| # taz.de -- Die Wahrheit: Mein Zorro | |
| > Sogar von außen waren Kinos in Kindertagen verheißungsvolle Orte. Doch | |
| > wer die ersehnten Filme schauen wollte, musste die magische Zwölf | |
| > überschritten haben. | |
| Bild: Ungestüm, gutaussenhend – und irgendwie herzig: Chris Hemsworth als Th… | |
| Als ich zum ersten Mal allein ins Kino gehen wollte, war ich wohl neun oder | |
| zehn Jahre alt. Ich wohnte damals in Münster und das prachtvolle Kino | |
| namens Residenztheater residierte nur zwei Häuser weiter. | |
| Das war für mich ein Kino, das seinesgleichen suchte, denn ich hatte noch | |
| nie ein anderes Kino gesehen. Von außen nicht und schon gar nicht von | |
| innen. Ich spazierte gern an den Schaufenstern entlang, in denen Bilder der | |
| aktuellen Filmen ausgestellt waren. Manchmal war ich wirklich schockiert: | |
| Da war zum Beispiel ein Mann, der mit den Händen an einen Lastwagen | |
| genagelt war, und er war nicht Jesus. Oder auch ein fliegender Junge mit | |
| Kindern im Schlepptau. Von dem fliegenden Jungen weiß ich heute, dass es | |
| Peter Pan war, wer der angenagelte Mann war, hab ich nicht herausgefunden. | |
| Irgendwann aber traf mich der Schlag mit der Peitsche! Ein maskierter Mann, | |
| den ich schon aus dem Fernsehen kannte, prangte nun plötzlich als Bild im | |
| Schaufenster und sollte bald als Film ins Kino kommen: Zorro! Freigegeben | |
| ab zwölf. Zorro! Ab zwölf! | |
| In unserem schwarzweißen Minifernseher zu Hause lief manchmal eine Serie, | |
| in der auch Zorro vorkam. Mein erster Superheld! Er hatte eine Maske, eine | |
| Peitsche, einen Hut und einen wehenden Umhang! Und dann noch dieses tolle | |
| Pferd! | |
| Alle anderen Superhelden, die ich kannte, waren nur enttäuschende Blender, | |
| die von anderen Planeten kamen und von sonst woher ihre Superkräfte hatten. | |
| Superman hatte ja eigentlich gar nichts geleistet. Batman hatte so viel | |
| Geld, dass er eigentlich gar keine Superkräfte brauchte. Aber Zorro | |
| brauchte erst recht keine Superkräfte, er war ein maskierter Spitzbube, der | |
| ein „Z“ mit seiner Peitsche überall hinschlagen konnte. Der war echt toll! | |
| Zorro! Im Residenztheater. Ab zwölf! | |
| Und ich war erst neun oder zehn. Was tun? Ab sofort schwänzte ich hin und | |
| wieder die Schule und spazierte tagelang am Kino hin und her und jubilierte | |
| dabei: „Wie gut, dass ich schon zwölf bin! Wie gut, dass ich schon zwölf | |
| bin!“ | |
| Irgendwann fiel ich wohl einem Kinotechniker auf, den ich bis heute | |
| liebevoll „Kinokameradreher“ nenne, und der nahm mich heimlich mit in eine | |
| neue große Welt. Er hatte einen Schnurrbart im Gesicht und Turnschuhe an | |
| den Füßen. Er zeigte mir, wie man mit diversen Knöpfen den riesigen | |
| goldenen Vorhang hochzog und herunterließ, wie man die Scheinwerfer | |
| bediente und was es mit den Filmrollen in den Schränken voller blecherner | |
| runder Büchsen auf sich hatte. Ich durfte durch die Vorführmaschine gucken, | |
| er lachte über die Eisverkäufer und wir freuten uns über die Reklame, die | |
| er abspielte. Und vor allem durfte ich Zorro von oben sehen. | |
| Heute ist im damaligen Residenztheater ein Supermarkt, aber immer, wenn ich | |
| daran vorbeikomme, singe ich leise in Gedanken vor mich hin: „Wie gut, dass | |
| ich schon zwölf bin! Wie gut, dass ich schon zwölf bin!“. Und ich denke | |
| dabei heimlich an Zorro und den Kinokameradreher. | |
| 15 Aug 2017 | |
| ## AUTOREN | |
| Corinna Stegemann | |
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