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# taz.de -- Interview mit KaDeWe-Verkäufer: „Wir sind die Universität der F…
> Wer edlen Fisch essen will, kommt an ihm kaum vorbei: Mafouka Sega, Chef
> der Seafood-Abteilung im KaDeWe, über Auswahl, Gotteslachse und
> Nachhaltigkeit.
Bild: „Ich bin gelernter Fischer, meine Mutter verkauft Fische auf dem Markt,…
taz: Herr Sega, wie viele Fischsorten haben Sie im Angebot?
Mafouka Sega: Normalerweise führen wir 15 bis 20 Sorten Filet und 20 bis 30
Sorten von der ganzen Ware, also den unfiletierten Fischen. Das ist
abhängig von der Saison und vom Wochentag. Von Montag bis Donnerstag ist
das Angebot etwas reduziert, am Wochenende, wenn die meisten Kunden kommen,
ist die Vielfalt größer. Insgesamt können Sie bei uns um die 70 bis 80
Sorten Fisch und Meeresfrüchte kaufen, das ist schon gigantisch.
Wo findet man denn den nächsten Laden mit einer solchen Auswahl?
Normalerweise reden wir nicht von Konkurrenz. Wir sind die beste Theke
nicht nur Berlins, sondern Deutschlands. Wenn Sie andere Fischläden
besuchen, sehen Sie einen Kindergarten – wir sind die Universität der
Fische (lacht). Konkurrenz mit dieser Bandbreite an Fischen haben wir im
Grunde nur in den Küstenstaaten wie Frankreich, Spanien oder Portugal.
Welche Fischart in Ihrer Theke hat den weitesten Weg hinter sich?
Das dürfte der Gotteslachs sein, der kommt je nach Saison aus Hawaii. Dann
haben wir Kingfish aus Australien und Red Snapper aus Neuseeland.
Solche exotischen Fische gibt es vermutlich in keinem Großmarkt. Wie
funktioniert Ihr Einkauf?
Wir haben direkte Partner im Ausland und Lieferanten, von denen ich die
Information erhalte, was gerade gefischt wird – jetzt ist Schwertfischfang
im Indischen Ozean, jetzt gibt es Langusten in Madagaskar oder Papageifisch
von der Elfenbeinküste. Ich entscheide dann, was wir für die Theke ordern,
und die Ware wird uns direkt geliefert. Wir bekommen sie jeden Tag frisch,
von Montag bis Samstag, deshalb müssen wir uns nicht bevorraten. Sprich:
Wir haben kein Lager.
Der Papageifisch in Ihrer Theke ist also erst gestern gefangen worden?
Die Zeit zwischen Fang und Verkauf liegt bei uns ungefähr bei drei Tagen.
Die Fische werden in den Fangländern direkt zur Kontrolle durch den
Veterinär und dann zum Flugzeug gebracht, in der Nacht oder am nächsten
Morgen sind sie in Frankfurt. Bis sie in Berlin eintreffen, sind je nach
Logistik insgesamt drei Tage vergangen. In anderen Läden sind vier bis fünf
Tage normal.
Eben hat Ihr Kollege einen gewaltigen Segelfisch (siehe Foto) filetiert. So
einen Fisch gibt es doch auch nicht jeden Tag, oder?
Nein, der kommt nur am Wochenende rein. Wir haben einen guten Partner und
können zweimal im Monat Segelfisch bekommen. Meist kalkulieren wir so, dass
er zum Monatsende kommt – da kommen nämlich die meisten Kunden zu uns.
Welche Kriterien haben Sie für den Einkauf?
Ich bin selbst gelernter Fischer, meine Mutter verkauft Fische auf dem
Markt, meine Oma räuchert. Schon deshalb bin ich ein Fan der
traditionellen, handwerklichen Fischereibetriebe, die mit Booten und
kleinen Schiffen Tagesfänge machen. Sie fahren um 3 Uhr los und kommen um 8
oder 10 Uhr wieder zurück, die fischen nicht das Meer leer wie die großen
Trawler. Und auch unsere Kunden sind sensibel für die Bedürfnisse des
Meeres. Also kaufen wir kleine Mengen aus nachhaltigem Fang. Und dann
kommen bei uns Frische und Qualität immer vor dem Preis. Sie können das
sehen: Die Augen der Fische sind prall, wenn sie das Fleisch mit dem Finger
eindrücken, kommt es wieder hoch. Qualität steht an erster Stelle. Ich bin
zum KaDeWe mit dem Anspruch gekommen, die Crème de la Crème zu verkaufen.
Wir sind Marktführer, wir müssen unseren Kunden etwas bieten, was sonst
keiner hat. Lachsfilet kriegen Sie überall.
Sind Ihre Kunden vor allem Privatleute oder Gastronomen?
In erster Linie Privatkunden, Berliner, aber auch viele Touristen. Die
Gastronomen kaufen beim Großhändler – aber es ruft schon mal ein Hotel an,
wenn es einen Politiker, einen berühmten Musiker oder Regisseur zu Gast
hat, der sagt: Ich will nur Red Snapper. Wenn das Hotel den nicht hat,
wissen sie, dass wir ihn führen.
Mussten Sie schon Produkte aus dem Angebot nehmen, weil sie zu exotisch
waren und sich nicht verkaufen ließen?
