# taz.de -- Berlin gedenkt Hiroshima und Nagasaki: Gegen das Vergessen | |
> Vor 72 Jahren zerstörte eine Bombe neuer Dimension die japanische Städte | |
> Hiroshima und Nagasaki. Am 6. August erinnert eine Gedenkveranstaltung an | |
> das Unvorstellbare. | |
Bild: Wurde 1989 aufgestellt: die Weltfriedensglocke im Volkspark Friedrichshain | |
Am 6. August 1945 explodiert 500 Meter über einer Großstadt eine Bombe: | |
Innerhalb einer Sekunde sterben 80.000 Menschen, von der pulsierenden | |
Innenstadt bleibt fast nichts. „Das Problem an einer Atombombe ist“, sagt | |
Eugen Eichhorn, „dass das Ausmaß der Zerstörung unvorstellbar ist. Es gibt | |
keine Sprache dafür.“ Während die Opfer im Stadtzentrum Hiroshimas geradezu | |
verdampft sind, regnet noch Kilometern entfernt nuklearer Fallout auf die | |
Menschen hernieder. Die Opferzahl wird sich durch die Spätfolgen | |
verdoppeln. | |
Eichhorn, ein Berliner Mathematikprofessor im Ruhestand, ist gerade in | |
Japan – nicht weit entfernt von der Stadt, in der vor 77 Jahren die | |
US-Armee die erste Atombombe abwarf. „Das war der Beginn eines neuen | |
Zeitalters“, sagt Eichhorn und betont, dass er eigentlich kein Freund von | |
ultimativen Aussagen ist. | |
Eichhorn engagiert sich seit Jahren gegen die Bombe und ist eines der | |
Gründungsmitglieder des Deutsch-Japanischen Friedensforums, das mit anderen | |
Vereinen am 6. August in den Volkspark Friedrichshain einlädt. An der | |
Weltfriedensglocke wird es um 10 Uhr eine Gedenkveranstaltung für alle | |
Atombombenopfer geben. | |
„Es ist immer die Frage, wie man jungen Menschen überhaupt Krieg vermitteln | |
soll“, sagt Eichhorn. Bei Atomwaffen sei es noch schwieriger. Der weltweite | |
Protest sei auch deshalb gering, weil die Auswirkungen so abstrakt seien: | |
„Bei normaler Bombardierung sieht man wenigstens die Bomben fallen.“ Die | |
Gedenkveranstaltungen könnten lediglich ein Versuch sein, das alles | |
Menschen näher zu bringen. | |
## Grußworte und Musik | |
Am 77. Jahrestag der atomaren Zerstörung von Hiroshima, drei Tage vor der | |
zweiten Bombe auf Nagasaki, wird es an der Berliner Friedensglocke neben | |
Grußworten und Musik auch einen Vortrag von Lucas Wirl geben. Der Deutsche | |
ist Teil der Internationalen Juristenvereinigung gegen Atomwaffen – kurz: | |
IALANA – und wird unter anderem von einer neuen UN-Initiative berichten: | |
Anfang Juli haben 122 Staaten in New York einen Atomwaffenverbotsantrag | |
verabschiedet. | |
Der Entwurf soll im September ratifiziert werden, hat aber wenig Aussichten | |
auf Erfolg. Selbst bei einer formalen Ratifizierung würden sämtliche | |
Nuklearmächte – sowie auch Deutschland – das Abkommen kaum unterzeichnen. | |
Eichhorn urteilt trotzdem positiv über die Initiative: „Die kleinen Länder | |
proben den Aufstand.“ Es gehe vielmehr um die Ächtung der Atomwaffen. | |
Eichhorn hat die Berliner Veranstaltung zwar mitgestaltet, wird zum | |
Gedenktag aber für das Friedensforum in Hiroshima sein. Die | |
Gedenkveranstaltungen dort seien nochmal etwas anderes: „Die Nähe zum Ort | |
und den Menschen gibt einem das starke Gefühl, nicht alleine zu sein.“ | |
Veranstaltungen in Deutschland könnten natürlich nicht die gleiche lokale | |
Feierlichkeit vorweisen, seien aber ebenso wichtig. „Deutschland und Japan | |
verbindet die Kriegsvergangenheit. Beide führten Angriffskriege mit | |
unglaublicher Grausamkeit“, sagt Eichhorn. Die jetzigen Generationen treffe | |
zwar keine Schuld, trotzdem ginge es um eine indirekte Verantwortung, | |
derartiges für die Zukunft zu verhindern. | |
## Kriegsverbrechen | |
Gerade in Japan sei durch die Atombombenabwürfe eine Asymmetrie entstanden, | |
meint Eichhorn: „Der nationalistische Flügel hat einen Joker bekommen. In | |
deren Erzählung heißt es nur: Wir sind hier die Opfer.“ | |
Im Kern stimme das natürlich nicht, trotzdem seien die Zerstörung von | |
Hiroshima und Nagasaki beispiellose Kriegsverbrechen, für die bis heute ein | |
Prozess ausstehe. Zumal die heutige Forschung davon ausgehe, dass nicht | |
alleine die Atombomben die Kapitulation Japans im Zweiten Weltkrieg bewirkt | |
hätten. „Zwei Tage nach Hiroshima hat die Sowjetunion Japan den Krieg | |
erklärt“, sagt Eichhorn. Vor allem die Aussicht auf eine zweite Front hätte | |
den Ausschlag gegeben, doch bedingungslos aufzugeben. | |
Die Bedrohung durch Atomwaffen ist in Japan heutzutage deutlich realer als | |
in Berlin. Durch die Raketentests von Nordkorea sowie den andauernden | |
Manövern von Japan und den USA sei die Stimmung im Land „aufgeheizt“, sagt | |
Eichhorn. Noch ein Grund mehr vielleicht, bei einer Gedenkveranstaltung an | |
die Opfer von Krieg und Zerstörung zu erinnern – auch in Deutschland. | |
5 Aug 2017 | |
## AUTOREN | |
Robin Köhler | |
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