester Daniela weinen, wenn sie daran | |
denken, dass ihre Mama abgeschoben werden soll. | |
## „Tauchen Sie ab“ | |
Bislang hat die Familie in der per U-Bahn fast zwei Stunden entfernten | |
Vorstadt Farmingdale auf Long Island gelebt. Wenige Tage vor ihrem Einzug | |
in die Kirche hat Morales in der Fabrik auf Long Island, die Saiten für | |
Musikinstrumente produzierte, gekündigt. Sie weiß, dass ihr Kirchenasyl | |
monate-, vielleicht sogar jahrelang dauern kann. Wenn in der nächste Woche | |
das neue Schuljahr beginnt, müssen die Mädchen in eine neue Schule in | |
Washington Heights. Weil ihre Mutter die Kirche nicht verlassen kann, | |
werden Mitglieder der Gemeinde sie dorthin begleiten. | |
„Trump will aus diesen Kindern ICE-Waisen machen“, sagt Juan Carlos Ruiz, | |
Priester und Aktivist von der neuen Sanctuary-Bewegung. Ihn hatte Morales | |
um Hilfe gebeten, nachdem alle vier Einwanderungsanwälte, die sie | |
konsultierte, abgewunken hatten. Deren einziger Rat war: „Tauchen Sie ab.“ | |
Juan Jose Ruiz schlug Morales die Kirche in Washington Heights für ein | |
Kirchenasyl vor. | |
## Antwort in den nächsten 90 Tagen | |
Theoretisch können die Beamten von der ICE auch in eine Kirche eindringen, | |
um Einwanderer abzuholen. Doch der Pastor hofft, dass die ICE religiöse | |
Stätten respektiert – so wie es bislang üblich war. Sicherheitshalber hat | |
die Gemeinde junge Freiwillige organisiert, die außerhalb der Kirche ihre | |
Runden gehen. | |
Während Morales auspackt, bereiten Abgeordnete aus dem Parlament des | |
Bundesstaats New York und aus dem US-Kongress einen gemeinsamen Antrag auf | |
eine Aufenthaltsgenehmigung für Morales vor. Als sie den Antrag am Montag | |
beim ICE-Büro am Federal Plaza überreichen, sagen die Beamten eine Antwort | |
in den nächsten 90 Tagen zu. Für Morales’ Helfer ist das ein erster kleiner | |
Erfolg. | |
24 Aug 2017 | |
## AUTOREN | |
Dorothea Hahn | |
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