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# taz.de -- Zuschüsse für die Krankenversicherung: Beamte in die Gesetzlichen…
> Hamburg will es für Beamte attraktiver machen, sich gesetzlich zu
> versichern. Auch weitere Bundesländer prüfen, ob sie Ähnliches einführen.
Bild: Alleingang in Hamburg: Für gesetzlich versicherte Beamte soll es Zuschü…
Berlin taz | Es ist eine kleine Initiative, die aber große Auswirkungen
haben könnte. Als erstes Bundesland will das rot-grün regierte Hamburg per
Gesetz die gesetzliche Krankenversicherung attraktiver für Beamte machen.
Sie sollen künftig die Hälfte ihres Versicherungsbeitrags vom Stadtstaat
erhalten können, wenn sie sich gesetzlich versichern anstatt wie üblich
privat. Befürworter wie Kritiker des Vorstoßes sehen darin einen Einstieg
in die von SPD, Grünen und Linkspartei propagierte Bürgerversicherung.
Schon bislang ist es Beamten möglich, sich freiwillig gesetzlich zu
versichern. Doch das ist teuer und daher für die meisten unattraktiv. Denn
der öffentliche Dienst zahlt für Beamte keinen Arbeitgeberbeitrag, sondern
nur eine Beihilfe, die zwischen 50 und 80 Prozent der Krankheitskosten
abdeckt. Die verbleibende finanzielle Lücke kann ein Beamter jedoch derzeit
nur mit einer Privatversicherung schließen, da es bei den gesetzlichen
Kassen nicht die Möglichkeit einer Teilversicherung gibt. Die Folge: Ein
gesetzlich versicherter Beamter muss nicht nur den vollen
Krankenkassenbeitrag zahlen, sondern bekommt auch keine Beihilfe.
Nach den Plänen von Hamburgs Gesundheitssenatorin Cornelia Prüfer-Storcks
(SPD) soll sich das nun ab dem 1. August 2018 in Hamburg ändern. Sie will
die „Wahlmöglichkeit der Beamten stärken“: Wer sich nicht privat, sondern
gesetzlich versichern will, dem soll dann statt der individuellen Beihilfe
auch der hälftige Beitrag zur Krankenversicherung gezahlt werden können.
„Es ist eine Frage der Gerechtigkeit, dass sich der Staat auch an den
Krankheitskosten von gesetzlich versicherten Beamtinnen und Beamten
beteiligt“, begründet Prüfer-Storcks ihre Initiative.
Die Idee ist nicht neu. Bereits 2004 hatte die damalige rot-grüne
Bundesregierung einen Anlauf unternommen, eine vergleichbare Regelung für
Bundesbeamte einzuführen. Aber die entsprechende Gesetzespassage wurde im
parlamentarischen Verfahren wieder gestrichen – der Einfluss der
Lobbyverbände dürfte zu groß gewesen sein. Erst im Juni 2017 scheiterte ein
Antrag der Länder Berlin, Thüringen und Bremen, mit dem die schwarz-rote
Bundesregierung aufgefordert werden sollte, einen Gesetzentwurf vorzulegen,
mit dem „Beamtinnen und Beamten einen freiwilligen, bezahlbaren Zugang zur
gesetzlichen Krankenversicherung erhalten“. Jetzt also wagt Hamburg den
Alleingang.
## Privatversicherung perspektivisch abschaffen?
Der Zeitpunkt ist nicht ungeschickt gewählt. Denn der Vorstoß passt gut in
den Wahlkampf: Die SPD wirbt ebenso wie die Grünen und die Linkspartei
dafür, die Zweiteilung zwischen gesetzlichen und privaten
Krankenversicherungen perspektivisch abzuschaffen – und dafür sind die
Beamten ein entscheidender Faktor, weil sie den Großteil der
Privatversicherten stellen.
Der Verband der Privaten Krankenversicherung empörte sich denn auch, mit
dem Hamburger Gesetzesvorhaben werde die „Tür zur Bürgerversicherung“
geöffnet. Auch vom Beamtenbund (dbb) kommt schroffe Ablehnung. Es dränge
„sich der Verdacht auf, dass hier vom Hamburger Senat Wahlkampfhilfe für
den Kanzlerkandidaten Martin Schulz geleistet wird und ein erster Schritt
in Richtung Bürgerversicherung gemacht werden soll“, sagte der Hamburger
dbb-Landesvorsitzende Rudolf Klüver.
