# taz.de -- ZDF-Doku „Am Puls Deutschlands“: Endlich einer, der zuhört | |
> Was sind die „Sorgen und Nöte“ der Deutschen, was ihre Wünsche an die | |
> Politik? Im ZDF schenkt Moderator Jochen Breyer ihnen endlich mal ein | |
> Ohr. | |
Bild: Eine Mittelschichtsfamilie, die mit ihren zwei Kindern keine bezahlbaren … | |
Vielleicht hätte Moderator Jochen Breyer Chancen, wenn er in diesem Herbst | |
zur Wahl stehen würde. Schließlich tut er genau das, was nach Meinung aller | |
Protagonisten der ZDF-Dokumentation „Am Puls Deutschlands“ keiner der | |
aktuell verantwortlichen PolitikerInnen macht: zuhören. | |
Unterlegt von salbungsvollen Sätzen wie „Sommer 2017. Noch wenige Wochen | |
bis zur Wahl. Ich will wissen, was die Menschen in diesem Land bewegt. Was | |
ihre Sorgen sind, ihre Nöte, ihre Wünsche an die Politik“, ist er mal | |
nachdenklich, mal grübelnd oder interessiert blickend in hessischen | |
Kinderzimmern, brandenburgischen Gartenlauben und baden-württembergischen | |
Gemüsefeldern zu sehen. | |
Und wenn er nach knapp 45 Minuten sein Resümee mit den Worten „Ich wollte | |
hineinhören in dieses Land“ fast schon präsidial einleitet, um dann | |
zusammenzufassen: „Was viele eint, die ich besucht habe, ist, dass sie sich | |
ungehört fühlen“, will man diesem so dynamisch wirkenden 35-Jährigen | |
einfach seine Stimme geben und jubeln: Endlich einer, der uns versteht! | |
An dieser Stelle sei noch einmal versichert, dass der Name des | |
„ZDF-Morgenmagazin“- und „das aktuelle Sportstudio“-Moderators am Sonnt… | |
dem 24. September, nicht auf den Wahlzetteln auftauchen wird. Breyer führt | |
lediglich durch diese Dokumentation, die sechseinhalb Wochen vor der | |
Bundestagswahl ein Stimmungsbild deutscher WählerInnen einfangen will. Die | |
Frage, die man dafür vorab über die sozialen Netzwerke zur Diskussion | |
gestellt hatte, lautet: „Was stört sie an Deutschland?“ | |
## Sachlich und unhysterisch | |
Die Resonanz darauf sei „überwältigend“ gewesen, berichtet der Moderator | |
und verteidigt die negative Grundausrichtung der Fragestellung, mit der man | |
eben habe „herausfordern“ und „provozieren“ wollen. Breyer besucht | |
Menschen, die ihm geschrieben haben, um „mit ihnen ins Gespräch zu kommen“ | |
und – wie erwähnt – „ihnen zuzuhören“. Dabei geht es um eine Art | |
Querschnitt der großen Themen, die im Rahmen der Ausgangsfrage genannt | |
wurden: Familie und Kinder, Altersarmut, Flüchtlinge sowie Pflege- und | |
Gesundheitsangelegenheiten. | |
Besucht werden eine Wiesbadener Mittelschichtsfamilie, die mit ihren zwei | |
Kindern keine bezahlbaren Wohnungen findet und sich von der Politik | |
„vergessen“ und „allein gelassen“ fühlt, eine 62-jährige Rentnerin im | |
idyllischen Kleingarten ihrer 1.900-Einwohner-Gemeinde Gramzow in der | |
Uckermark (natürlich mit Gartenzwergen), die gegen „diese Ausländer“ und | |
„Flüchtlinge“ – sie nennt sie „Fluchtis“ – hetzt, weil ihr die Fil… | |
ihrer Facebookseite täglich manipulierte Horrormeldungen und vermeintliche | |
Hiobsbotschaften zum Untergang des Abendlandes präsentiert, ein | |
aufopferungsvoller Berliner Pfleger, der sich einfach nur „mehr Personal“ | |
wünscht, ein Frührentner im rheinland-pfälzischen Speyer, der als | |
freiwilliger Helfer einer Initiative Bedürftigen, Hartz-IV-Empfängern und | |
Obdachlosen vollwertige Mittagessen für einen Euro anbietet und gerne ein | |
„Ministerium für Gerechtigkeit“ hätte, sowie ein Gastronom vom Bodensee, | |
der die Ignoranz der Politik gegenüber dem Mittelstand anprangert. Ergänzt | |
werden die Begegnungen durch Expertengespräche, wie mit dem Ökonomen und | |
Soziologen Oliver Nachtwey oder lokal verantwortlichen Politikern. | |
Dabei fällt angenehm auf, dass sich die Macher darum bemühen, den Film und | |
seine Themen möglichst sachlich und unhysterisch anzugehen, doch was Breyer | |
selbst mit dem Halbsatz „natürlich war unser Stimmungstest nicht | |
repräsentativ“ abtut, ist eines der größten Mankos der Dokumentation, die | |
sich vorgenommen hat, ihr Ohr am Puls des Landes zu haben und damit doch | |
wohl das gesamte Land meint. Denn tatsächlich ist selbst der Kader der | |
deutschen Fußballnationalmannschaft bunter, als es die hier zu Wort | |
kommenden Repräsentanten sind. So wird hier letztendlich ebenjene | |
Interessensgruppe vorgestellt, die auf eine via Social Media gestellte | |
Frage des ZDF reagiert und die Gelegenheit nutzen will, ihren Ärger zu | |
artikulieren. | |
Gastronom Hubert Neidhart bringt die Mentalität auf den Punkt: „Eine | |
Revolution wäre mühsamer, beim Jochen Breyer geht das viel einfacher.“ | |
10 Aug 2017 | |
## AUTOREN | |
Jens Mayer | |
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