Nein. Wenn es sich um eine wenig bekannte Art handelt, ist es unsere
Aufgabe, sie den Kunden zu erklären und schmackhaft zu machen. Unsere
Kunden kommen ja nicht zu uns, um Seelachs zu kaufen. Wenn sie etwas sehen,
was sie nicht kennen, Entenmuscheln, Abalonen oder Bärenkrebse, dann fragen
sie, und wir erklären ihnen, woher das Produkt kommt, wie man es
zubereitet, wie es schmeckt.
Das heißt, Sie müssen die ganzen Sorten auch mal probiert oder sogar
zubereitet haben.
Als Fischer habe ich ohnehin den Vorteil, dass ich die meisten Fische
kenne, ich bin aber auch gelernter Koch. Ein weiterer Vorteil ist, dass ich
hier gleich neben der Theke eine Platte für die Zubereitung habe. Wenn Sie
kommen und sagen: „Den möchte ich jetzt mal essen“, dann nehme ich den
Fisch, schuppe, filetiere und brate ihn vor Ihren Augen.
Haben Sie den berüchtigten Kugelfisch im Angebot?
Nein, denn das ist der einzige Fisch, der wirklich giftig ist.
Grundsätzlich können Sie weltweit jeden Fisch essen, selbst wenn die
Qualität nicht mehr stimmt. Sie bekommen davon vielleicht Fieber oder
Durchfall – aber von einem falsch zubereiteten Kugelfisch können Sie
sterben. In Japan müssen Sie eine fünfjährige Ausbildung durchlaufen haben,
um als Koch einen Kugelfisch zerlegen zu dürfen. Eine Vergiftung wollen und
können wir nicht riskieren.
Gerade die Touristen kommen vermutlich einfach, um zu gucken und Fotos zu
machen – weil die Auslage so beeindruckend ist. Stört Sie das?
Uns stört das nicht, weil es die beste Werbung für uns ist. Dadurch, dass
diese Fotos auf Instagram oder anderswo im Internet erscheinen, sagen sie:
Wenn du in Berlin bist, geh ins KaDeWe. Viele Touristen kennen im Übrigen
unsere Produkte von zu Hause und freuen sich, sie hier zu sehen. Es kommen
Leute aus Thailand zu uns, die sehen die Meeresschnecken und Taschenkrebse
und wollen gar nicht mehr gehen. Die sitzen dann hier und essen und haben
ein Heimatgefühl.
Dass Sie all diese exotischen Fischarten schnell abverkaufen, kann man sich
gar nicht vorstellen. Was machen Sie denn mit dem Rest, werfen Sie den weg?
Nein! Wir haben im KaDeWe sieben Restaurants. Deshalb muss ich auch kein
Filet drei Tage lang anbieten. Es geht schon nach dem ersten Tag zu den
Kollegen in die Küche, und ich bekomme wieder frische Ware. Die Karkassen,
also die Reste der Fische, die wir selbst filetieren, werden zu Fischfond
für Bouillabaisse verarbeitet. Und aus anderen Resten von Edelfischen –
Steinbutt, Seezunge – bereite ich Fischbuletten zu, mit ein bisschen
Estragon und Ei … das sind Buletten de luxe! Ich mache die besten
Fischbuletten in Berlin, nur die Omas machen noch bessere (lacht
schallend).
Muss man das Meer lieben, wenn man Fisch verkauft?
Ich denke, alles was du im Leben machst, solltest du mit Leidenschaft
machen, sonst merken es die Leute. Ob du Fisch verkaufst, ob du Bäcker bist
oder Journalist, du musst eine Affinität zu deinem Produkt haben. Wenn du
nicht mit deiner ganzen Seele, Körper und Gedanken dabei bist, bringt es
nichts – die Kunden merken, dass irgendetwas faul ist. Wie wenn eine Ziege
versucht zu bellen. Ein Hund kann das einfach besser (lacht).
Und wenn Sie Urlaub machen, fahren Sie dann immer ans Meer?
Jemand, der in Berlin geboren wurde, möchte vielleicht mal in die Berge
fahren, um etwas anderes zu erleben. Aber jemand, der am Meer geboren
wurde, egal ob in Deutschland oder anderswo, der möchte immer zurück ans
Meer. Da gibt es eine Verbindung wie mit einer Nabelschnur. Wo ich Urlaub
mache, ist nicht so wichtig, solange ich das Meer sehen kann. In Berlin
fehlt es mir wirklich. Wenn ich dagegen nach Hamburg oder Bremen komme,
freue ich mich, da liegt schon dieser Jodgeruch in der Luft, der beruhigt
mich.
Was ist eigentlich Ihr persönlicher Lieblingsfisch?
(Überlegt kurz) Das ist fast eine philosophische Frage. Für mich ist es der
erste Fisch, den ich als Kind selbst gefangen habe. Das war eine Meerbarbe.
Ich war fünf oder sechs Jahre alt, aber das ist mir noch heute stark in
Erinnerung. Andere Fische schmecken vielleicht besser, aber das war mein
erster. Das ist wie die erste Liebe, die vergisst man nie.
21 Aug 2017
## AUTOREN
Claudius Prößer
## TAGS
Nachhaltigkeit
Fische
Paddeln
Naturschutz
Kapitän
Fische
Kneipe
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