Die gesetzlichen Kassen, der DGB und die Dienstleistungsgewerkschaft Verdi
reagierten hingegen zustimmend. „Wir haben seit Langem gefordert, das zu
ändern“, sagte Berthold Bose, Leiter des Hamburger Verdi-Bezirks. „Wir
werden den Gesetzentwurf genau ansehen und den Prozess begleiten.“
Ob die Hamburger Initiative Nachahmer in anderen Bundesländern finden wird,
ist momentan völlig offen. Selbst das rot-rot regierte Berlin zeigt sich
zurückhaltend. „Wir wollen nach wie vor den Einstieg in die solidarische
Bürgerversicherung“, sagte Gesundheitssenatorin Dilek Kolat (SPD) der taz.
„Das kann sinnvoll aber nur bundesweit geregelt werden, daher auch unser
Vorstoß im Bundesrat.“ Eine Einzelregelung nach Hamburger Vorbild erwäge
der Senat daher derzeit nicht. Denn unterschiedliche Regelungen in den
Ländern erschwerten den Wechsel von Beamten von einem Bundesland ins
andere.
## Auch Thüringen prüft die Idee
Ähnlich sieht es im rot-roten Brandenburg aus. Gegen die Einbeziehung der
Beamten in die gesetzliche Krankenversicherung sei „aus Sicht des
politischen Solidargedankens grundsätzlich nichts einzuwenden“, antwortete
Finanzminister Christian Görke (Linkspartei) der taz. Daher stehe er auch
„diesem Gedanken weiter offen gegenüber“. Mehr jedoch auch nicht:
„Gegenwärtig ist allerdings eine vergleichbare Regelung über die
Zuschussgewährung zu den Krankenversicherungsbeiträgen für die Beamtinnen
und Beamten des Landes noch nicht geplant.“
Das gilt auch für das rot-grüne Bremen. „Diese politische Initiative ist
inhaltlich aber richtig“, sagte Gesundheitssenatorin Eva Quante-Brandt
(SPD) der taz. „In Bremen können wir uns das gut vorstellen, deshalb werden
wir nun den Hamburger Vorstoß aufmerksam verfolgen.“
Ausdrückliche Zustimmung kommt aus dem rot-rot-grünen Thüringen. Der
Hamburger Vorstoß sei „ein wichtiger Schritt in Richtung einer
solidarischen Bürgerversicherung“, sagte Gesundheitsministerin Heike Werner
(Linkspartei). „Wir werden auch in Thüringen über mögliche Wege
diskutieren, ein echtes Wahlrecht für Beamtinnen und Beamte zu schaffen, ob
sie Mitglied einer gesetzlichen oder einer privaten Krankenversicherung
sein wollen.“
Dazu will sie nun das Gespräch mit ihren für das Beamtenrecht zuständigen
Kabinettskollegen suchen. „Noch besser wäre natürlich eine
bundeseinheitliche Regelung im Krankenversicherungsrecht“, sagte Werner.
„Ich halte die Zusammenführung von gesetzlicher und privater Versicherung
hin zu einer Bürgerversicherung weiterhin für geboten.“
Doch glaubt man den aktuellen Umfragen, wird wohl auch nach der
Bundestagswahl die Bürgerversicherung noch auf sich warten lassen. Die
Union und die FDP sind strikte Gegner und eine rot-rot-grüne Mehrheit ist
nicht in Sicht.
Auch das Hamburger Modell wird erst einmal nur einem kleinen Teil der
Beamten in der Hansestadt den Weg in die gesetzliche Krankenversicherung
ebnen. Für den allergrößten Teil der rund 40.000 Landesbeamten und 30.000
Pensionäre bleibt der Wechsel weg von der Privatversicherung versperrt,
weil sie schon etliche Jahre privat krankenversichert sind und so nicht die
Voraussetzungen für einen Übergang erfüllen. Profitieren würden nur jene
2.400 Beamte, die schon gesetzlich krankenversichert sind, sowie neu
eingestellte Beamte.
11 Aug 2017
## AUTOREN
Pascal Beucker
## TAGS
Schwerpunkt Thüringen
Zeit Hamburg
Beamte
Krankenversicherung
Daniel Bahr
Gabriele Goettle
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