# taz.de -- Steuervorteile für privat Versicherte: Eine Allianz gegen die Allg… | |
> Ein Steuerschlupfloch für Besserverdienende: Private Krankenversicherer | |
> bieten Tarife an, mit denen ihre Kunden weniger Steuern zahlen müssen. | |
Bild: Ein unmoralisches Sparschwein: Allianz bietet Privatversicherten Steuersp… | |
BERLIN taz | Das Angebot der Allianz an taz-Leserin Renate Eggemann klang | |
erst einmal erstaunlich: Ob sie nicht freiwillig höhere Beiträge für ihre | |
private Krankenversicherung zahlen wolle? Zum Beispiel 2.700 Euro pro Jahr | |
zusätzlich, gerne aber auch jeden anderen Betrag? | |
Auf den zweiten Blick ergab das Angebot durchaus Sinn. Denn im Gegenzug | |
würde die Allianz die Beiträge senken, sobald Renate Eggemann das | |
Rentenalter erreicht hat. „Es gibt keine rentablere Rendite“, warb die | |
Allianz Ende März in dem Schreiben. | |
Der Grund, warum es für Renate Eggemann so profitabel sein soll, ihrer | |
Krankenversicherung mehr Geld zu geben: Die Allianz öffnet ihr ein | |
Steuerschlupfloch. In dem Brief heißt es: „Das sogenannte | |
’Bürgerentlastungsgesetz‘ (Einführung 1. 1. 2011) ermöglicht die höhere | |
steuerliche Absetzbarkeit Ihrer Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträge.“ | |
Klingt kompliziert, ist aber eigentlich ganz einfach: In Deutschland zählt | |
eine Krankenversicherung zum Existenzminimum. Und das Existenzminimum muss | |
steuerfrei bleiben. Also wird nicht der ganze Bruttolohn besteuert. Erst | |
werden unter anderem die Beiträge zur Krankenversicherung abgezogen. Und | |
nur für den Rest muss man Einkommensteuer zahlen. | |
## Die Allgemeinheit verliert | |
Durch den Steuerspartarif der Allianz und der anderen privaten | |
Krankenversicherungen zahlt man nun während seines Lebens nicht unbedingt | |
mehr oder weniger Beiträge als sonst. Nur der Zeitpunkt verschiebt sich: | |
Man zahlt höhere Beiträge während des Erwerbslebens, niedrigere Beiträge im | |
Rentenalter. | |
Der Clou: Während des Erwerbslebens ist auch der Einkommensteuersatz höher | |
als im Rentenalter. Und genau während dieser Zeit kann man durch die | |
höheren Beiträge zur Krankenversicherung sein versteuerbares Einkommen | |
senken. Sprich: Wer den Tarif abschließt, zahlt weniger Steuern. Die | |
Privatversicherten gewinnen, die Allgemeinheit verliert. | |
Renate Eggemann hat sich dagegen entschieden: „Ich bin nicht der Meinung, | |
dass ich subventioniert werden müsste“, sagt die verbeamtete Freiburgerin. | |
„Ich finde es ungeheuerlich, dass der Steuerzahler dafür aufkommt.“ | |
Stattdessen hat sie sich an die taz gewandt (siehe Kasten). | |
## Offensive Vermarktung | |
Die Allianz bietet den Tarif für Kunden zwischen 22 und 58 Jahren an. Von | |
den rund 300.000 privat Krankenversicherten dieses Alters haben ihn 42.600 | |
Kunden abgeschlossen, das sind rund 15 Prozent. „Damit Sie ein Gefühl | |
bekommen, wie sich unsere Neukunden verhalten, haben wir nachgesehen, wie | |
sehr die Variante in unserem verkaufsstärksten Tarif nachgefragt ist“, | |
schreibt Allianz-Sprecherin Susanne Kluge: Dort haben schon ein Drittel der | |
Kunden den Steuerspartarif. Die Allianz vermarktet ihn also mit zunehmendem | |
Erfolg. | |
Um welchen Betrag reduzieren die Kunden ihr versteuerbares Einkommen? Das | |
hängt „vom Alter, dem gewählten Tarif, dem Gesundheitszustand ab“, so | |
Kluge. Sie liefert auch gleich eine Beispielrechnung. Ein 35-jähriger | |
Neukunde, der jetzt 514 Euro im Monat für die Krankenversicherung zahlt, | |
kann seinen Beitrag sofort um 52 Euro anheben. Das Modell funktioniert | |
quasi wie ein Sparbuch – steuerbegünstigt, aber nicht vererbbar. Und die | |
Auszahlung erfolgt nicht auf einen Schlag, sondern Monat für Monat: Ab dem | |
65. Geburtstag sinkt der Krankenkassenbeitrag um 183 Euro. | |
Die 52 Euro Tarifzuschlag bleiben das ganze Arbeitsleben lang unversteuert. | |
Bei Festangestellten kommt noch hinzu: Sie zahlen nur die Hälfte des | |
Zuschlags selbst, da der Arbeitgeber die andere Hälfte übernimmt, solange | |
gewisse Höchstgrenzen nicht überschritten sind. | |
## Sparen nur ohne Solidarprinzip | |
Die gesetzlichen Kassen haben kein vergleichbares Tarifangebot. Hier hat | |
„die Private Krankenversicherung grundsätzlich einen Gestaltungsspielraum, | |
den die Gesetzliche Krankenversicherung aufgrund ihrer Struktur – | |
Solidarprinzip, einheitlicher Beitragssatz und Leistungskatalog – nicht | |
haben kann“, erklärt Ann Marini vom Verband der Gesetzlichen Krankenkassen. | |
Ihnen ist insbesondere verboten, ihren Tarif je nach dem Alter des | |
Versicherten zu heben oder zu senken. Das Steuerschlupfloch öffnet sich | |
also nur für Privatversicherte – für Angestellte mit einem | |
Bruttojahreseinkommen über 50.800 Euro, Beamte und Selbstständige. Dagegen | |
müssen Angestellte mit einem kleinen oder mittleren Einkommen ihre Steuern | |
weiterhin in voller Höhe zahlen. | |
Die große Koalition machte das Steuersparmodell für Besserverdienende | |
attraktiv. Ann Marini: „Das eigentliche Problem von | |
Beitragsentlastungstarifen gab es wohl schon immer, durch das | |
Bürgerentlastungsgesetz scheint dieser Punkt offenbar interessanter | |
geworden zu sein.“ Der Bundestag beschloss das Gesetz 2009 mit den Stimmen | |
von CDU und SPD. Seither können Krankenkassenbeiträge in unbegrenzter Höhe | |
von der Steuer abgesetzt werden. | |
Die Koalition verfolgte damit den Zweck, die existenznotwendige | |
Krankenversicherung zu unterstützen. Daher können auch Extras wie die | |
Chefarztbehandlung oder die Unterbringung im Einzelzimmer nicht von der | |
Steuer abgesetzt werden, sondern nur die Grundversorgung. | |
Dass die privaten Krankenversicherer die Tarife für diese Grundversorgung | |
nun passend zum Steuersatz ihrer Versicherten heben und senken – das war | |
eine Möglichkeit, die so zwar nie gedacht war, die aber auch nicht | |
ausdrücklich verboten ist. Bei neun Millionen Privatversicherten in | |
Deutschland entgeht dem Fiskus durch dieses Steuerschlupfloch grob | |
überschlagen jedenfalls jährlich ein dreistelliger Millionenbetrag. | |
22 Jun 2012 | |
## AUTOREN | |
Sebastian Heiser | |
Sebastian Heiser | |
## TAGS | |
Schwerpunkt Thüringen | |
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